Debatte um StabilitätspaktFast wie bei der Erklärung zur Lage der Nation

Debatte um Stabilitätspakt / Fast wie bei der Erklärung zur Lage der Nation
David Wagner bezeichnete die Chamber als machtlosen Kommentator Foto: Editpress/Julien Garroy

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Die CSV macht auf Bekämpfung von Ungerechtigkeiten und wirft der Regierung schwerwiegende Versäumnisse vor. Ihr Fraktionssprecher Gilles Roth hielt gestern im Parlament die Rede, die er wohl zur nicht stattgefundenen Erklärung zur Lage der Nation halten wollte. Die Opposition klagte über Zeitmangel bei der Vorbereitung der Debatte – die Chamber ein machtloser Kommentator, so David Wagners („déi Lénk“) Schlussfolgerung.

Jährlich müssen die EU-Staaten bis Ende April der EU-Kommission ihren Wachstums- und Stabilitätspakt für die kommenden Jahre und ihr Reformprogramm vorlegen. Hinzu kommt dieses Jahr ein Wunschkatalog mit nationalen Projekten zum wirtschaftlichen Wiederaufschwung nach der Covid-Krise, die aus EU-Geldern mitfinanziert werden sollen. Luxemburg stehen theoretisch 93 Millionen Euro von insgesamt 750 Milliarden zu, falls die Projekte als finanzierungswürdig befunden werden.

Finanzminister Pierre Gramegna (DP) und Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP) hatten die Programme am Montag vor den Fachausschüssen und am Dienstag im Parlamentsplenum vorgestellt. Gestern konnten sich die Abgeordneten äußern. Was dem CSV-Sprecher Gilles Roth sichtlich schwerfiel, bedauerte er doch, dass man sich zu fast 400 Seiten starken Dokumenten äußern müsse, die man erst am Montag bekommen habe. Dieser Debatte hätte er die Diskussion über die Erklärung zur Lage der Nation vorgezogen. Diese findet in der Regel im Mai statt, wurde aber erneut auf später verschoben.

Weitere Belastung für die Schwachen

Das mag wohl erklären, dass sich Roths Rede wie die Replik auf eine nicht gehaltene Erklärung der Regierung ausnahm. Bezüge zu den Aussagen von Finanzminister und Wirtschaftsminister zum Wirtschafts- und Stabilitätspakt, Nationalen Reformprogramm und Aufbauprogramm gab es kaum. Genauso wenige Worte verlor er zu den Anti-Covid-Maßnahmen, an die insbesondere Finanzminister Gramegna erinnert hatte. Nur an eine Zahl stieß Roth sich: die vor zwei Tagen von Gramegna genannten 11 Milliarden Euro, die mobilisiert worden seien, um das Land und seine Wirtschaft durch die Krise zu bringen. Tatsächlich komme er, Roth, auf 2,6 Milliarden. Darunter auch rund 600 Millionen Euro gestundeter Steuern und Sozialbeiträge, die zu einem späteren Zeitpunkt in die Staatskassen fließen werden. Ein Missverständnis, das der Angesprochene später ausräumen sollte. Tatsächlich seien in genanntem Betrag u.a. auch Bankgarantien in Milliardenhöhe einberechnet worden – so wie von der EU-Kommission gewünscht.

Es sei verpasst worden, in soziale Gerechtigkeit zu investieren, so Roths Kritik. In den Jahren der Finanzkrise 2008 und 2009 lebten in Luxemburg 72.000 Menschen hart an der Armutsgrenze. 2019, nach einigen fetten Jahren, sei diese Zahl auf 122.000 gestiegen, ein Plus von 69 Prozent. Dabei sei die Bevölkerung lediglich um 24 Prozent gewachsen. Zudem würden durch die rezent eingeführte CO2-Steuer Einkommensschwache zusätzlich belastet.

Und dann der Klassiker: der Wohnungsmarkt und seine Probleme, die insbesondere jungen Menschen zusetzten. Die Debatte zur Lage der Nation wäre jetzt notwendig gewesen, so Roth. Von Premierminister Xavier Bettel (DP) hätte er sich ein ehrliches Eingeständnis seines Scheiterns in dieser Frage erwartet, so wie das vor Jahren bei seinem Amtsvorgänger Jean-Claude Juncker der Fall gewesen sei. Seit 2013 seien die Wohnungspreise um 57 Prozent gestiegen. Die Dreierkoalition habe nichts unternommen, um diese Preisentwicklung abzubremsen. 2007 wurden 5.000 neue Wohnungen gebaut, 2020 genauso viele. Die Zahl der Neubauwohnungen habe nicht zugenommen, die Bevölkerung schon, rechnete Roth. Steuererleichterungen müssten die Kaufkraft erhalten, die Kinderzulagen wie versprochen erneut indexiert werden. Was auch geschehen werde, wie Wirtschaftsminister Franz Fayot knapp und präzise zum Schluss der Debatten antwortete.

Realitätsleugnung

„Ein außergewöhnliches Krisenmanagement und ein beispielloser Stabilitätspakt, ein Maßnahmenpaket um Menschen und Betrieben unter die Arme zu greifen und auf die Zeiten nach Covid-19 vorzubereiten“, lobte seinerseits der DP-Abgeordnete André Bauler die Regierungspolitik. Sie habe ihre Früchte getragen. Man sei mit einem blauen Auge davongekommen. Ähnlich belobigende Worte fand auch Claude Haagen (LSAP), der dabei insbesondere die zahlreichen Hilfsmaßnahmen zugunsten der Bevölkerung hervorhob. So sei die Arbeitslosigkeit anders als befürchtet nicht „explodiert“.

Auf der Suche nach neuen Einkommensquellen riet Haagen der Regierung, sich vor Initiativen zur Mindestbesteuerung großer Digitalkonzerne nicht zu fürchten. Und François Benoît („déi gréng“) fand die Idee einer Corona-Steuer für Krisengewinnler durchaus berechtigt. Auch im Finanzsektor und bei Immobilienbesitzern habe es Gewinner gegeben.

Den Optimismus der Regierungsparteien wollte der Linken-Abgeordnete David Wagner nicht teilen. Realitätsleugnung, nannte er diese Haltung. Luxemburgs Wachstum sei wegen des Finanzplatzes und seiner Krisengewinnler sowie der steigenden Immobilienpreise gedopt und entspreche nicht der Realität. Die Regierung arbeite mit alternativen Fakten. Tatsache sei, dass Armut und Ungleichheiten im Land zunehmen, wie die Arbeitnehmerkammer in ihrem Sozialpanorama kürzlich festgestellt habe.

Nach fast vierstündiger Ersatzdebatte zur Lage der Nation verteidigte Finanzminister Gramegna die Regierungspolitik. Unverständlich sei die Kritik, es sei nicht genug zur Bekämpfung von Armut und sozialen Ungleichheiten getan worden. Immerhin entfielen von den 2,6 Milliarden Euro an staatlichen Stützen während der Pandemie 73 Prozent auf soziale Maßnahmen und auf solche zur Existenzabsicherung von Betrieben. Den Ausweg aus dem staatlichen Defizit sieht Gramegna nur im Wirtschaftswachstum. Durchaus realistisch sei es, dies mit vier Prozent 2021 und 2022 zu erreichen. Steuererhöhungen für Privathaushalte und Unternehmen lehnte er ab. Einem zukünftigen internationalen, in der OECD verhandelten Steuermindestsatz bei der Unternehmensbesteuerung sieht er gelassen entgegen. US-Präsident Joe Biden hatte zuletzt 21 Prozent vorgeschlagen.

Blücher
30. April 2021 - 5.50

Herr Montebrusco , jeder Bürger der seine Lebenshaltungskosten im Monat abrechnet, wöchentlich in die Läden geht und die massiven Steigerungen der Preise einbezieht, merkt wie das erarbeite Geld im Portmonee schrumpft. Nicht nur die Regierung den Index manipuliert, durch die Einführung der CO2 Steuer wird zusätzlich alles verteuert. Produzent, Händler wälzen die dadurch anfallenden Mehrkosten für Produktion,,Transport auf den Endverbraucher ab. Zusätzlich hypothekiert die Regierung die Zukunft der nächsten Generationen durch neue Schulden für teuere Militärprojekte, unnötige Fahrradpisten,Tram,……Wahlgeschenke , Pandemie Aufbaufonds der EU . Durch europäische Zinspolitik , Klimapolitik haben die Rentenfonds gelitten .Ob unsere Jugend , die Jett arbeitende Bevölkerung in der Zukunft überhaupt noch eine Rente beziehen wird ist fraglich. Die Entwertung des Geldes schreitet voran , die Digitalisierung , der Euro dies schön verschleiert, bei vielen europäischen Währungen dies dem Bürger eher auffiel. Die Politik manipuliert immer mehr die demokratischen Freiheiten , vernebelt die reale Situation im Staat, vernachlässigt die wichtigen Probleme .Die Wohnungsnot, die Schaffung der Arbeitsplätze für alle Bürger anstatt nur für Akademiker , Studierte und dergleichen . Der einfache Mann der Straße bleibt auf der Strecke, die Mittelschicht wird ausradiert. Herr Montebrusco, mit meinem Respekt für Sie, dieser Artikel enttäuscht mich, erinnert an die einstigen Lobhudeleien auf den Arbeiter und Bauerstaat, die Machthaber im Endeffekt das Land ruiniert, die Bürger noch ärmer gemacht hatten.

Tanja23
29. April 2021 - 17.52

Wenn es unseren Finanzen so gut geht, könnten wir dann bitte 2-3 Herz-Lungen Maschinen kaufen? Damit wir unsere Mitmenschen nicht ins Ausland verfrachten müssen, um sie zu retten?