/ F wie Networking, L wie Nation Branding - Luxemburg auf der Frankfurter Buchmesse
Luxemburg war nach fünf Jahren endlich wieder auf der Frankfurter Buchmesse vertreten. Zwischen Wahlkampf, Networking, Nation Branding und einem verwahrlosten Hotel ging es auch ein klein wenig um die Literatur. Eine Gonzo-Reportage.
Mittwoch. Ich komme in Frankfurt gegen 14 Uhr an. Das vom Kulturministerium für die Literaten reservierte Hotel ist gerade in Renovierung, sieht aber wohl auch in Normalzeiten so aus, als stehe der nächste Umbau stets vor der heruntergekommenen Tür. Der Aufzug (Baujahr 1962) knarzt so sehr, dass man sich fragt, ob das Hotel nicht etwa eine tödliche Falle sein soll, in der man die Autoren locken will, um so bei den staatlichen Subventionierungen einzusparen.
An der Rezeption werde ich beim Einchecken enigmatisch angestarrt, mit dem sichtlich überforderten Angestellten beginnt ein Gespräch, das wie eine billige Kopie eines Beckett-Stückes klingt. Nach langem Hin und Her drückt man mir den digitalen Schlüssel zum Zimmer 537 in die Hand, ohne dass ich weiß, wie lange ich das Zimmer nun belegen darf. Ich überlebe die Liftfahrt, öffne die Zimmertür und entdecke im Zimmer ein Handyladegerät (wie nett, die verwöhnen ihre Klientel nun aber schon ein wenig), ein Buch liegt auf dem Nachttisch und zu meiner Linken hängt ein Onesie an einem Kleiderbügel. Etwas verstört – ich bin in die Privatsphäre einer Fremden eingedrungen, stelle ich etwas langsam fest – gehe ich zurück zur Rezeption und beschwere mich, man habe mir ein bereits belegtes Zimmer gegeben. Der Rezeptionist meint etwas lakonisch, ich solle mich beruhigen, das sei schließlich nicht das erste Mal, dass dies heute passiert sei. Als wäre die Anhäufung von Missgeschicken eine ehrbare Legitimierung für Inkompetenz.
Kulturbeamte suchen besseres Hotel
Die Vertreter des Kulturministeriums sind übrigens, wie damals schon während der „Jeux de la francophonie“ in der Elfenbeinküste, nach einem kurzen Blick ins Hotel – die Mischung von utilitaristischen, blau-orange Panels und dem etwas modrigen Geruch reichten wohl aus – ausgezogen, um eine bessere Bleibe zu suchen. Als ich mich Minuten später auf der Messe, kurz nach der Einweihung des luxemburgischen Standes, mit Elise Schmit, die am selben Tag ihr Buch „Stürze aus unterschiedlicher Fallhöhe“ veröffentlicht, unterhalte und ihr die Anekdote erzähle, meint sie nur: „537? Das ist mein Zimmer.“
Das Hotel beschreibt sich selbst als „verspielt“, an der tristen blau-orange Deko, die an ein verwahrlostes Krankenhaus oder ein Bordell, das von einem farbenblinden Besitzer geleitet wird, kann es kaum liegen. Verspielt ist eventuell das Personal, das sich wohl einen Spaß daraus macht, dieses Spielchen mit fast allen Autoren zu treiben: Ulrike Bail bekommt einen Kartenschlüssel, der ihr unfreiwilligen Zugang zu Jean Portantes Zimmer verschafft, Elise wird nach mir noch von einem Fremden heimgesucht. Es fühlt sich an wie eine dieser dämlichen Versteckte-Kamera-Sendungen – nur halt ohne Kamera. Immerhin gibt’s Anekdotenmaterial, das Staatssekretär Guy Arendts Einweihungsrede nicht bieten kann (die Infos, die er dort wiederholte, können Sie in unseren letzten beiden Artikeln über die Messe online nachlesen). Der Stand selbst sieht mit seiner Wand, an der Einzelexemplare der 57 mitgenommenen Bücher in einem Regal stehen, das eventuell von jemand konzipiert wurde, der keine Bücher zu Hause stehen hat, etwas leer aus – bei der benachbarten Schweiz gibt es jede Menge Bücher, die Kategorisierung scheint hier logisch und nachvollziehbar. Danièle Kohn-Stoffels vom Kulturministerium erklärt, es habe technische Schwierigkeiten und Verzögerungen gegeben, mit der Folge, dass u.a. die Beschriftung, welche für kategorische Klarheit am Stand gesorgt hätte, noch fehlen würde. Für 2019 wäre ein Stand, der mehr nach Literatur und weniger nach Vermarktung der Marke Luxemburg aussieht, wünschenswert.
Ab nach Bockenheim
Am Abend ziehen wir (Verleger und Autor Ian De Toffoli, die Koordinatorin Anina Valle Thiele, der Leiter des CNL Claude D. Conter, die Autorinnen Elise Schmidt und Claire Leydenbach und meine Wenigkeit) in Richtung Bockenheim – ein Viertel, das uns Koordinatorin Anina, die auf eine beeindruckende Art das Projekt Frankfurt so optimal wie möglich durchgezogen hat, unbedingt zeigen möchte.
Da wir aber verpeilte Literaten und nicht etwa geübte Pfadfinder sind, verlieren wir uns inmitten der hässlichen Hochhäuser im Herzen einer Bad-Banks-Landschaft, durch die betrunkene Banker mit schiefen Krawatten ziehen, und landen später, dank Ians Handy, in der Innenstadt. Nach dem Essen flüchten Anina, Claude und Elise mit Lichtgeschwindigkeit ins Taxi, wir drehen uns im Kreis auf der Suche nach den restlichen Luxemburgern, von denen nur noch ein sich selbst im Kreis drehender Samuel Hamen übrig bleibt, mit dem wir anschließend zusammen (später stößt noch Fotograf Mike Zenari zu uns) in die Bristol-Hotelbar ziehen – ein grimmiger Barmann erklärt uns schroff, in Frankfurt würde jede Kneipe unter der Woche um 1.00 Uhr schließen, eine nettere Barfrau verweist uns aufs Bristol, weil sich dort auch deutsche Verleger treffen. Die sind leider nicht mehr vor Ort, einen Gin Tonic und tolle, von Schwachsinn und Gin durchtränkte Diskussionen gibt’s dann aber noch.
(to be continued)
- Barbie, Joe und Wladimir: Wie eine Friedensbotschaft ordentlich nach hinten losging - 14. August 2023.
- Des débuts bruitistes et dansants: la première semaine des „Congés annulés“ - 9. August 2023.
- Stimmen im Klangteppich: Catherine Elsen über ihr Projekt „The Assembly“ und dessen Folgeprojekt „The Memory of Voice“ - 8. August 2023.
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