HandballEx-Weltmeister Stefan Lövgren: „Ich kam eigentlich nie von der Nationalmannschaft los“

Handball / Ex-Weltmeister Stefan Lövgren: „Ich kam eigentlich nie von der Nationalmannschaft los“
Stefan Lövgren erzielte bei der WM 1999 insgesamt 46 Tore und wurde zum MVP des Turniers (Most Valuable Player) gewählt Foto: IHF/Facebook

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Als die Handball-WM 1999 bereits einmal in Ägypten stattfand, kürte sich Stefan Lövgren mit Schweden zum Weltmeister. In 268 Länderspielen erzielte der Schwede insgesamt 1.138 Tore und gilt bis heute als einer der besten Handballer des Landes. Auch etwas mehr als 20 Jahre später ist Lövgren noch eng mit dem Handball verbunden, wenn auch nicht mehr als Spieler. Der ehemalige Welt- und Europameister arbeitet heute für den schwedischen Verband und ist zudem im Exekutivkomitee der EHF tätig. Im Tageblatt-Interview spricht Lövgren über seine WM-Erinnerungen, seine heutigen Aufgaben und die Weltmeisterschaft in Ägypten.

Tageblatt: Wann hatten Sie zuletzt einen Handball in den Händen und haben selbst gespielt?

Stefan Lövgren: Das ist noch nicht so lange her. In Verbindung mit der EURO 2020, die im Januar des vergangenen Jahres in Schweden stattfand, habe ich mich mit älteren Nationalspielern getroffen und ein bisschen Spaß gehabt. Das war aber natürlich kein offizielles Spiel.

Die Handball-WM 2021 geht nun in die entscheidende Phase. Vermissen Sie es, selbst auf dem Platz zu stehen, wenn Sie sich solche Turniere anschauen?

Ja und nein (lacht). Natürlich kommen schöne Erinnerungen hoch, wenn man sich große Spiele anschaut. Aber auf der anderen Seite ist man sich immer bewusst, dass eine Profikarriere mit einem gewissen Zeitraum verbunden ist, und dass man nicht ein ganzes Leben weiterspielen kann.
Auch wenn ich nicht mehr selbst spiele, arbeite ich ja auch heute noch im Bereich des Handballs. Insofern bin ich heute mit der Zuschauer-Rolle zufrieden.

Sie wurden mit Schweden unter anderem Welt- und Europameister. Denken Sie noch oft an diese Zeit zurück?

Ich beschäftige mich in meiner Arbeit täglich mit dem Marketing der Nationalmannschaft und deswegen kam ich eigentlich nie von der Nationalmannschaft und den alten Zeiten los. Ich selbst denke jedoch nicht täglich an diese Zeit zurück. Das Thema kommt aber in Diskussionen mit Medien und Sponsoren immer wieder auf.

Wie Sie bereits erwähnt haben, arbeiten Sie auch heute noch mit der Nationalmannschaft zusammen. Was genau sind Ihre Aufgaben?

Ich bin Managing-Direktor einer Marketingfirma, die dem schwedischen Handballverband gehört. Ich bin unter anderem für Fernsehrechte, Sponsoring und Events zuständig. Ich kümmere mich aber auch um Großveranstaltungen. Wir versuchen zum Beispiel, die EM oder WM wieder nach Schweden zu holen. Das ist meine Aufgabe. Dazu gehören natürlich auch Kommunikation und PR.

Sie sind auch im Exekutivkomitee der EHF tätig. Was sind Ihre Aufgaben bei dem Europäischen Handball-Verband?

Ich bin von den EHF-Mitgliedsländern in das Exekutivkomitee gewählt worden. Das ist das höchste entscheidende Organ innerhalb der EHF. Unsere Aufgabe ist es, den europäischen Handball auf einer strategischen Ebene zu verwalten und weiterzuentwickeln.

Haben Sie sich während Ihrer Tätigkeit bei der EHF auch schon mit dem luxemburgischen Handball befasst?

Ich kenne den Handball aus Luxemburg ein bisschen aus den verschiedenen Arbeitsgruppen der EHF. Selbst habe ich nie gegen Luxemburg gespielt und habe den Sport dort nur aus der Ferne beobachtet. Im schwedischen Fernsehen werden ja auch keine Spiele aus der Luxemburger Meisterschaft übertragen. Deswegen ist es schwierig, diese im Detail zu verfolgen. Natürlich hält man aber immer verschiedene Ergebnisse im Blick, wie zum Beispiel die Qualifikationsspiele der Nationalmannschaft.

Zurück zur Weltmeisterschaft in Ägypten. Diese findet in diesem Jahr erstmals mit 32 Mannschaften statt. Was halten Sie von der Aufstockung?

Ich finde die Aufstockung tatsächlich gut, auch wenn diese mit Corona zum falschen Zeitpunkt umgesetzt wurde. Das wusste aber keiner im Voraus. Wenn ich mir die Entwicklung einiger Länder ansehe, dann begrüße ich die Aufstockung. Argentinien hat sich beispielsweise sehr gut geschlagen und auch ein paar andere Länder haben gute Ergebnisse erzielt. Das Niveau steigert sich Schritt für Schritt und das bei den Mannschaften von allen Kontinenten. Natürlich wissen einige Teams von Anfang an, dass sie keine Chance haben. Aber es ist auch für die Entwicklung dieser Nationen wichtig, irgendwann an einer Weltmeisterschaft teilzunehmen. Denn ein solches Turnier bringt auch kleine Mannschaften voran. Doch man muss auch sagen, dass es für den Veranstalter eine große Herausforderung ist, die WM mit 32 anstatt 24 Mannschaften auszutragen.

Gibt es eine Mannschaft, die Sie bei der WM überrascht hat?

Ich finde, die ungarische Mannschaft hat sehr gut gespielt. Man wusste von ihrer Qualität, aber ihre Spiele sahen alle sehr interessant aus. Das hat ein bisschen überrascht. Argentinien hat ebenfalls auf einem guten Niveau gespielt. Japan hat auch sehr interessanten Handball gespielt und ein schnelles Spiel gezeigt. Unsere eigene Mannschaft, Schweden, hat uns alle überrascht. Es gab vor der WM vier oder fünf Absagen von gestandenen Spielern. Deshalb haben wir sehr junge Spieler nominiert, die zuvor erst acht bis zehn Länderspiele bestritten hatten. Die haben wirklich überzeugt und vor allem gegen Russland eine grandiose Leistung gezeigt. Das alles sind ein paar Mannschaften, die zwar vielleicht nicht überrascht haben, aber ich habe mich über die Ergebnisse und die Leistung, die sie zeigten, gefreut.

Gibt es auf der anderen Seite eine Mannschaft, von deren Leistung Sie enttäuscht sind?

Man kennt ja nicht die Hintergründe von allen Mannschaften, deshalb kann ich das nicht wirklich sagen. Bei einigen Teams gab es ja auch einen Generationswechsel, ich denke da an Polen. Aber auch deren jüngere Spieler haben das gut gemacht. Enttäuscht bin ich aber von keiner Mannschaft, jedes Team muss sich am Ende selbst analysieren.

Sie haben bereits erwähnt, dass die schwedische Nationalmannschaft Sie überrascht hat. Wie sehen Sie ihre bisherige Leistung?

Sie hat sehr gut gespielt, finde ich. Vor der Weltmeisterschaft gab es keine Spiele, man konnte wegen Corona fast nicht trainieren. Zudem haben wir einen neuen Cheftrainer, der die Mannschaft vorher fast nie gesehen hat. Unter diesen Umständen finde ich, dass die Spieler eine wirklich sehr gute Leistung gezeigt haben. Vor allem in der Abwehr steht man sehr gut. Wie lange und wozu es reicht, weiß ich nicht. Bis jetzt haben sie aber souverän und ohne Niederlage gespielt.

Sind bei Ihnen die Nervosität und Anspannung größer, wenn Sie sich eine Partie von Schweden anschauen, als wenn Sie ein Spiel einer anderen Nation verfolgen?

Ja, auf jeden Fall (lacht). Es ist nicht leicht, auf der Tribüne oder zu Hause zu sitzen und nicht eingreifen zu können. Ich fiebere vom Sofa aus mit und bin manchmal aufgeregt, nervös oder je nach Spielverlauf auch super glücklich. Wir haben in einem Spiel in letzter Sekunde ein Unentschieden kassiert, da war ich sehr nervös und aufgebracht.

Welche Nation ist in bester Form und wird sich Ihrer Meinung nach am 31. Januar zum Weltmeister küren können?

Wenn ich mir die verschiedenen Gruppen ansehe, haben Dänemark, Spanien und Frankreich die größten Chancen. Sie tragen die Favoritenrolle. Ihre Kader sind vollständig und ihre Spieler haben bereits Erfahrung bei solchen Turnieren gesammelt. Sie wissen, wie es ist, in einem Halbfinale oder Finale zu spielen und das macht auch einiges aus. Ich glaube aber, dass auch Schweden vorne mitmischen kann.

1999 kürten Sie sich mit der schwedischen Nationalmannschaft zum Weltmeister. Was bleibt Ihnen vom damaligen Finale in Erinnerung?

Es war ein einmaliges Erlebnis, in einem so großen Stadion zu spielen. Die Stimmung war unglaublich, daran kann ich mich gut erinnern. Unser Starspieler Magnus Wislander sah die Rote Karte und wir mussten ohne ihn weiterspielen, auch das bleibt in Erinnerung. Es war ein sehr enges Spiel (Schweden lag gegen Russland phasenweise mit vier Toren zurück, konnte erst in der zweiten Halbzeit aufschließen und am Ende 25:23 gewinnen; d.Red.). In dieser Zeit hatten wir aber enormes Selbstvertrauen und eine super Mannschaft. Davor haben wir ja auch die Europameisterschaft gewonnen. Eine Weltmeisterschaft zu gewinnen, ist aber etwas ganz Besonderes.

Steckbrief

Stefan Lövgren
Geboren am 21.12.1970 in Partille (Schweden)
Position: Rückraum-Mitte
Vereine: Skepplanda BTK, Redbergslids IK, TV Niederwürzbach, THW Kiel
Weltmeister: 1999
Europameister: 1994, 1998, 2000, 2002
Schwedischer Meister: 1993, 1995, 1996, 1997, 1998 (Redbergslids IK)
Deutscher Meister: 2000, 2002, 2005, 2006, 2007, 2008, 2009 (THW Kiel)
Champions-League-Sieger: 2007 (THW Kiel)

Auch nach seiner Spielerkarriere blieb Stefan Lövgren dem Handball treu
Auch nach seiner Spielerkarriere blieb Stefan Lövgren dem Handball treu Foto: Privat