Freitag14. November 2025

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LieferkettengesetzEVP und Rechtsaußenfraktionen legen Position des EU-Parlaments fest

Lieferkettengesetz / EVP und Rechtsaußenfraktionen legen Position des EU-Parlaments fest
Der EVP-Abgeordnete Jörgen Warborn (Sitz 297) zeigte sich nach der Abstimmung zufrieden mit dem Ergebnis und dankte ausdrücklich „allen Kollegen“ dafür Foto:  Philippe Buissini/European Union 2025/EP

Das Europäische Parlament hat am Mittwoch in einem zweiten Anlauf seine Position zur Vereinfachung der Berichts- und Sorgfaltspflicht für Unternehmen – allgemein bekannt als Lieferkettengesetz – angenommen. Die Abstimmung sorgte jedoch nicht nur wegen der inhaltlichen Ausrichtung der verabschiedeten Position für Kritik. Der EVP-Fraktion wird vorgeworfen, gemeinsame Sache mit Rechtsextremen zu machen und den „cordon sanitaire“ gegenüber den Rechtsaußen-Fraktionen aufgehoben zu haben.

Die EU und ihre Mitgliedstaaten wollen die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen verbessern und haben dazu der offenbar überbordenden Bürokratie aufgrund zu vieler EU-Gesetze den Kampf angesagt. Mit einer Simplifizierungsoffensive werden nun bestimmte Bereiche des EU-Regelwerks durchforstet, wobei unter anderem Entlastungsmöglichkeiten für die Unternehmen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung und der unternehmerischen Sorgfaltspflicht, dem sogenannten Lieferkettengesetz, ausgemacht wurden. Mit dem Lieferkettengesetz müssten bestimmte Unternehmen nachweisen, dass entlang ihrer Geschäftstätigkeit weder soziale noch Umweltnormen gebrochen werden – dass beispielsweise ihre Produkte nicht durch Kinderarbeit hergestellt wurden. 

Am 22. Oktober stimmte das EP über einen Kompromiss ab, der zwischen den sogenannten Plattform-Fraktionen – der konservativen EVP, den Sozialdemokraten (S&D) und der liberalen Renew-Fraktion – gefunden wurde. Dieser Kompromiss fand allerdings keine Mehrheit im Plenum: Nur 309 Abgeordnete stimmten dafür, 318 stimmten dagegen, 34 enthielten sich. Der Berichterstatter, der EVP-Abgeordnete Jörgen Warborn, machte dafür eine Reihe von S&D-Abgeordneten verantwortlich. Allerdings war es eine geheime Wahl, womit nicht geklärt werden konnte, weshalb die sicher geglaubte Mehrheit nicht zustande kam.

Bei der Wiederholung der Abstimmung am Donnerstag nun wurde die Position des EP zur Abschwächung des Lieferkettengesetzes mit einer Mehrheit der EVP-Fraktion sowie der drei Rechtsaußen-Fraktionen festgezurrt. Auch einige liberale und S&D-Abgeordnete haben zugestimmt. Bei den Mitte-links-Fraktionen wird dies als Tabubruch angesehen. Die luxemburgische Grünen-Abgeordnete Tilly Metz spricht in einer Mitteilung von einem „Skandal“ und sagt schon einmal: „Äddi Brandmauer.“ Der liberale Abgeordnete Charles Goerens erklärt, dies sei ein „schlechter Tag für die europäische Demokratie“. Es habe sich eine „alternative Mehrheit“ zusammengetan „was der extremen Rechten erlaubt hat, Schiedsrichter bei einer politischen Entscheidung von höchster Wichtigkeit zu spielen“, so der luxemburgische EU-Parlamentarier in einer Mitteilung. Charles Goerens, Tilly Metz haben ebenso wie der luxemburgische S&D-Abgeordnete Marc Angel gegen die Vorlage gestimmt

Keine Verhandlungen mehr zwischen Plattform-Fraktionen

Bei den EVP-Abgeordneten wird der Ablauf der Dinge anders gesehen. „Ich stimme nicht mit der extremen Rechten ab“, stellt Isabel Wiseler-Lima klar und bedauert, dass im Oktober der mit den Sozialdemokraten und Liberalen gefundene Kompromiss keine Mehrheit gefunden hat. Sie und ihre luxemburgische Fraktionskollegin Martine Kemp werfen S&D-Abgeordneten vor, sich im Oktober nicht an die Abmachung gehalten zu haben und den gemeinsamen Kompromiss mit den Rechtsaußenfraktionen abgelehnt zu haben. Am Donnerstag hätten sie nur Änderungsanträge der eigenen Fraktion und keinen der Anträge der rechtsextremen Fraktionen gestimmt, versicherten beide EVP-Parlamentarierinnen. „Wir haben unsere Linie beibehalten und können niemanden davon abhalten, unsere Ideen gut zu finden“, verteidigt sich Martine Kemp. Der fraktionslose Fernand Kartheiser nahm nicht an der Abstimmung teil. 

Charles Goerens bedauert seinerseits, dass der Kompromiss der Plattform-Fraktionen am Donnerstag nicht mehr zur Abstimmung gebracht wurde. Dem Berichterstatter Jörgen Warborn (EVP) wurde zudem vorgeworfen, keine Verhandlungen mehr mit der S&D-Fraktion und den Liberalen aufgenommen zu haben. Die hätten neue Forderungen gestellt, verteidigte sich der Schwede nach der Abstimmung, auf die er mit Rücksicht auf die Position seiner EVP-Fraktion nicht hätte eingehen können. Er habe keine Verhandlungen mit anderen Fraktionen im EP geführt, versicherte Jörgen Warborn, weshalb für ihn der „cordon sanitaire“ zu den Rechtsaußenfraktionen weiterhin bestehe. Offensichtlich zählten die EVP-Abgeordneten aber darauf, dass sie ihre Positionen mit den Stimmen der Rechtsaußenfraktionen durchbringen konnten.

Weniger Unternehmen von Regeln betroffen

Im Gegensatz zum gemeinsamen Kompromiss, nach dem Unternehmen mit durchschnittlich über 1.000 Beschäftigten zu einer sozialen und ökologischen Berichterstattung über ihr Geschäftsgebaren verpflichtet werden sollen, bräuchten künftig nur mehr Betriebe mit durchschnittlich über 1.750 Beschäftigten dies zu tun. Bei der Sorgfaltspflicht hingegen hat sich nichts geändert: Die soll für Unternehmen gelten, die mehr als 5.000 Beschäftigte zählen und einen jährlichen Nettoumsatz von 1,5 Milliarden Euro aufweisen. Die EU-Staaten haben sich auf die gleichen Zielwerte festgelegt. „90 Prozent der Unternehmen werden künftig von der Nachhaltigkeitsberichterstattung ausgeschlossen, 75 Prozent sollen nicht mehr den Sorgfaltspflichten unterliegen“, ärgert sich Tilly Metz. Zudem sollen die Unternehmen keinen Plan mehr vorlegen müssen, wie sie sich auf die Einhaltung der Ziele des Pariser Klimaabkommens vorbereiten wollen.

Sollten die Unternehmen die im Lieferkettengesetz vorgesehenen Regeln nicht einhalten, könnten sie mit Strafen belegt werden. Jörgen Warborn versicherte, dass dies weiter Bestandteil des Gesetzes sei. Allerdings soll die Strafe nicht mehr auf EU-Ebene fällig werden, wobei das Strafmaß bis zu fünf Prozent des Jahresumsatzes hätte reichen können. Nun soll das Strafmaß im Ermessen der EU-Staaten liegen, sagte der EVP-Abgeordnete

Als Nächstes müssen die EP-Unterhändler einen Kompromiss mit den Vertretern der Mitgliedstaaten finden. Und das möglichst vor Ende des Jahres. Denn bereits ab dem 1. Januar kommenden Jahres müssten sich weitere Unternehmen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung halten. Am kommenden Dienstag sollen die ersten Trilogverhandlungen – zwischen EP, Rat und EU-Kommission – beginnen.