Luxemburg Europaschule Nummer sechs: Parlament stimmt für weitere Bildungseinrichtung 

Luxemburg  / Europaschule Nummer sechs: Parlament stimmt für weitere Bildungseinrichtung 
Die DP-Politiker Claude Lamberty und Claude Meisch im Parlament Foto: Editpress/Julien Garroy

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Schulfragen standen am Dienstag im Mittelpunkt der öffentlichen Parlamentssitzung. Dazu verabschiedeten die Abgeordneten zwei Gesetzentwürfe. Der dritte Punkt war eine Dringlichkeitsfrage der „déi Lénk“-Abgeordneten Myriam Cecchetti zum Lehrauftrag der Mitarbeiter der psychopädagogischen Kompetenzzentren.

Der erste Gesetzentwurf betraf eine Umänderung des Gesetzes über das „Institut de formation de l’éducation nationale“ (Ifen). Das erst 2015 gegründete Ifen bietet Lehrkräften und Schulen auf Wunsch Weiterbildung an, vermittelt Quereinsteigern das notwendige Wissen, um zu unterrichten. Organisation und Arbeitsweise des Ifen würden geändert, fasste Berichterstatter Claude Lamberty (DP) Inhalt und Ziel des Gesetzprojekts zusammen. So wird eine der sechs Abteilungen aus dem Script („Service de coordination de la recherche et de l’innovation pédagogiques et technologiques“) in das Ifen integriert. Schulentwicklung und berufliche Weiterbildung werden somit an einer Adresse vereinigt. Des Weiteren werden zwei neue Abteilungen geschaffen. Die erste bietet Weiterbildung für Lehrkräfte und Pädagogen in leitenden Positionen an, während die zweite die beruflichen und psychosozialen Kompetenzen der Lehrkräfte fördern soll.

Die Abgeordneten Martine Hansen (CSV) und Fred Keup (ADR) – ihre Parteien enthielten sich bei der Abstimmung – äußerten sich skeptisch zum Vorhaben. Beide befürchteten die Schaffung eines bürokratischen Wasserkopfes. Immer mehr Leute würden von der praktischen Arbeit vor Ort abgezogen, bemängelte Keup. Dabei fehlten Lehrkräfte. Unklar war für Josée Lorsché („déi gréng“) die Rollenverteilung zwischen Ifen und Universität Luxemburg bei der Lehrerausbildung.

Cecchetti: „Zwei verschiedene Welten“

Es entstehe gelegentlich der Eindruck, man habe es hier mit zwei verschiedenen Welten zu tun, so Myriam Cecchetti („déi Lénk“) dazu. Sven Clement (Piraten) bezweifelte, ob die zwei neu geschaffenen Abteilungen sich auf die Arbeit in den Schulen auswirken. Neben der Begleitung der Lehrkräfte durch das Ifen, sollte auch die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und den Personalvertretern verbessert werden.

Mit den Stimmen der Mehrheit wurde das Gesetz verabschiedet, das die Schaffung einer nunmehr sechsten öffentlichen Europaschule in Luxemburg-Stadt vorsieht. Die erste Schule war 2016 in Differdingen eröffnet worden. 2018 folgten gleich drei weitere Europaschulen in Clerf, Mondorf und Junglinster und 2021 die Schule in Mersch. Diese Schulen sollen Kinder und Jugendliche ansprechen, die aus sprachlichen Gründen riskieren, die Regelschule nicht zu schaffen.

Die nun geplante Gaston-Thorn-Schule in Luxemburg wird vorerst rund 300 Kinder in der Grundschule, im Sekundarunterricht und in Vorbereitungsklassen für das Lyzeum aufnehmen. Angeboten werden in einer ersten Phase drei Sprachsektionen – Deutsch, Französisch und Englisch. Später sollen portugiesische, spanische und italienische Sektionen folgen. Im Unterschied zu den klassischen Europaschulen für Kinder der Mitarbeiter von EU-Einrichtungen, sind die öffentlichen internationalen Schulen jedem zugänglich und unentgeltlich. Auch wenn die Schüler und Schülerinnen zwischen unterschiedlichen Einschulungssprachen wählen können, müssen sie dennoch das Luxemburgische lernen – ab der Grundschule und bis ins dritte Sekundarschuljahr.

Große Nachfrage nach Europaschule 

Mit den Europaschulen verfolge man das Ziel, jedem Kind die Chance auf ein gutes Abschlusszeugnis zu geben, so Berichterstatter Claude Lamberty (DP). Die Nachfrage nach einer öffentlichen Europaschule sei „immens groß“. Dank dieses Konzepts werde das Bildungssystem fairer und wirksamer.

Nicht alle Parteien erfreute die Schaffung einer weiteren Europaschule. Martine Hansen (CSV) zufolge reiche es nicht, eine parallele Schulwelt aufzubauen. Man müsse das Sprachenproblem in der öffentlichen Schule angehen. Diese müsse gestärkt und an die Erfordernisse angepasst werden. 

Für Francine Closener (LSAP) sind die öffentlichen Europaschulen ein gutes Instrument, um der Unterschiedlichkeit der Schüler zu begegnen. Mehrsprachigkeit sei kein Hindernis hier. Erfolgreiche Sprachkonzepte dieser Schulen könnten und sollten im traditionellen Schulsystem übernommen werden. Was jedoch kein Argument gegen die Europaschulen sein könne.

Allein in der Differdinger Schule steige die Schülerzahl pro Jahr um zweihundert, so die Fraktionschefin von „déi gréng“ Josée Lorsché. Zwar sei die Zahl der Schülerinnen und Schüler in diesen Schulen noch eher gering, dennoch seien sie zu einem wichtigen Standbein des Luxemburger Schulsystems geworden. Nur dürften die Ungleichheiten nicht verstärkt werden.

Der ADR-Abgeordnete Fred Keup sah seinerseits die soziale Kohäsion gefährdet. In den Europaschulen würden vor allem Kinder aus Migrantenfamilien gehen. Keup sprach von einer „Mogelpackung“, weil man in den Europaschulen die drei offiziellen Sprachen des Landes nicht ausreichend gut erlerne – was den Berufseinstieg in Luxemburg wiederum erschwere.

„Déi Lénk“ hatten keine prinzipiellen Einwände gegen Europaschulen. Myriam Cecchetti zufolge sollte man dennoch, statt neue Europaschulen zu eröffnen, zuerst auf den Bildungsbericht 2024 warten, in dem eine erste Bewertung dieser neuen Bildungseinrichtungen vorgenommen wird.

Piraten warnen vor parallel laufenden Systemen

Kurzfristig seien die Europaschulen ein wichtiges Mittel, um das Schulangebot zu diversifizieren und den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden, so Sven Clement (Piratenpartei). Gleichzeitig warnte er vor parallel laufenden Systemen. Ziel müsse es sein, eine unterschiedliche Alphabetisierung anzubieten. Langfristig sei eine Modernisierung des Schulsystems unumgänglich.

Benötigt werde mehr Flexibilität im Sprachunterricht, so Schulminister Claude Meisch (DP) am Ende der Debatte. Den Nutzen der Europaschulen illustrierte er am Beispiel der Kinder ukrainischer Flüchtlingsfamilien. 1.300 Schüler und Schülerinnen seien ins Schulsystem integriert worden, 800 davon in einer Europaschule, der Rest in den Grundschulen des Landes. Solche Schulen würden jedoch nicht nur in außergewöhnlichen Zeiten benötigt. Jährlich müssten über 2.000 Kinder aus Migrantenfamilien der ersten Generation integriert werden.

Die Linken-Abgeordnete Myriam Cecchetti am Dienstag in der Chamber
Die Linken-Abgeordnete Myriam Cecchetti am Dienstag in der Chamber Foto: Editpress/Julien Garroy

Die Sitzung schloss eine Aktualitätsstunde über die Arbeitsbedingungen in den psychopädagogischen Kompetenzzentren und insbesondere den Lehrauftrag der Mitarbeiter. Myriam Cecchetti („déi Lénk“) hatte die Debatte angeregt. Die derzeit acht Kompetenzzentren betreuen Schulkinder mit spezifischem Förderbedarf.

Ein zwischen der CGFP und dem Schulministerium im November 2021 erzieltes Abkommen wird von der repräsentativen, dem OGBL nahestehenden APCCA („Association du personnel des centres de compétences et de l’agence“) zurückgewiesen. Das Abkommen soll gesetzlich umgesetzt werden.

Das Abkommen mit der CGFP widerspreche dem Arbeitsalltag der Betroffenen, so Cecchetti. In den Kompetenzzentren sei die Unzufriedenheit groß. Problematisch sei dabei nicht so die Länge des Lehrauftrags als die zusätzlichen Arbeiten, die geleistet werden müssen, wie zum Beispiel Elternberatung und Vorbereitung der Präsenzstunden. Laut Cecchetti würden Mitarbeiter freiwillig bis zu 48 Stunden die Woche leisten.

Laut Schulminister Claude Meisch habe man in den letzten Jahren rund 700 neue Posten geschaffen. Neue Kompetenzzentren seien entstanden, die bestehenden ausgebaut worden. Ziel war es, den Kindern mehr bieten zu können. Er habe Gespräche mit allen Seiten gehabt. Knackpunkt bei den Verhandlungen sei der Lehrauftrag für das sozioedukative Personal im Präsenzunterricht gewesen. Dabei wurde die Reduzierung des Lehrauftrags von derzeit 32 auf 28 Stunden wöchentlich gefordert. Dies würde ein Verlust von über 90.000 Stunden bedeuten, so Meisch. Man würde zusätzliches Personal benötigen. Dabei seien die Probleme bei der Rekrutierung von Personal bekannt. Ein Blick ins Ausland ergab, dass der Lehrauftrag in Frankreich 35 Stunden wöchentlich, in Österreich 40, in Rheinland-Pfalz 33, im Saarland 31 und in Belgien 36 Stunden beträgt. 

Mit der CGFP verständigte sich das Ministerium auf einen Lehrauftrag von 30,5 Stunden. Man sei zu einer Absenkung bereit gewesen, aber nicht der Einstiegsforderung entsprechend, so Meisch. Von der anderen Seite habe es kein Entgegenkommen gegeben. Ob eine Schlichtungsprozedur eingeleitet wird, hängt nun vom Schlichter ab, so Meisch. Die APCCA hat das Schlichtungsamt mit der Angelegenheit befasst.

Grober J-P.
15. Juni 2022 - 9.06

"In den Kompetenzzentren sei die Unzufriedenheit groß." Den H. Minister nur einen Tag z.B. in einer International School "einsperren", damit er mitkriegt was los ist. Er hat wirklich keine Ahnung.