Freitag14. November 2025

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Neues EnergiemarktdesignEU will Verbraucher mit Strompreis „zocken“ lassen

Neues Energiemarktdesign / EU will Verbraucher mit Strompreis „zocken“ lassen
Stromgewinnung mit Solaranlagen ist günstiger als mit Atomanlagen, was auch den Stromkunden zugutekommen sollte Foto: AFP/Daniel Leal

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Als knapp werdendes Gas im vergangenen Jahr die Strompreise explodieren ließ, nahm sich die EU vor, das Strompreisdesign zu überarbeiten, damit künftig nicht mehr die teuerste Energie den Preis für alle bestimmt. Nun liegt der Entwurf der EU-Kommission vor. Er fällt anders aus als vermutet.

Börsenspekulanten kennen es: Mit hochriskanten Aktien kann man schnell reich, aber auch bitterarm werden, langfristige Strategien stehen für mäßige Wertentwicklung. Viele Anleger schätzen die Mischung. Genauso sollen die Verbraucher nach den Vorstellungen der EU-Kommission künftig mit ihren Stromanbietern „zocken“ können. Teil des vorgeschlagenen neuen Strommarktdesigns ist die Verpflichtung für Stromkonzerne, ihren Kunden einen dynamischen, einen flexiblen und einen festen Tarif und einen Mix aus allem anzubieten. So soll dann jeder selbst in der Lage sein, von ganz günstigen Preisen extrem zu profitieren, Mehrkosten dann aber mittragen zu müssen oder langfristig verlässliche Stromrechnungen zu bevorzugen – und beides kombinieren zu können.

Das Design fällt damit anders aus als von den einen Mitgliedstaaten erwartet, von den anderen befürchtet. Als Operation am offenen Herzen hatten die EU-Energieminister den Plan bezeichnet, die Preise von (inzwischen günstigen) Erneuerbaren Energien und (zwischenzeitlich extrem teurem) Gas für die Bildung des Strompreises für alle zu entkoppeln. Es sollte nämlich eine Antwort gefunden werden auf die Herausforderung des vergangenen Jahres, als die Erneuerbaren weiter günstig waren, das Gas aber knapp wurde und in dem Augenblick, in dem Gaskraftwerke für die Sicherstellung der Grundversorgung ans Netz mussten, diese den Preis für alle in die Höhe trieben.

An diesen eingespielten Mechanismus hat sich die Kommission nicht herangetraut. Alle untersuchten Alternativen hätten unterm Strich nicht zu niedrigeren Preisen, sondern nur zu mehr Intransparenz geführt, verlautete aus der EU-Kommission. Bei der Vorstellung des Vorschlages am Dienstag in Straßburg verwies Energie-Kommissarin Kadri Simson allerdings darauf, dass im Endeffekt eine solche Entkoppelung entstehen könne – wenn alle zusätzlichen Aspekte aus ihrem neuen Designentwurf zu wirken begännen. Die gestärkten Verbraucher-Rechte bei der Vertragsgestaltung gehören genauso dazu wie die Vorgaben, die zusätzliche Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren zu erleichtern – etwa aus Solarmodulen oder Wärmepumpen.

Erneuerbare weiter ausbauen

Auch die Förderung weiterer Investitionen in die Erneuerbaren gehört dazu, indem die Firmen Mindest-Abnahmepreise vom Staat garantiert bekommen. Was vielen in der EU schwer zu schaffen machen dürfte: Gefördert wird auch „kohlenstoffarme“ Stromproduktion, also Atomenergie. Simson kündigte an, dass die Arbeiten an den neuen Grüne-Energien-Programmen weitergingen. Wenn es gelinge, auf diese Weise 50 Gigawatt mehr Sonnenstrom und 30 Gigawatt mehr Windstrom zu erzeugen, werde dies die Gesamt-Stromkosten um weitere zwölf Milliarden entlasten. Ohnehin ist der Gaspreis inzwischen von Spitzenwerten von 300 Euro je Megawattstunde auf unter 50 gefallen.

Simson hofft, dass die Ko-Gesetzgeber die neuen Strommarkt-Regeln nun prioritär anpacken, um die Verbraucher baldmöglichst entlasten zu können. Positive Signale kamen dazu von Christian Ehler, dem energiepolitischen Sprecher der EVP-Fraktion. Die vorgeschlagenen Änderungen des bestehenden Marktdesigns würden „dazu beitragen, Preisspitzen zu bekämpfen, aber auch unsere Klimaziele zu erreichen“. Nachdem das Parlament auf das neue Konzept lange gewartet habe, könne es „sinnvoll sein, diese Reform mit einem beschleunigten Gesetzgebungsverfahren zu behandeln“, meinte Ehler.

„Leider fehlt eine Idee für einen Industriestromtarif, der die energieintensive Industrie und den Mittelstand global konkurrenzfähig erhält“, kritisierte S&D-Abgeordnete Jens Geier. Er schlug vor, den staatlich geförderten Strom für Industriekunden zu einem günstigeren Preis zugänglich zu machen. Für die Linken forderte deren Energie-Expertin Cornelia Ernst ein „gesetzlich verankertes Verbot von Stromsperren für arme Haushalte“.