Mittwoch12. November 2025

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GipfeltreffenEU und Großbritannien setzen auf bessere Zusammenarbeit

Gipfeltreffen / EU und Großbritannien setzen auf bessere Zusammenarbeit
Neben dem Lancaster House, dem Austragungsort des Gipfeltreffens, forderten britische Anti-Brexit-Demonstranten eine Rückkehr des Vereinigten Königreiches in die EU Foto: Henry Nicholls/AFP

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Neubeginn nach dem Brexit: Mehr als fünf Jahre nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU haben sich London und Brüssel auf engere Beziehungen bei Verteidigung und Handel geeinigt.

Kriegsschiff-Enthusiasten kennen HMS Sutherland unter ihrem Spitznamen „der kämpfende Clan“ (the fighting clan). Im nordschottischen Bezirk, von dem die Fregatte ihren Namen erhielt, lagen die Mitglieder der gleichnamigen Herrscherfamilie Jahrhunderte lang im Clinch. An diesem Montag im Mai aber enterten in London Männer und Frauen das derzeit in der Themse ankernde Schiff mit gänzlich friedfertigen Absichten. Von einer „neuen strategischen Partnerschaft“ schwärmte der britische Premierminister Keir Starmer, und EU-Ratspräsident António Costa sekundierte: „Gemeinsam sind wir stärker.“

Das Gipfeltreffen zwischen dem Brüsseler Club und seinem Ex-Mitglied symbolisiert einen Neuanfang in den Beziehungen, wie ihn die Labour-Regierung vor der Wahl im vergangenen Jahr versprochen hatte. Man wolle sich von den „faden Debatten“ der Brexit-Ära verabschieden und gemeinsam „praktische Lösungen“ finden, betonte Starmer. Wie die zuletzt erreichten Handelsvereinbarungen mit Indien und den USA stelle auch die Übereinkunft mit der EU einen „Vertrauensbeweis für unser Land“ dar. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schwärmte von der besseren Zusammenarbeit zwischen „Nachbarn, Freunden, Partnern“.

Im Einzelnen ist die Rede von besserer Zusammenarbeit bei Sicherheit und Verteidigung, symbolisiert durch das gemeinsame Mittagessen auf der Sutherland. Der neue Pakt eröffnet Rüstungsunternehmen wie BAE den Zugang zum kürzlich beschlossenen EU-Topf zur Wiederaufrüstung SAFE. Wie viel der darin enthaltenen 150 Milliarden Euro für Projekte unter britischer Beteiligung zur Verfügung steht, bleibt einstweilen offen.

In der Kriminalitätsbekämpfung geht es um gegenseitigen Datenaustausch; für die Briten ist der Zugang zu Europol und den EU-Datenbanken von wesentlicher Bedeutung, auch für die Verfolgung von Schlepperbanden, die jährlich Zehntausende irregulärer Flüchtlinge auf die Insel bringen.

Erleichterungen für britische Reisende

Eine Vereinbarung über Lebensmittel- und Tierkontrollen (SPS) soll Bürokratie abbauen und Grenzkontrollen minimieren. Dadurch könne sein Land wieder „Burger und Wurst“ in den Binnenmarkt liefern, freute sich Premier Starmer. Ausdrücklich hatten die Briten bei ihrer Vereinbarung mit den USA Hormonfleisch und Chlorhühnchen ausgeklammert. Schließlich pocht Brüssel auf die Einhaltung von Vorschriften, über die im Streitfall der EuGH wacht.

Ein neues Verfahren zur „Jugenderfahrung“ wird Kontinentaleuropäern unter 30 für zwei oder drei Jahre ermöglichen, im Königreich zu leben, zu arbeiten und zu studieren. Umgekehrt gilt dies auch für junge Briten in der EU. Auf Brüsseler Seite war lange von „Jugendmobilität“ die Rede; das Wort „mobility“ wurde durch „experience“ ersetzt, um britischen Empfindlichkeiten entgegenzukommen. Starmer will jeden Anschein vermeiden, er kehre zur Personen-Freizügigkeit zurück. Vielmehr ähnelt das zeitlich begrenzte Visum bestehenden Regelungen mit Australien oder Neuseeland.

Sonnenhungrigen Briten hat die Kommission den Weg zu den elektronischen Schranken (e-gates) bei der Einreise nach Italien oder Spanien geebnet. Dadurch könnten die seit dem Brexit üblichen langen Schlangen britischer Reisender vor der Passkontrolle hinfällig werden. Allerdings müssen die Mitgliedstaaten individuell dafür sorgen.

Streitthema Fischerei geklärt

Auf Drängen Frankreichs und anderer Küstenstaaten einigten sich beide Seiten auf eine Verlängerung der Fischereiquoten bis 2038. Die wirtschaftlich unbedeutende Branche ist auf beiden Seiten des Ärmelkanals von hohen Emotionen belastet. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz im Lancaster House drehten sich prompt viele Fragen um den „Verrat an der britischen Fischerei“, von dem die oppositionellen Torys sowie Nationalpopulist Nigel Farage umgehend sprachen.

Deutlich mehr französische, niederländische und spanische Boote fischen in britischen Gewässern als Briten nahe der EU-Küsten. Starmer wies aber darauf hin, dass die SPS-Vereinbarung britischen Fischern den Export ihrer Produkte in die EU erleichtern, ja bei Krustentieren überhaupt erst wieder ermöglichen werde.

Während Starmer viel bereits Erreichtes beschwor, betonte von der Leyen mehrfach das Wort „Aktionsplan“: Bei mehreren Themen müssen sich die Verhandlungsteams unter Leitung von EU-Kommissionsvize Maros Sefcovic und dem Europa-Staatssekretär Nicklaus Thomas-Symonds noch über die Details einig werden. Nach einem Zeitplan gefragt, sprach von der Leyen optimistisch von „einigen Wochen“; Starmer mochte nur „zügige“ Fortschritte versprechen.