EU-HaushaltEU-Parlamentarier diskutieren über neue Einnahmequellen

EU-Haushalt / EU-Parlamentarier diskutieren über neue Einnahmequellen
Es wird noch einige Wochen dauern, bevor über die neuen Steuervorschläge im Plenum abgestimmt wird Foto: Patrick Hertzog/AFP

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Im Europäischen Parlament (EP) wird derzeit über neue Geldressourcen für den EU-Haushalt diskutiert. Denn die EU braucht neue Einnahmequellen, wenn sie keine Schulden anhäufen will.

Die Rückzahlung des auch als „Next Generation EU“ bekannten und rund 800 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbau-Fonds ist noch nicht gesichert, da wird in der EU bereits über ein neues, schuldenbasiertes Subventionsprogramm geredet (siehe obigen Artikel). Immerhin gibt es aber eine Vorstellung darüber, wie der im Zuge der Corona-Pandemie aufgelegte Wiederaufbau-Fonds, der aus Geldern von den internationalen Kapitalmärkten gespeist wird, zurückgezahlt werden sollen. Die EU-Kommission hat dazu bereits im Dezember 2021 erste Vorschläge vorgelegt. So will die Behörde neue Einnahmen aus dem Handel mit CO₂-Emissionszertifikaten und einer CO₂-Steuer auf energieintensiv produzierten Waren, die in die EU importiert werden, generieren. Zudem sollen 2,5 bis vier Milliarden Euro aus der Besteuerung der weltweit größten multinationalen Unternehmen in die EU-Kasse fließen. Ende dieses Jahres will die EU-Kommission weitere neue Geldquellen für das EU-Budget vorschlagen.

Dazu haben die EU-Parlamentarier nun eigene Vorschläge ausgearbeitet, die gestern im Haushaltsausschuss des EP diskutiert wurden. Dabei wurde, wenn auch nur nebenbei, darauf verwiesen, dass die EP-Abgeordneten bereits seit Jahren neue Eigenmittel für den EU-Haushalt verlangen. Sie wollen weg von dem „Ein-Prozent-des-EU-BIP-Dogma“, wie es in einem Initiativbericht heißt, womit auf die Vorgabe der EU-Staaten angespielt wird, dass das EU-Budget nicht größer sein dürfe als ein Prozent der Wirtschaftsleistung aller EU-Staaten.

Den EU-Parlamentariern schwebt nun vor, eine sogenannte „faire Grenzsteuer“ einzuführen. Diese soll auf in die EU importierten Produkten erhoben werden, die von Menschen hergestellt wurden, die weniger als den von internationalen Organisationen empfohlenen Lohn erhalten. Multinationale Unternehmen, die in Billiglohnländern produzieren lassen, sollen entweder ihren Beschäftigten faire Gehälter zahlen oder an der EU-Grenze Steuern zahlen, sagte die französische EP-Abgeordnete Valérie Hayer, eine der Verfasserinnen des Initiativberichtes. Die Steuer sei somit auch ein Mittel, um gegen die Armut in der Welt anzugehen. Zudem, so der Mit-Verfasser und EVP-Abgeordnete José Manuel Fernandes, werde damit etwas für die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen getan, die mit den Billigstlöhnen, die in manchen Regionen der Welt gezahlt werden, nicht mithalten können. Allerdings müsse die EU-Kommission prüfen, ob es sich dabei nicht um eine protektionistische Maßnahme handelt und die Steuer mit den WTO-Regeln vereinbar ist. Der französische Grünen-Abgeordnete David Cormand warnt jedoch vor einer solchen Steuer, da sie implizit die Bedingungen tolerieren würde, unter denen die Beschäftigten in Ländern wie Bangladesch oder Pakistan arbeiten.

Abgaben auf Bio-Abfall und gender pay gap

Ganz vom Tisch ist auch noch nicht die Finanztransaktionssteuer (FTT), über die seit 2011 diskutiert wird und für die sich zuletzt nur noch zehn EU-Staaten im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit begeistern konnten. Zu denen Luxemburg nicht zählte. Die EP-Abgeordneten haben jedoch mit den Kryptowährungen eine andere Steuerquelle im Finanzbereich ausgemacht. Hier gebe es mehrere Ansatzpunkte für die Besteuerung. Neben Transaktionen könnten auch Kapitalgewinne mit Kryptowährungen besteuert werden, oder der Prozess ihrer Herstellung, etwa indem die dabei verbrauchte Energie oder der Umwelteinfluss ihrer Herstellung mit einer Abgabe belegt wird.

Andere vorgeschlagene Steuern wiederum hätten nur einen zeitlich begrenzten Nutzen, da sie die EU-Staaten zu einem bestimmten Handeln bewegen sollen. Wie eine Abgabe auf dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle, oder „gender pay gap“. Demnach sollten jene EU-Staaten, in denen dieses Lohngefälle groß ist, entsprechend mehr in die EU-Kasse einzahlen als andere. Nach dem gleichen Muster sollte eine Bio-Abfall-Steuer funktionieren. Wird in einem Mitgliedstaat möglichst viel Bio-Abfall recycelt, fällt die Abgabe an Brüssel geringer aus als für jene EU-Staaten, in denen dieser Abfall noch vorwiegend auf der Deponie landet.

Ein am Dienstag an der Diskussion teilnehmender Kommissionvertreter begrüßte die Vorschläge der EP-Abgeordneten und brachte zusätzlich eine Steuer auf Elektronik-Abfall, ähnlich jener auf Bio-Abfall, ins Spiel. Dies auch vor dem Hintergrund geringer werdender Rohstoffe. Er wies darauf hin, dass die Frage der neuen Eigenmittel für den EU-Haushalt vor der Festlegung des nächsten mehrjährigen EU-Haushaltsplans gelöst werden müsse. Denn die Rückzahlung des Kapitals und die Zinslast des Wiederaufbaufonds würden allein 15 Prozent des EU-Haushalts verschlingen. Weshalb José Manuel Fernandes in Sachen Einführung neuer Eigenmittel widerstrebende EU-Staaten warnte, dass vor allem die begehrten Kohäsionsmittel bei knapper werdender EU-Kasse auf dem Spiel stehen. Der Hinweis ist auch nötig, denn in Steuerfragen herrscht in der EU weiterhin Einstimmigkeit.