InterviewEU-Parlament: Marc Angel sieht sich im Amt des Vizepräsidenten als Teamplayer

Interview / EU-Parlament: Marc Angel sieht sich im Amt des Vizepräsidenten als Teamplayer
Der luxemburgische EU-Parlamentarier Marc Angel (M.) erhält nach seiner Wahl zum Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments Beifall von seinen Fraktionskolleginnen und -kollegen Foto: Frederick Florin/AFP

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Der LSAP-Politiker Marc Angel ist seit 1994 wieder der erste EU-Parlamentarier aus Luxemburg, der den Posten eines Vizepräsidenten in der europäischen Volksversammlung bekleidet. Wir sprachen mit ihm über seine Motivation und die Umstände der gestrigen Wahl.

Tageblatt: Was hat Sie dazu bewegt, Ihre Kandidatur für den Posten des Vizepräsidenten im Europäischen Parlament zu stellen?

Marc Angel: Ich war schockiert über diese Korruptionsaffäre und ich dachte mir: „Wir sind keine korrupte Bande.“ Nur weil zwei, drei unserer Leute in diese Affäre verwickelt sind? Mich motiviert es, das zu zeigen, zu zeigen, dass wir sauber sind. Transparenz war für mich noch immer wichtig. Ich will mit dafür sorgen, wieder Vertrauen bei den Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu gewinnen. Weil ich Europa schätze und befürchte, dass diese Affäre Europa schadet und die Populisten das ausnutzen. All die guten Dinge, die wir vollbringen, riskieren nun, ins Hintertreffen zu geraten. Deshalb will ich dabei helfen, zu zeigen, dass Europa viel mehr ist als diese schreckliche Affäre.

Welche Vorteile hatten Sie gegenüber Ihren sechs fraktionsinternen Mitbewerbern ins Feld geführt, die dazu führten, dass die Wahl auf Sie fiel?

Ich hatte mich gut vorbereitet und präsentierte mich als Teamplayer. Es ist eine Arbeit, die wir gemeinsam angehen müssten, habe ich gesagt, was, glaube ich, geholfen hat. Ich habe das Gefühl, die Kollegen wissen, dass ich zuverlässig bin und sie auf mich zählen können. Ich bin immer in den Sitzungen und versuche, meine Arbeit gut zu machen. Während der Konferenz über die Zukunft von Europa war ich gemeinsam mit zwei, drei anderen Leuten sehr aktiv. Zudem habe ich mich zu einem wichtigen Sozialpolitiker hier im Parlament entwickelt und bin erster Vizevorsitzender des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. Somit wissen die Kollegen, was sie von mir erwarten können.

Gab es Diskussionen in der Fraktion oder im Parlament darüber, dass auf eine Frau auf dem Vize-Posten keine Frau folgt?

Ich habe das Glück, dass von den fünf Vizepräsidenten aus der S&D-Fraktion vier Frauen sind und ein Mann. Das war also kein Problem. Zudem wissen alle hier, dass ich Ko-Präsident der Intergruppe LGBTI und Diversität im Europäischen Parlament bin. Die Karte habe ich auch ausgespielt, indem ich zeige, dass ich mich für Gleichberechtigung einsetze. Allerdings nicht nur Gender-Gleichberechtigung, sondern auch um gegen Armut zu kämpfen, um Minderheiten und vulnerable Gruppen zu verteidigen. Egal welches Portfolio ich als Vizepräsident zugeteilt bekomme, ich werde alles durch die Brille der Gleichberechtigung betrachten. Und unsere Frauen in der Fraktion wissen, dass ich Feminist bin. Das habe ich in meiner Arbeit, in meinen Stellungnahmen unter Beweis gestellt. Es ist daher bekannt, dass ich mich für Frauenrechte einsetze, weshalb diese Frage kein Problem war.

Unsere Frauen in der Fraktion wissen, dass ich Feminist bin

Steigt mit dem neuen Posten das Gewicht des Abgeordneten in der Fraktion?

Ja, natürlich. Ich bin ja schon Delegationschef (der luxemburgischen Vertreter in der Fraktion; Anm.), obwohl ich eine Ein-Mann-Delegation bin. Damit hatte ich auch schon Gewicht. Ich war auch nie ein Hinterbänkler. Doch zum Beispiel heute, da war ich erster Sprecher in der Reihe mit unserer Fraktionspräsidentin in der Hauptdebatte über die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Dezember.

Wie viel Einfluss bringt der neue Posten im EP mit sich?

Man hat eine enorme Visibilität. Es gibt mehr Sitzungen, man erhält ein Portfolio zugeteilt, man muss Arbeitsgruppen präsidieren, in anderen Arbeitsgruppen ist man Mitglied. Und selbstverständlich muss man Plenarsitzungen präsidieren und Abstimmungen. Man erhält auch mehr Informationen und man kann mitgestalten und Entscheidungen treffen.

Ich war auch nie ein Hinterbänkler

Was kann man als Vizepräsident bewirken, wie viel Spielraum haben Sie?

Das hängt komplett vom Portfolio ab. Doch ich bin ein Teamplayer, ich will in einem Team mitarbeiten. Ich will, dass das Parlament gut funktioniert. Wir haben Entscheidungen zu treffen, wie das Parlament organisiert wird, Personalfragen, all das gehört zur Arbeit. Die Parlamentspräsidentin kennt mich und wird mir wohl ein Portfolio zuteilen, das zu mir passt. Ich bin bereit, jede Herausforderung anzugehen, ich habe Erfahrung als Politiker.

Ist es eine Belastung, Nachfolger der abgesetzten Vizepräsidentin Eva Kaili zu sein?

Ja, das ist teilweise eine Belastung, denn es sind keine angenehmen Bedingungen, unter denen ich mein Amt angehen muss. Andererseits fühlen wir uns als Gruppe verraten, wir sind alle verärgert. Ich werde natürlich mithelfen, dass wir die Resolution, die wir im Dezember über Katargate gestimmt haben, Punkt für Punkt umzusetzen.

Ist in der Fraktion nie aufgefallen, dass sich zumindest eine Person nicht an die Spielregeln hält?

Nein, wir sind aus allen Wolken gefallen! Und wir haben sofort damit begonnen, unsere Hausaufgaben zu machen. Wir werden eine interne Untersuchung machen, ganz transparent und dazu eine Mitteilung herausgeben. Wir können nicht nur neue Regeln für das Parlament ausarbeiten, sondern müssen auch, um glaubwürdig zu sein, intern nachschauen. In dieser Hinsicht waren wir von Beginn an proaktiv. Wir müssen uns fragen: Wie war es möglich, dass das bei uns passieren konnte und warum haben wir nichts bemerkt? Hätten wir es merken können? Müssen wir neue Brandschutzwände aufstellen? Darum geht es.

Phil
20. Januar 2023 - 10.41

Marc Angel: "Wir sind keine korrupte Bande, nur weil zwei, drei unserer Leute in diese Affaire verwickelt sind." Bei 14 Vizepräsidenten entspricht das immerhin mehr als 21% die nicht ganz so "integer" sind. Zum Vergleich... der Korruptionsindex der Ukraine liegt bei 32%.

Grober J-P.
19. Januar 2023 - 13.13

"Unsere Frauen in der Fraktion wissen, dass ich Feminist bin." Der Jacques Offenbach der Fraktion, sehr gut!

Grober J-P.
19. Januar 2023 - 13.08

"Nein, wir sind aus allen Wolken gefallen!" Hi, hi, hi!

Jeremy
19. Januar 2023 - 11.48

Alles "Team-Player" und Lobbyisten, totale Steuergeldverschwendung diese EU-Anstalt, sollte dringend gekürzt und saniert werden, eine politische Stallmistung wäre notwendig.