KrediteEU entschärft Schuldenfallen – Vor allem junge Leute von Wucherzinsen und Tricksereien betroffen

Kredite / EU entschärft Schuldenfallen – Vor allem junge Leute von Wucherzinsen und Tricksereien betroffen
Der Kauf von Elektronikgeräten wie Smartphones, Laptops oder Fernsehgeräten erfolgt gerne auch über Ratenzahlungen, die in der Summe mit anderen Käufen gerne zu einer übergroßen finanziellen Belastung für die Verbraucher anwachsen können Foto: Marcus Brandt/dpa

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Ein Klick, und schon ist es passiert: Die Kauf-jetzt-zahl-später-Masche von Online-Portalen treibt vor allem junge Leute in die Finanzklemme. Um 40 Prozent hat ihre Zahl bei den Schuldnerberatern zugenommen. Nun geht die EU gegen Wucherzinsen und Tricksereien vor. Doch nicht alle sind zufrieden.

Um vier Uhr nachts machen Kaufwütige oft noch Transaktionen im Internet klar, die sie ein Stück weiter in die Schuldenfalle rutschen lassen. Um vier Uhr in der Nacht von Donnerstag auf Freitag gelang den drei EU-Institutionen, Rat, Parlament und Kommission, ein Kompromiss, um dem nun einige große Riegel vorzuschieben. Künftig werden Anbieter verpflichtet, mit Warnhinweisen „Achtung: Geld leihen kostet Geld“ und weiteren transparenten Erklärungen die Folgen aufzuzeigen. Sie dürfen auch keine Kredite mehr geben, ohne vorher geprüft zu haben, ob der Kunde sie auch zurückzahlen kann. Und Wucherzinsen sagt die EU nun auch den Kampf an. Das gilt, entgegen der alten, 14 Jahre alten Vorschrift, nicht mehr nur für Kredite ab 200 Euro, sondern für alle bis 100.000 Euro.

„Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass insbesondere sogenannte ,buy now, pay later’-Angebote immer populärer geworden sind und oft in einer rechtlichen Grauzone operiert haben“, lautet die Ausgangsüberlegung des EU-Finanzexperten Markus Ferber (EVP). Manche dieser Anbieter hätten bis zu 30 Prozent ihrer Einkünfte aus Strafzahlungen säumiger Kreditnehmer erzielt, berichtet Malte Gallée, Verbraucherschutz-Experte der Grünen, und findet es „unglaublich, dass das ein Geschäftsmodell sein kann“. Deshalb nennt es Ferber auch „überfällig, die Vorschriften über Verbraucherkredite an das digitale Zeitalter anzupassen“.

Mit dem am frühen Freitagmorgen erzielten EU-Kompromiss werden nun nicht nur klassische Banken, sondern alle Betriebe erfasst, die Kunden Kredite einräumen. Sie dürfen das künftig nur noch, wenn sie eine Kreditwürdigkeitsprüfung vorgenommen haben. Diese kann nicht mehr nur auf Behauptungen der Kunden beruhen und muss sich auf finanzrelevante Daten stützen – Beurteilung anhand von Wohnort, Herkunft oder Profil in sozialen Medien entfallen damit.

Keine Ausnahme für Kauf von Handys und Laptops

Hier setzte ein wichtiger Streit der Nacht an. Christdemokraten, Liberale und Rechte wollten „Endgeräte für die elektronische Kommunikation“ vom Geltungsbereich ausnehmen. Rat und Kommission konnten sich mit Hilfe der Grünen jedoch durchsetzen. Sie wollten den Einzelhandel bei Smartphones, Tablets und Laptops nicht bevorzugen, weil insbesondere deren Kauf „einen Grund zur Überschuldung darstellen“ könne, wie Grünen-Unterhändler Gallée unterstreicht.

Entsprechend groß ist das Bedauern bei der Europäischen Volkspartei. Deren Verbraucherschutz-Experte Andreas Schwab sieht als Konsequenz, dass „künftig nicht mal mehr Gerätehersteller zins- und gebührenfreie Ratenzahlungen mit mehr als 60 Tagen Laufzeit ohne Vorabprüfung anbieten dürfen, obwohl sie ja selbst das Ausfallrisiko tragen, wenn sie die Geräte liefern“. Die zusätzlichen Prüfungen würden dazu führen, dass es teurer für alle werde und der Handy-Kauf auf Raten weniger Verbrauchern offen stehe. „Das trifft vor allem weniger wohlhabende Verbraucher, die sich ein Gerät nicht ,auf einmal‘ leisten können“, sagt der EVP-Politiker voraus. Für ihn ist das „im Kern unsozial – statt zu schützen wird in solchen Fällen bevormundet“.

Erst im Frühjahr 2026 in Kraft

Die Mitgliedstaaten setzten gleichwohl eine Ausstiegsklausel für einzelne Passagen durch. So gibt es bei einigen von ihnen Geldautomaten ohne Online-Verbindung, sodass ein Konto auch überzogen werden kann, bevor die Kreditwürdigkeit geprüft ist. Auch ein europaweiter Deckel gegen Wucherzinsen, wie etwa von den Grünen verlangt, ist im Kompromiss nicht mehr enthalten. Stattdessen verpflichten sich die Mitgliedsländer zu Maßnahmen, die „effektiv“ das Entstehen von Wucherzinsen verhindern, „wie zum Beispiel durch Zinsobergrenzen“. Auch die Sanktionierung von Verstößen bleibt – entgegen der Vorstellungen im Europa-Parlament und in der Kommission – den einzelnen Staaten vorbehalten, statt EU-einheitliche Strafen vorzusehen.

Die Auswirkungen sind noch nicht konkret auszumachen. Denn am Freitag gab es lediglich eine „politische“ Grundsatzeinigung. Die Ständigen Vertreter der Mitgliedsländer müssen nun noch technische Details aushandeln. Ferber riet zu einer pragmatischen Umsetzung. Wenn die Regeln für Kleinstkredite mit zu viel Bürokratie einhergingen, könne es passieren, dass solche Produkte auch für die Anbieter unattraktiv würden. „Dann hätte man zwar auf dem Papier ein hohes Schutzniveau, aber keine Kreditangebote mehr“, warnte er.

Sowohl Rat als auch Parlament müssen den erst noch entstehenden Gesetzestext billigen. Dann haben die Mitglieder zwei Jahre Zeit, ihn in nationales Recht zu bringen. Danach haben die Anbieter derartiger Kredite noch einmal zwölf Monate lang Gelegenheit, sich darauf einzustellen. Vermutlich greift der neue Verbraucherschutz in der EU somit erst im Frühjahr 2026.