EditorialEsch: Mehr als CBD, aber nicht Berlin

Editorial / Esch: Mehr als CBD, aber nicht Berlin
Die Alzettestraße in Esch Foto: Editpress/Tania Feller

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Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Die sozialen Medien überschlugen sich einmal mehr im Esch-Bashing, nachdem das Tageblatt einen Artikel der britischen Zeitung Telegraph thematisiert hatte. Dort wurde Esch als die langweiligste Kulturhauptstadt Europas betitelt, als ödes Provinznest. In die gleiche Kerbe hatte bereits vor rund einem Jahr der Marco-Polo-Reiseführer mit seinen „Proletennest“- und „RuppEsch“-Umschreibungen gehauen. 

Wenn man aus London stammt, dann kommt wahrscheinlich so ziemlich jede kleinere Stadt provinziell daher. Die Definition einer Provinzstadt ist eine kleine oder mittelgroße Stadt außerhalb der kulturellen, politischen oder wirtschaftlichen Zentren eines Landes. Metz gehört demnach dazu, Trier sowieso und Namur auch. Allesamt haben sie rund 100.000 Einwohner und sind somit dreimal so groß wie Esch. So gesehen stimmt es durchaus: Esch ist Provinz, genau wie der Rest des Landes. Und hinterwäldlerisch sind wir zudem auch. Nicht umsonst wurde das heutige Luxemburg nach der Eroberung durch die Truppen der Französischen Revolution unter der Bezeichnung „Département des Forêts“ Teil der Republik.

Man sollte sich aber auch nicht kleiner machen lassen, als man tatsächlich ist. Esch und die Südregion haben durch den Titel Europäische Kulturhauptstadt 2022 die einmalige Chance, auf die Landkarte des Tourismus zu kommen. Das ist neben der nachhaltigen Förderung von Kultur und Kulturschaffenden die große Herausforderung von Esch2022. Das Kulturjahr ist etwas mehr als einen Monat alt. Ja, es begann mit einer enttäuschenden Eröffnungsfeier, doch das meiste kommt erst noch. 160 Projekte und 2.000 Events sind insgesamt programmiert. 310 Performances, 141 Konzerte, 137 Ausstellungen, 32 Festivals und 360 partizipative Workshops soll es geben.    

Der englische Journalist besuchte Esch noch vor der Eröffnung. Kaum drei Tage verbrachte er im Land, 24 Stunden davon in Esch. Er erzählt im Artikel eine Geschichte. Als roter Faden dient die Cannabis-Legalisierung nach dem Motto: Esch ist genauso öde wie CBD, also Cannabis mit niedrigem THC-Gehalt und ohne berauschende Wirkung. Eine schöne Idee, die den Lesern in Großbritannien gefallen haben dürfte. Sie entspricht aber nicht der Wahrheit, genau wie das meiste, was im Bericht über Esch geschrieben wird. Immerhin hat dem Autor aber Belval (mehr oder weniger) gefallen, auch wenn er bemerkt: „Berlin ist es aber nicht!“

Nein, ist es nicht. Kann es auch nicht sein. Eine Journalistin des TV-Senders Arte drückte ihren Eindruck vor einigen Wochen wie folgt aus: „Mich hat der Luxemburger Süden total überrascht. Gute Mischung zwischen idyllischer Provinz, futuristischen Visionen und kosmopolitischem, weltoffenem Denken.“ Klingt jedenfalls nach mehr als CBD. In Großbritannien ist CBD übrigens nur in Öl-Form legal erhältlich. Und eine britische Kulturhauptstadt wird es auch so bald nicht mehr geben. Das hatte die EU-Kommission im Fall eines Brexits angekündigt und dabei für Erstaunen und Empörung in Großbritannien gesorgt.   

marci
13. April 2022 - 19.17

Wenn Clowns und Stelzengänger durch die Sraßen ziehen, das ist doch echte Kultur!

Filet de Boeuf
13. April 2022 - 15.27

Macht mal 'ne Umfrage ob es irgendeinen Luxemburger interessiert, dass Esch Kulturhauptstadt ist. Ich rechne mit 75 % denen es egal ist und die meisten fragen sich, ob Luxemburg nicht andere Probleme hat. Je mehr Menschen hier leben, desto mehr sehnt man sich nach Ruhe und Freiheit.

J.C. Kemp
13. April 2022 - 11.00

Der Telegraph ist nun auch nicht das edelste, das Britannien an Zeitungen zu bieten hat. Auf der gleichen Linie mit Schmuddelpresse wie Daily Mail, Mirror, Sun: konservativ, eher noch reaktionär, anti-europäisch, war das Blatt das Sprachrohr der vehementesten Brexiter und findet sowieso kaum eine positive Seite an Europa. Luxemburg gehört zu den größten Feindbildern.

Danielle Tara
13. April 2022 - 10.10

Merci vir den Artikel. Esch hued schein Platzen, dass net nemmen Uelzechtstroos….an kloer sin Problemer do wei an all Staat en plus sin mir keng Milliounenstaat. An London huet genuch Problemer den Jounalist soll emol virun senger Dier kieren. An wei dir am Artikel schreiwt London gett net mei britesch Kulturhaaptstaat.

Tim
13. April 2022 - 10.08

Kléngt wéi wann den Auteur dem Telegraph am Fong Recht gëtt mee beleidegt ass. Haaptsaach UK huet keng Kulturhaaptstad méi, dat ass jo en Trouscht.

Grober J-P.
13. April 2022 - 9.37

"160 Projekte und 2.000 Events sind insgesamt programmiert. 310 Performances, 141 Konzerte, 137 Ausstellungen, 32 Festivals und 360 partizipative Workshops soll es geben." Soll es geben! Philip, dann heraus mit der Sprache. Wie, wo, wann. Spätestens jetzt müsste die gesamte Region Bescheid wissen. K U L T U R haupsstadt. Bisher habe ich was von einer Kavalkade mitbekommen. Das E S C H E R Tageblatt ist dort an der Front, müsste doch jeden Tag.... ach warum nur.

HTK
13. April 2022 - 9.11

Wer Esch mit Trier vergleicht hat aber etwas nicht verstanden.In Sachen Kultur jedenfalls.Esch,Differdingen,Longwy usw. sind um eine Schwerindustrie herum entstanden.Mit allen negativen Konsequenzen.Da ging es um Wohnen und Arbeit und...leben natürlich. Aber Geschäfte,ein Park,eine Schule sind noch keine Kultur im Sinne von Arena,Amphitheater,usw. Futuristische Ideen und Events bringen vielleicht Schwung in die Sache.Aber ein Big Ben,eine Towerbridge oder das Parlamentsgebäude sind doch eine andere Klasse als ein lackierter Hochofen. Da ist die Hauptstadt oder Echternach oder Vianden doch eher Kulturverdächtig,sorry.