Welttag gegen den HirnschlagEs kann jeden treffen: Claudine Muno spricht über den Schlaganfall ihrer Mutter

Welttag gegen den Hirnschlag / Es kann jeden treffen: Claudine Muno spricht über den Schlaganfall ihrer Mutter
„Auftritte und Geselligkeit sind toll, aber sie sind es nicht wert, einen nahen Menschen in Lebensgefahr zu bringen“, sagt Claudine Muno. 2017 hatte ihre Mutter einen Schlaganfall. Über die Schwierigkeiten danach hat die Künstlerin im Rahmen des Welttages gegen den Hirnschlag ein Lied geschrieben.

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Einen Schlaganfall kann jeder erleiden – ob jünger oder älter. Darauf soll am heutigen 29. Oktober weltweit aufmerksam gemacht werden. Seit ihre Mutter 2017 einen Hirnschlag erlitten hat, weiß Claudine Muno (41), was das für die Betroffenen und ihre Angehörigen bedeuten kann. Gemeinsam mit ihrem Vater betreut sie ihre Mutter zu Hause. Wertvolle Hilfe habe es besonders von der „Blëtz asbl“ gegeben, so die Künstlerin im Tageblatt-Gespräch. Für diese Vereinigung hat sie ein Lied über ihre Erfahrungen geschrieben: „Verstees de mech?“.

Tageblatt: Claudine Muno, wie geht es Ihnen?

Claudine Muno: Covid-19 macht natürlich alles ziemlich kompliziert, aber ich freue mich über jeden Tag, der einigermaßen normal verläuft.

2017 hatte Ihre Mutter einen Schlaganfall. 

Ja, ich war damals im Haus und hörte, dass meine Mutter gestürzt war. Da meine Großmutter Jahre zuvor ebenfalls einen Schlaganfall erlitten hatte, erkannte ich die Symptome und rief den Krankenwagen.

Wie ging es Ihrer Mutter damals?

Sie hatte einen recht schweren Schlaganfall – einen hämorrhagischen, wie man uns später sagte, bei dem es zu einer Hirnblutung kommt. Meistens sind die Folgen eines solchen Schlaganfalls schlimmer als beim ischämischen Schlaganfall.

Wie haben Sie als Angehörige diese Situation erlebt?

Es war nicht ganz einfach, einen Ansprechpartner zu finden. Während der drei Monate, die meine Mutter im Krankenhaus verbrachte, hatten wir nur wenig Gelegenheit, uns mit einem Arzt über ihre Situation oder ihre Genesungsperspektiven zu unterhalten. Ich verstehe natürlich, dass das Gesundheitssystem sehr überlastet ist, aber für Angehörige ohne medizinische Vorkenntnisse ist es doch wichtig, dass es eine Gelegenheit gibt, sich darüber zu informieren, was dem liebsten Menschen zugestoßen ist und wie die weitere Entwicklung aussehen könnte.

Was haben Sie dann gemacht?

Ich habe mich an „Blëtz“ gewendet und erhielt dort viele Informationen über den Schlaganfall und über die Nachsorge zum Beispiel. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.

Was schätzen Sie bei der Hilfeleistung als besonders wichtig ein?

Meistens findet man sich vollkommen unvorbereitet mit der Krankheit und den vielen Fragen und Problemen konfrontiert, die diese mit sich bringt. Welche Fortschritte kann man erwarten? Wie lange hat eine Patientin Anrecht auf eine Betreuung durch einen Physiotherapeuten oder durch einen Sprachtherapeuten? Diese Fragen wurden bei „Blëtz“ mit viel Geduld beantwortet. Es war auch sehr hilfreich, sich mit Betroffenen auszutauschen.

Wie geht es Ihrer Mutter heute?

Meine Mutter ist noch immer rechtsseitig gelähmt und hat Schwierigkeiten beim Sprechen, sie leidet unter der sogenannten Aphasie, von der auch mein Lied handelt. Sie kann ihren Alltag leider nicht mehr ganz alleine meistern und braucht Pflege, aber sie ist sehr kämpferisch und hat sich in all der Zeit nie aufgegeben. Ihr größter Wunsch ist es, wieder gehen zu können, und sie hat durch die Hilfe des Physiotherapeuten bereits einige Fortschritte gemacht. Sie ist willensstark, übt jeden Tag, widmet sich mehrere Stunden der Tageszeitung, um ihre Lesefähigkeit zu verbessern, sie hat sich auch das Schreiben mit der linken Hand beigebracht. Man hat uns eigentlich nie besonders viel Hoffnung auf Besserung gemacht, aber sie hat sich vieles wieder angeeignet.

Sie haben sich im September dieses Jahres beurlauben lassen. Warum?

Ich bin Lehrbeauftragte und am Anfang der Pandemie bot das Bildungsministerium die Möglichkeit, dass auch Angehörige von „personnes vulnérables“, bei denen sich ein enger Kontakt im Alltag nicht vermeiden lässt, ein Anrecht auf „Télétravail“ haben. Diese Maßnahme gilt aber seit Schulbeginn im September 2020 nicht mehr. Es war eine sehr schwere Entscheidung, da es mir sehr leidtat, meine Kollegen und auch die Schüler nicht unterstützen zu können. Aber das Risiko, meine Mutter anzustecken, war einfach zu groß.

Aber warum keine Hilfe eines Pflegedienstes?

Wir wurden vor März 2020 von einem mobilen Pflegedienst unterstützt. Um die Ansteckungsgefahr zu minimieren, haben wir die Pflege seither selbst übernommen. Natürlich wissen wir, dass die Pflegedienste ihre Arbeit sehr gewissenhaft machen und alles tun, um die Patienten nicht anzustecken, aber allein mithilfe des Pflegedienstes kann die Betreuung nicht gestemmt werden. Meine Mutter und meine Eltern im Allgemeinen sind trotzdem auf meine Hilfe angewiesen – die einzige andere Möglichkeit wäre gewesen, dass ich vor der „Rentrée“ 2020/2021 ausziehe und meine Eltern mitten in der Corona-Krise in ein Altersheim ziehen oder sich von einer Vollzeitpflegekraft betreuen lassen, aber das wäre angesichts der Umstände noch sehr viel komplizierter geworden.

Vermissen Sie Ihren Beruf nicht? Auftritte, Geselligkeit?

Natürlich vermisse ich meinen Beruf, den alltäglichen Kontakt mit Kollegen, Schülern, Freunden. Aber ich weiß auch, dass diese Situation nicht von Dauer ist und dass im Moment eben andere Prioritäten gelten. Auftritte und Geselligkeit sind toll, aber sie sind es nicht wert, einen nahestehenden Menschen in Lebensgefahr zu bringen.

„Verstees de mech?“ heißt das Lied, das Sie über Ihre Erfahrung(en) geschrieben haben. Wie kam es dazu?

Chantal Keller von „Blëtz“ hat mich bereits vergangenes Jahr darum gebeten, ein Lied über die Aphasie zu schreiben, also die Schwierigkeit, nach einem Schlaganfall das Sprechen wieder zu erlernen. Ich wäre froh, wenn das Lied mir die Möglichkeit gäbe, mich so ein wenig für die Hilfe von „Blëtz“ bedanken zu können.

Was beschreiben Sie in diesem Lied?

Ich habe versucht, mich in die Situation hereinzuversetzen, wenn man seine Sprache verliert, respektive die richtigen Worte zwar im Kopf sind, aber es einfach nicht möglich ist, diese so mühelos auszudrücken, wie man es vor dem Schlaganfall konnte.

Ist es bereits vertont?

Ja, es wurde 2019 vertont und auch bereits im vergangenen Jahr beim Welttag des Schlaganfalls in Bettemburg aufgeführt, in Begleitung des Luxemburger Gitarristen Remo Cavallini.

Weiß Ihre Mutter von dem Lied?

Bereits bevor ich mit dem Schreiben des Liedes begann, hatte ich mit meiner Mutter abgesprochen, ob es für sie in Ordnung wäre, wenn ich mich in einem Text wenigstens zum Teil auf ihre Situation beziehe. Sie fand die Idee gut und gab mir grünes Licht – sonst hätte ich das Lied nicht geschrieben, wenn es ihr unangenehm gewesen wäre.

„Blëtz asbl“

Die 2013 gegründete Vereinigung hat sich zum Ziel gesetzt, von einem Hirnschlag betroffenen Menschen sowie ihren Angehörigen und Freunden zu helfen. Zudem fördert „Blëtz“ die Prävention sowie die medizinische und wissenschaftliche Forschung, die sich dem Thema widmet. Die Vereinigung bietet ihren Mitgliedern auch zehn gratis neuropsychologische Behandelungen an, die bis heute noch nicht von der Gesundheitskasse zurückerstattet werden.

Verstees de mech?

Verstees de mech schonn oder réits de nach/Schwätzen ech schonn oder léist du nach/Kräizwuerträtsel a mengem Kapp/Et fillt sech un, als hätt ech mer de Kapp zerbrach/Wéi e réit Ee oder eng Parzeläinsjatt/Dausend mol héieren, mee lo verstinn ech de Sprach/Meng Schierbel ass an dausend Schierbelen/Ech fëschen no Wierder wéi d’Kanner no/Inten op der Kiermes/Hei ass d’Plott Woll mat all menge roude Fiedem (Den ganzen Text des Liedes von Claudine Muno finden Sie auf bletz.lu unter dem Suchbegriff ‚Claudine’)