Luxemburg-Stadt„Erwägen Antrag auf Baustopp“: Wie die geplante Brücke über das Neudorf spaltet, statt zu verbinden

Luxemburg-Stadt / „Erwägen Antrag auf Baustopp“: Wie die geplante Brücke über das Neudorf spaltet, statt zu verbinden
Seit rund 17 Jahren setzen Roger Braun und Danielle Castellaneta-Metzeler sich beim Neudorfer Interessenverein gegen das Projekt einer Überführung ein, die von Cents nach Weimershof (im Hintergrund) führen soll Foto: Editpress/Julien Garroy

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Eine Brücke für Menschen, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind, soll in Luxemburg-Stadt zwischen Cents und Weimershof gebaut werden. Gegen das Projekt wehren sich Menschen aus den betroffenen Vierteln und haben Anfang Mai vor Gericht ihr Veto eingelegt. Drastischere Schritte könnten folgen, wie das Gespräch mit den Verantwortlichen des „Syndicat d’intérêts locaux“ (SIL) Neudorf zeigt.

„Das hier ist zum Heulen und – entschuldigen Sie die Wortwahl – keine Sau kümmert es. Es ist grausam. Und das alles für ein Prestigeobjekt“, stellt Danielle Castellaneta-Metzeler entsetzt fest. Sie steht auf einer Erhebung in Weimershof in Luxemburg-Stadt und blickt hinunter ins Tal. Ihr Haus unten in Neudorf ist von oben zu erkennen, die neue Schneise im Wald lässt den Blick darauf frei. Zum Bedauern der Städterin wurden in letzter Zeit Bäume gefällt, um Platz für den Bau einer Brücke zu schaffen. Das angesprochene „Prestigeobjekt“ der Gemeinde Luxemburg, wie Danielle Castellaneta-Metzeler es nennt. 

Sie ist Vizepräsidentin des „Syndicat d’intérêts locaux“ (SIL) von Neudorf, das sich seit der Gründung 2007 gegen die Verbindung zwischen Cents und Weimershof einsetzt. Dank dieser sollen Menschen künftig über den Weg der sanften Mobilität von Cents über Weimershof zum Kirchberg zu ihren Arbeitsplätzen und wieder zurück gelangen. Seit 2006 ist das Projekt im städtischen Gemeinderat Thema – mal mehr, mal weniger. Nachdem dieser es im Dezember 2021 angenommen hatte und im Februar 2024 nun die entsprechende Genehmigung unterzeichnet wurde, ist man dem Baubeginn einen Schritt nähergekommen.

Kritik der Gegenseite

Ein Baustopp wird laut dem Präsidenten des „Syndicat d’intérêts locaux“ (SIL) Neudorf, Roger Braun, in Erwägung gezogen
Ein Baustopp wird laut dem Präsidenten des „Syndicat d’intérêts locaux“ (SIL) Neudorf, Roger Braun, in Erwägung gezogen Foto: Editpress/Julien Garroy

Denn, so Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) bei einem Telefonat: „Das Projekt ist ausgeschrieben und bis Anfang Juni können Baufirmen ihre Angebote einreichen.“ Sobald der Auftrag dann vergeben ist, können die Arbeiten beginnen. Dies trotz eines sogenannten „Recours en annulation“, den 48 Menschen vom Cents und aus Neudorf-Weimershof gemeinsam mit dem SIL Neudorf Anfang Mai beim Verwaltungsgericht eingereicht haben. Dieser betrifft die formelle Zustimmung der Bürgermeisterin, die Brücke zu bauen. Auch gegen eine Genehmigung vom Umweltministerium wurde bereits ein Veto eingelegt.

Dennoch können die Arbeiten der Verbindung, die auch Teil des im März vorgestellten Mobilitätsplans der Gemeinde ist, laut Lydie Polfer beginnen: „Die Genehmigungen sind gültig, bis das Gericht etwas anderes entscheidet.“ Wenn dann aber schon bald die Bagger anrollen, könnten diese gleich wieder aufgehalten werden – durch einen Baustopp. „Wenn ein solcher beantragt wird, hätte das einen Einfluss auf die Umsetzung“, erklärt die Bürgermeisterin. Sie hält an dem Vorhaben fest, für das auf Cents bereits ein Chalet von „Gaart an Heem“ und in Neudorf ein Kindergarten weichen mussten. Denn die Politikerin ist überzeugt, dass die Brücke den Menschen in den Vierteln zugutekommen wird. Diese sehen das zum Teil aber anders.

„Wir ziehen einen Antrag auf einen Baustopp in Erwägung“, kündigt der Präsident vom SIL Neudorf, Roger Braun, bei der Besichtigung der Orte an, an denen das Projekt umgesetzt werden soll. Auch er setzt sich seit 2007 im Namen der Gegenseite aus Cents und Neudorf-Weimershof gegen dieses ein. Gründe gibt es dafür viele, sie sprudeln aus ihm nur so heraus: die Zerstörung der Natur und des Lebensraums von Tieren oder die fehlende Einbindung der Bevölkerung bei der Ausarbeitung der Idee. Die „Passerelle“ ist dem SIL zufolge eine Sehenswürdigkeit für Touristinnen und Touristen, die Menschen aus der Umgebung nicht wollen. Und: Am Kosten-Nutzen-Faktor stört man sich. Denn mehr als 24 Millionen Euro sollen dafür fließen.

Rückendeckung für Bau von „ProVelo“

Im Namen der Mitglieder plädiert die Vizepräsidentin des Interessenverbandes für eine Realisierung des Projekts an anderer Stelle
Im Namen der Mitglieder plädiert die Vizepräsidentin des Interessenverbandes für eine Realisierung des Projekts an anderer Stelle Foto: Editpress/Julien Garroy

Unterstützung gibt es hingegen von der Vereinigung „ProVelo“. „Wir sehen die Brücke als wichtige Verbindung, um Cents an den Kirchberg anzubinden. So gibt es einen direkten Zugang zum Kirchberg, wo viele Menschen arbeiten“, erklärt Jo Klein, der im Büro von „ProVelo“ arbeitet. Auch Menschen aus unter anderem Contern, Sandweiler oder Schüttringen werden ihm zufolge so einfacher und schneller zur Arbeit kommen. Vorteile sind ein Ausweichen vom motorisierten Verkehrs, kürzere Distanzen und das Vermeiden von Steigungen. 

Auch der geplante Lift mit Glaswand, der die Anbindung an Neudorf, aber auch an Clausen und den Grund garantieren wird, sieht „ProVelo“ als deutlichen Vorteil. Jo Klein erklärt: „Wir sehen, wie viel der ‚Funiculaire’, der Aufzug in Pfaffenthal und der beim ‚Plateau du Saint-Esprit’ genutzt werden. Ähnliches Potenzial sehen wir beim Lift ins Neudorf. Wir sind pro Fahrradbrücke.“ Er sagt aber auch: „In dem Viertel gab es lange Zeit Baustellen und wir können nachvollziehen, dass eine weitere Auswirkungen auf die Lebensqualität der Menschen hat.“ 

Diese sind nicht prinzipiell gegen den Bau, wünschen sich dafür aber einen anderen Ort. „Wir sind einverstanden, dass etwas gemacht wird, aber bitte dort, wo Leute es auch nutzen“, meint Danielle Castellaneta-Metzeler über die Überführung, deren Anfang und Ende aus Sicht des Interessenverbandes im Nirgendwo liegen: in der Nähe einer Schrebergartensiedlung bei der Centser rue Tawioun bzw. in einem Wohnviertel bei der rue des Bleuets in Weimershof. Von letztgenannter sind es bis zur nächsten Tramhaltestelle auf Kirchberg rund 500 Meter und zu einem großen Shoppingcenter rund 2,2 Kilometer.

Beharren auf Projekt

Als Alternative nennen die Verantwortlichen vom SIL Neudorf einen Weg, der auf teilweise bereits existierenden Pfaden entlang des Autobahntunnels auf der A1 in Höhe von Cents in Richtung Parc-Klose-Groendchen verlaufen könnte, um dann zum sogenannten „Pôle d’échange“ oben auf Kirchberg zu führen. „Diese Variante würde weniger kosten. Sie ist zwar unauffälliger, aber es geht ja darum, von A nach B zu kommen“, findet Danielle Castellaneta-Metzeler. Mehreren politischen Verantwortlichen habe man diesen Vorschlag in den vergangenen Jahren präsentiert, bei allen sei dieser gut angekommen.

Dennoch soll ein anderer umgesetzt werden. „Wir haben die in unseren Augen beste Lösung gefunden. Es wurden eine Reihe Studien gemacht und letztlich dieses Projekt ausgewählt“, sagt Lydie Polfer. Trotz drohender Forderung nach einem Baustopp ist die Bürgermeisterin davon überzeugt, dass die viel diskutierte Brücke gebaut wird. Voraussichtlicher Abschluss der Arbeiten soll laut aktuellem Stand im Frühling 2028 sein. So wird es auf der Webseite der Gemeinde angekündigt. Die Zeit wird zeigen müssen, ob dieses Stichdatum eingehalten wird. Mehr Informationen und eine Präsentation des Projekts gibt es auf der städtischen Webseite vdl.lu.


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