Uni.luErinnerungen an die Corona-Zeit: Projekt sammelt schon jetzt digitale Beiträge

Uni.lu / Erinnerungen an die Corona-Zeit: Projekt sammelt schon jetzt digitale Beiträge
Berichte über die Erfahrungen bei der Heimarbeit sind für die Forscher ebenso von Bedeutung wie Einkaufszettel, Fotos, Videos oder sonstige Dokumentationen der Corona-Pandemie Foto: Sebastian Gollnow/dpa

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Heute dokumentieren, was die Historiker später erforschen und analysieren werden? Das bezwecken die Fachleute des Luxemburgischen Zentrums für Zeit- und Digitalgeschichte (C2DH) mit ihrer Plattform „Covidmemory“, die seit Ostern online ist. Sie wollen das in einer partizipativen Form gestalten, bei der alle Betroffenen mitmachen können.

Dass wir in diesen Zeiten der Isolierung relativ viel Zeit am Computer verbringen und neben Home-Office im Netz auch nach Informationen oder Unterhaltung suchen, ist kein Geheimnis. Dass wir dabei die Erinnerung an die Pandemie mitgestalten können, ist hingegen eher überraschend. Die Erfahrung kommt aus den USA. Dort wurden nach dem 11. September 2001 und dem Einsturz der Manhattan-Türme in New York erste digitale Dokumente gesammelt. Mehr als 150.000 wurden zusammengetragen, sie werden heute analysiert, interpretiert, verglichen, ausgewertet, um daraus Geschichte zu schreiben.

Ähnlich dokumentiert wurde auch der Hurrikan Katrina, der am 23. August 2005 über New Orleans hinwegfegte. An diesen Arbeiten war Prof. Dr. Sean Takats beteiligt, ein Spezialist der historischen Forschung mit digitalen Mitteln, der seit Oktober 2019 die Forschungseinheit des Centre for Contemporary and Digital History (C2DH) verstärkt.

Historische Dimension

Bedingt durch die aktuellen Ausgangsbeschränkungen hat er sich digital mit den anderen Forschern der Uni zusammengesetzt, um „in Rekordzeit”, so Projektleiter Stefan Krebs, die Plattform Covidmemory.lu zu gestalten, auf der alle gegenwärtig gesellschaftlich und beruflich isolierten Menschen in Luxemburg ihre Erfahrungen und Eindrücke festhalten können. Die Beiträge werden in einer ersten Linie von einem Begleitkomitee geprüft – sie dürfen nicht gegen das Gesetz verstoßen, zum Beispiel mit menschenverachtenden Bemerkungen, es soll auch keine Werbung gemacht werden – und gehen dann online, wo sie im Lauf der Zeit ein vielfaches und vielfältiges Puzzle des Lebens in der Krisenzeit ergeben werden. Tatsächlich ist Covid-19 ein Ereignis von historischer Dimension, verglichen wird es häufig mit der Spanischen Grippe am Ende des Ersten Weltkriegs.

Ihre Beiträge können die Beteiligten in allen hierzulande geläufigen Sprachen liefern. Zurzeit funktioniert die Plattform in französischer, deutscher und englischer Sprache, hinzukommen sollen zumindest noch Luxemburgisch, Italienisch und Portugiesisch.

Keine Grenzen

„Die Sprache darf keine Bremse sein”, betonte Stefan Krebs bei der Vorstellung dieses „digitalen Erinnerungsspeichers”, auf dem sich die Menschen austauschen können, der aber auch den Grundstein eines historischen Archivs und eine Ressource für Forscher und Entscheidungstäger werden soll. Es geht darum, sich mit den Erinnerungen und Erfahrungen auseinanderzusetzen und sie historisch auszuwerten, um zu sehen, wie diese Krise unser Leben beeinflusst. Dabei können Aspekte auftreten, die wir heute noch nicht realisiert haben.

Der Form der Beiträge sind keine Grenzen gesetzt. Fotos und Videos sind willkommen, genauso wie Berichte über die Erfahrungen beim Fernunterricht oder in der Heimarbeit. Es können einfache Eindrücke über die Art und Weise sein, wie man die Krise erlebt und meistert, es können Aushänge, Warnhinweise und Verordnungen sein, E-Mails und Artikel in Zeitungen und Zeitschriften, Einkaufszettel und Einsatzberichte, zudem Zeichnungen, Bilder, Sprachnachrichten, Lieder, Chats und Social Media Posts.

Diese Beiträge will die Uni strukturieren und daraus eine digitale Ausstellung gestalten, wie sie das auch schon zum 100. Jahrestag des Ersten Weltkrieges oder zum 100. Geburtstag der BGL gemacht hat. „Mit der Besonderheit, dass wir diesmal nicht zurückblicken, sondern im Gang der Geschichte sind”, so Christoph Brüll, einer der 12 am Projekt beteiligten Historiker, mit dem Verweis auf #covidmemory.

Die Pandemie dokumentieren

Mit #covidmemory führt Luxemburg keinen einsamen Kampf. Ähnliche Projekte gibt es bereits in den USA, in Deutschland hat das „coronarchiv” hohen Zuspruch, in Italien und Frankreich wird sich ebenfalls dafür eingesetzt, dass die heutigen Erfahrungen nicht vergessen werden. 

In Luxemburg laufen derweil noch zwei weitere Projekte: So hat Benoît Majerus eine Dokumentation gestartet, in der er die Zeugenberichte direkt implizierter Personen wie Forscher, Ärzte, Krankenpfleger, Laboranten oder Psychologen festhält und dokumentiert. Frédéric Clavert, ebenfalls ein Spezialist der digitalen Auswertung der Geschichte, hat seinerseits ein Projekt gestartet, in dem er die Twitter-Beiträge über Covid-19 analysiert.