ParlamentEinstimmig beschlossen: Luxemburg kann weiter die Massen testen

Parlament / Einstimmig beschlossen: Luxemburg kann weiter die Massen testen
Die erste Phase des „Large Scale Testing“ sei nur ein „Forschungsprojekt“ gewesen, sagte Gesundheitsministerin Paulette Lenert. Am Dienstag gab das Parlament ihr einstimmig seine Zustimmung für die Weiterführung der flächendeckenden Teststrategie. Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Einstimmig hat das Parlament am Dienstag die Weiterführung der flächendeckenden Teststrategie der Regierung bewilligt. Ab Ende August sollen 1,6 Millionen Covid-19-Tests in 30 Wochen durchgeführt werden. 60 Millionen Euro lässt die Regierung sich ihre Strategie kosten. Sogar CSV und ADR haben trotz Polemik ihre Zustimmung gegeben. Um während der Ferien reaktiv bleiben zu können, wurde den Abgeordneten der Urlaub in diesem Jahr gestrichen. 

Wegen der Corona-Krise wird den Parlamentariern der Urlaub, der ihnen rechtmäßig eigentlich nicht zusteht, in diesem Jahr gestrichen. Kammerpräsident Fernand Etgen (DP) unterstrich, dass die laufende Session noch bis zum 13. Oktober dauere und die neue Session bereits am 14. Oktober beginne. „Die Abgeordneten können während der Sommerferien zu jedem Augenblick zusammengerufen werden, um zu reagieren, zu kontrollieren und Gesetze zu erlassen“, verkündete Etgen.

Den Gesetzentwurf 7628 zur staatlichen Finanzierung der zweiten Phase des sogenannten „Large Scale Testing“ nahm das Parlament am Dienstag einstimmig an. 60,7 Millionen Euro stellt die Regierung für die Weiterführung der flächendeckenden Teststrategie zur Verfügung. Die erste Phase hatte am 25. Mai in Zusammenarbeit mit dem „Luxembourg Institute of Health“ begonnen, das den Militärdienstleister Ecolog mit der Ausführung beauftragt hatte. Weil diese erste Phase weniger als 40 Millionen Euro gekostet hatte, wurde dafür kein Gesetz benötigt.

Die zweite Phase beginnt Ende August und soll 30 Wochen andauern. Der Anbieter wird diesmal gemäß der EU-Vorgaben über den Weg einer öffentlichen Ausschreibung gesucht, die am Montag veröffentlicht wurde und über die auch luxemburgische Laboratorien sich bewerben können. Bis Ende März sollen insgesamt 1,6 Millionen Tests durchgeführt werden, 40.000 bis 53.000 Tests pro Woche strebt die Regierung an. In der ersten Phase, die am 27. Juli ausläuft, lag die Messlatte bei 100.000 Tests pro Woche. Allerdings waren in den vergangenen Wochen lediglich rund 20 bis 25 Prozent der eingeladenen Bürger dem Aufruf, sich testen zu lassen, gefolgt.

Vier Achsen

Ab Ende August soll vor allem gezielter getestet werden. Zu diesem Zweck hat die Regierung im Gesetz vier „Achsen“ oder Zielgruppen definiert, wie der Berichterstatter Mars di Bartolomeo (LSAP) am Dienstag erläuterte. Dazu gehören dem Virus stark ausgesetzte Personengruppen wie Medizin- und Pflegepersonal, Armee, Feuerwehr- und Rettungskräfte, Polizei, Kinder- und Altenbetreuer, Apotheker, Laboranten oder Gaststättenpersonal. Zweitens wird verstärkt an Einreisepunkten wie am Flughafen oder am Hauptbahnhof getestet. Drittens sollen die allgemeinen Tests in der Bevölkerung weitergeführt werden und nicht zuletzt soll künftig verstärkt bei der Feststellung von Infektionsherden getestet werden. Ziel bleibt es weiterhin, ein möglichst umfassendes Bild über die Verbreitung und Entwicklung der Corona-Pandemie in Luxemburg zu erstellen und auch asymptomatische sowie frühsymptomatische Fälle zu erfassen.

Weil die erste Phase am kommenden Montag ausläuft und die zweite Phase erst Ende August beginnt, stellten am Dienstag mehrere Abgeordnete die Frage, wie die Regierung die Übergangszeit zwischen den beiden Phasen gestalten wolle. Laut Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) werde es im August nicht zu einem „Loch“ oder Stillstand kommen. Neben dem „Forschungsprojekt“, das die erste Phase des „Large Scale Testing“ (LST) darstelle, habe das Gesundheitsministerium in Zusammenarbeit mit allen Laboratorien eine „normale“ ambitiöse Teststrategie etabliert, die bestehen bleibt. Wegen des hohen Anstiegs der Infektionszahlen habe die Regierung aber beschlossen, dem bisherigen Testanbieter noch einen Zusatzvertrag für den August zu unterbreiten, erklärte Lenert.

Sowohl die Vertreter der Mehrheitsparteien DP, LSAP und „déi gréng“ als auch die Abgeordneten der Oppositionsparteien „déi Lénk“ und Piraten lobten die Regierung für ihre ambitiöse Teststrategie und das analoge Tracing, die eine rasche Ausbreitung des Virus verhindert hätten. Trotz der steigenden Infektionszahlen sei die Prävalenz des Virus in der Bevölkerung stabil geblieben, Hysterie und Panik hätten verhindert werden können, betonten Marc Baum und Sven Clement. 

„Pleiten, Pech und Pannen“

Heftige Kritik übten hingegen CSV und ADR. Der CSV-Abgeordnete und CHEM-Präsident Georges Mischo ließ kein gutes Haar an der Regierung. Die erste Phase des „Large Scale Testing“, die er mit „Pleiten, Pech und Pannen“ überschrieb, sei von prozeduralen Fehlern gekennzeichnet und mit Verspätung angelaufen. Mischo berief sich dabei auf ihm zugetragene Gerüchte über internen Widerstand im Gesundheitsministerium und bemängelte die Art und Weise, wie die Regierung vorgegangen ist. Hätte das Ministerium früher gehandelt, wäre man jetzt nicht unter Zeitdruck und die Regierung hätte die zweite Phase früher ausschreiben können, meinte Mischo, der in seiner Intervention erneut den Einsatz einer Tracing-App forderte und abschließend beteuerte, dass die CSV den Gesetzentwurf unterstütze.

Paulette Lenert dementierte die Gerüchte über Blockadehaltungen in ihrer Behörde, über die auch Radio 100,7 am Wochenende berichtet hatte. Die Ministerin betonte, dass es keineswegs zu Verspätungen gekommen sei. Die Übergangsperiode im August sei geplant gewesen. Bevor die zweite Phase anläuft, wolle das Gesundheitsministerium erst eine Bilanz der ersten Phase ziehen und einen „Kassensturz“ machen, um die nationale Teststrategie im September anpassen zu können, erklärte Lenert. Das LST sei ein Erfolgsmodell, das anderen Ländern inzwischen als Vorbild diene.

Auch der DP-Abgeordnete Gusty Graas wehrte sich am Dienstag gegen polemische Attacken der CSV, deren Präsident in einem am Wochenende im Luxemburger Wort veröffentlichten Leserbrief zum Rundumschlag gegen die blau-rot-grüne Regierung und ihr „vermasseltes Déconfinement“ ausgeholt hatte. Pauschalisieren und die gesamte Strategie der Regierung schlechtreden zu wollen, sei der falsche Weg, sagte Graas.

Die ADR, die das Gesetzesprojekt ebenfalls unterstützte, kritisierte ihrerseits, dass das „Large Scale Testing“ bislang nichts anderes bewirkt habe als eine Explosion der Infektionszahlen. Deshalb solle die Regierung es besser wieder abschaffen und sich für eine europäische Teststrategie einsetzen, forderte der Abgeordnete Jeff Engelen, der im Parlament bereits angekündigt hatte, sich nicht testen zu lassen.

Neue Medizinstudiengänge

Die Diskussion über den Gesetzentwurf wurde aber nicht nur von Polemik beherrscht. Josée Lorsché („déi gréng“) wies darauf hin, dass die Regierung darauf achten müsse, auch die Ärmsten der Gesellschaft mit ihrer Kommunikation über das Virus zu erreichen, und warnte vor einer „doppelten Welle“ aus Corona und saisonaler Grippe im Winter, auf die die Gesundheitsbehörden sich vorbereiten sollten. ADR und Piraten stellten die Frage, ob die derzeit durchgeführten Tests international anerkannt seien. Diese Frage blieb am Dienstag unbeantwortet. DP und „déi Lénk“ hatten ihrerseits gehört, dass das Personal für das analoge Tracing an seine Grenzen stoße. Paulette Lenert konnte dieses Gerücht zurückweisen.

Anfangs der Sitzung hatte das Parlament bereits mit großer Mehrheit ein Gesetzesprojekt über die Erweiterung der Medizinstudiengänge an der Uni Luxemburg angenommen. Um dem im 2019 veröffentlichten Lair-Bericht festgestellten Ärztemangel in Luxemburg entgegenzuwirken, sieht das Gesetz erweiterte Studiengänge in Onkologie, Neurologie und Allgemeinmedizin vor. Ferner führt das Gesetz neue Berufstitel für Hausärzte, Zahnärzte und Tierärzte ein. Insgesamt stieß der Entwurf auf Zustimmung. David Wagner („déi Lénk“) und Marc Hansen („déi gréng“) sahen darin eine gute Gelegenheit, eine richtige Medizinfakultät („Medical School“) an der Uni Luxemburg aufzubauen. Mars di Bartolomeo (LSAP) regte die Luxemburger Krankenhausgruppen zur Zusammenarbeit an, um gemeinsam ein Universitätsklinikum aufzubauen. Eine Debatte über die zukünftige Ausrichtung des Luxemburger Gesundheitswesens soll im Herbst stattfinden.

Dr NO
23. Juli 2020 - 11.43

@ Emile. Liest w.e.g. méi Kommentar ganz iert der äntwert. Merci, passt op an hâlt Iech gesond.

Emile
22. Juli 2020 - 20.11

@Dr NO "Wéi, gët am August net getest? Firwaat? " Schonn eng Kéier vu Congé Collectif héieren?

benoy alex
22. Juli 2020 - 18.03

Et mussen vill méi Kontrollen duerchgefouert gin an déi déi sech net un d'Régelen vun der Regierung a vum Parlament haalen mussen drastesch bestrooft gin. Wi deier sin iwerhaapt di Stroofen? Wou sin di Kontrollen? Virum "Urban" zB ass nach keng gewiesch!!! an bei villen aaneren "Versammlungen" och net. Allez: Kontrollen maachen wegl. Och an ville Geschäfter a Restauranten haalen sech vill Leit net un d'Devisen!!!

Dr NO
22. Juli 2020 - 16.28

Wéi, gët am August net getest? Firwaat? D'ass dach esou wichteg! Ass et vléicht wéinst dem congé collectif wou der da vill sich de Virus fänke gin? (Léif) Regierung t'ass traureg awer anscheinend wouer.

Don Quichote
22. Juli 2020 - 14.44

Der erwähnte Mathematiker wird wohl Recht behalten. Diese Pandemie ist nicht in den Griff zu bekommen und in einer gewissen Zeit werden wir alle durchinfiziert sein,mit mehr oder weniger "Verlusten". Es ist eine Gleichung mit sechs Unbekannten. Ein Negativtest ist Makulatur sobald die Testperson das Lokal verlässt und sich wieder unter die Bevölkerung mischen darf.Hinzu kommt die durch steigende Positiv-Resultate ausgelöste Hexenjagd im In-und Ausland. Sogar wenn wir unsere Grenzen dicht machen würden(was wir nicht können weil unser System dann zusammen brechen würde)bis alle Menschen "isoliert" sind,wäre das nach der Öffnung gleich wieder für die Katz,denn...jaja im Ausland gibt es auch Infizierte. Und die kommen täglich nach Luxemburg zur Arbeit....

Laird Glenmore
22. Juli 2020 - 13.57

Sehr verehrte Frau Lenert was nützen die ganzen Tests wen sich nur eine Handvoll Menschen an die Regeln halten und die anderen wie gehabt auf den Terrassen ohne Masken dicht an dicht sitzen und so tun als würde sie das alles nichts angehen, das sind doch Perlen vor die Säue geworfen, einer der sich nicht gerne Bevormunden läßt würde es gerne sehen wenn diese Ignoranten mit drastischen Strafen wegen Nichteinhaltung des Reglements bestraft werden würden und man nicht bei Einkäufen die ja nun mal sein müssen von diesen Personen abgesteckt werden könnte. Denn nur durch solche Personen ist die zweite Corona Welle so stark zurück gekommen und ich denke das wir bis Frühjahr 2021 oder länger nicht davon verschont bleiben.

TNT
22. Juli 2020 - 13.36

Hab ein paar Fragen. Wieso wird im August nicht weitergetestet? Huiie, dann fehlen aber wichtige Daten von einem Monat! Oder macht die Taskforce vielleicht Urlaub im 17. Bundesland Deutschlands? Braucht das Virus eventuell eine Verschnauffspause? °und einen „Kassensturz“ machen°, welchen denn? 40 Millionen hier, 60 Millionen da.... Wenn Phase ONE ein Forschungsprojekt war, was ist dann Phase TWO, bitte schön? An diesem "Forschungsprojekt" werden sich ein paar so richtig GESUND stossen! "Das LST sei ein Erfolgsmodell, das anderen Ländern inzwischen als Vorbild diene." Welchen denn, der Schweiz? Die Schweizer setzten nun auch Schweden auf die schwarze Liste, die Retourkutsche kam prompt, die Schweden setzten ebenfalls die Schweiz auf die schwarze Liste, für die Einreise ins jeweilige Land ihrer Bürger....