Einsatzfähigkeit nicht mehr gegeben: Österreichs Armee steht vor der Pleite

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Österreichs Bundesheer droht den Kampf gegen einen übermächtigen Feind zu verlieren: Akute Geldnot könnte schon nächstes Jahr in die Pleite führen, warnt jetzt der Verteidigungsminister.

Von unserem Korrespondenten Manfred Maurer, Wien

Uralte Fahrzeuge, antike Flieger, baufällige Kasernen – was die Österreicher Bundesheer nennen, ist in Wahrheit ein großes Militärfreilichtmuseum. Noch brillieren 900 Soldaten mit den Resten an modernem Gerät bei diversen Auslandseinsätzen, von denen zwei – EUTM in Mali und EUFOR in Bosnien-Herzegowina – sogar von Österreichern befehligt werden. Doch damit könnte bald Schluss sein. Zu Wochenbeginn hatte Interimsverteidigungsminister Thomas Starlinger seine EU-Amtskollegen in Luxemburg schon darauf eingestimmt, dass mit den Österreichern nicht mehr in diesem Ausmaß zu rechnen sein wird. Sollte es nicht ausreichend Geld geben, werde man sich gezwungenermaßen „Schritt für Schritt“ zurückzuziehen, warnte der hochrangige Berufsoffizier.

Nun legte er in einem Tagesbefehl nach. Nicht nur die Auslandseinsätze übersteigen die finanziellen Möglichkeiten, die gesamte Einsatzfähigkeit ist in Gefahr und eigentlich schon jetzt nicht mehr gegeben.

Laut Starlinger ist das Bundesheer „weit davon entfernt, seine in der Bundesverfassung festgelegten Aufgaben noch erfüllen zu können“. Und das hat konkrete Auswirkungen, welche keinesfalls nur im unwahrscheinlichen Fall des Verteidigungsfalles spürbar werden. Denn das österreichische Heer ist auch eine Katastrophenschutztruppe. Bei Hochwassern, Waldbränden oder extremen Schneefällen eilen Soldaten zu Hilfe. Bis jetzt.

Dramatischer Tagesbefehl

„Aufgrund der wegbrechenden Mobilität, beispielsweise bei Fahrzeugen, die schon um die 40 Jahre alt sind, wird dies in den nächsten Jahren nicht mehr möglich sein“, stellt der Minister klar. Auch die Rückholung von Österreichern mit Militärflugzeugen werde „bald nicht mehr möglich sein“. Bei Blackouts oder Cyber-Angriffen sei das Bundesheer „schon jetzt nur mehr sehr eingeschränkt in der Lage, gemeinsam mit dem BMI (Innenministerium) einen umfassenden und flächendeckenden Schutz kritischer Infrastruktur zu gewährleisten“, heißt es in dem dramatischen Tagesbefehl.

Der Minister klagt keinesfalls auf hohem Niveau: Der Großteil der Kfz-Flotte des Heeres wurde zwischen 1973 und 1983 angeschafft. Die meisten Luftfahrzeuge sind – bis auf die Eurofighter und die Blackhawk-Hubschrauber – bis zu 50 Jahre alt. So wird etwa die Saab 105 seit 1970 in der Luftraumüberwachung eingesetzt. Die moderneren Eurofighter, von denen aus Spargründen schon eine abgespeckte Variante gekauft wurde, waren mit 80.000 Euro pro Flugstunde eigentlich nie budgetkonform.

Geschichte des Aushungerns

Ein Blick auf die Entwicklung des österreichischen Verteidigungsbudgets offenbart eine Geschichte des Aushungerns. Zu Beginn des Jahrtausends verfügte des Heer noch über ein Budget von 3,4 Milliarden Euro. Mit 0,9 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) bildete Österreich schon damals im internationalen Vergleich eines der Schlusslichter.
Heute stehen dem Militär allerdings nur noch 2,3 Milliarden Euro oder 0,57 Prozent des BIP zur Verfügung. Die Politik hat sich stets davor gedrückt, ordentlich in die Verteidigung zu investieren. Zwar ist das Heer populär, aber kosten soll es möglichst nichts.

Doch jetzt ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Noch weniger geht nicht. Schon im kommenden Jahr würden die Kosten die vorhandenen Mittel überschreiten, warnt Minister Starlinger eindringlich vor der Pleite: „Wir können die Strom- und Wasserrechnung nicht mehr zahlen.“

Politik stoppt Sparmaßnahmen

Wie viel mehr Geld es bräuchte, sagt der Minister nicht, Generalstabschef Robert Rieger hat allerdings schon ausgerechnet, dass es mindestens eine Milliarde Euro mehr sein müsste. Starlinger fordert nicht nur mehr Geld, er hat auch Sparideen. Denn nicht alles, was das Bundesheer macht, ist in den Augen der Militärs notwendig, So hatte der im Zuge des Ibiza-Skandals wie die gesamte Regierung gestürzte Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) ein Prestigeprojekt entwickelt, das sein Nachfolger in einer ersten Amtshandlung sofort stoppte: Für die Heeres-Sicherheitsschule in Wiener Neustadt, die im Herbst mit 53 Schülern starten sollte, gibt es keinen wirklichen Bedarf. Die Kosten von 30 Millionen Euro wollte der neue Minister daher einsparen, machte die Rechnung aber ohne den Wirt, sprich: das Parlament. Nach Protesten der angehenden Sicherheitsschüler und deren Eltern formierte sich im Nationalrat eine eigentümliche Koalition aus SPÖ, FPÖ und ÖVP, die dem Expertenminister zeigte, wer tatsächlich das Sagen hat. Die Sicherheitsschule wird nun wie geplant starten.

Immerhin werden die 30 Millionen aber nicht dem Verteidigungsbudget entnommen. An der grundlegenden Finanznot ändert das freilich nichts. Und auch Starlinger wird als Minister auf Abruf daran nichts ändern können.