RaiffeisenEine gute Bank ist langweilig – Ernest Cravatte im Portrait

Raiffeisen / Eine gute Bank ist langweilig – Ernest Cravatte im Portrait
Nach 45 Jahren im Dienst des Finanzplatzes hat Ernest Cravatte beschlossen, sein Amt zur Verfügung zu stellen Foto: Banque Raiffeisen

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Personalwechsel bei Luxemburgs „anderer“ Bank. 15 Jahre stand Ernest Cravatte an der Spitze der einzigen Genossenschaftsbank des Landes. Erst war er sechs Jahre Geschäftsführer der Raiffeisen, dann Präsident ihres Verwaltungsrates. Nun, zum 1. November, geht sein Mandat zu Ende.

Als Ernest Cravatte im Jahr 2005 zum Geschäftsführer der Bank Raiffeisen wurde, galt diese als langweilig und altbacken. Die „normalen“ Banken des Landes jedoch boomten und glänzten. Viele erlebten große Abenteuer im Ausland und erwirtschafteten mit neuen Finanzprodukten Rekordgewinne. Raiffeisen derweil hatte ihren Hauptsitz in einem größeren Haus in Merl. Sie verwaltete damals gerade mal drei Milliarden Euro an Kundeneinlagen. Hinter den Kulissen wurde spekuliert, ob nicht vielleicht die Spuerkeess oder Foyer in den Betrieb einsteigen könnten.

Doch es kam anders als erwartet. Raiffeisen unter Ernest Cravatte blieb eigenständig, dem Heimatmarkt und den genossenschaftlichen Prinzipien treu. „Wir haben eine andere Philosophie als andere Banken am Platz“, wurde er nicht müde zu betonen. Große politische Überraschungen wie bei anderen Banken, die vom Ausland aus geführt werden, werde es bei Raiffeisen nicht geben, versprach er von Anfang an.

Begonnen hatte Ernest Cravatte (geb. 1949 in Luxemburg) seine Karriere im Jahr 1974 bei der „Banque générale du Luxembourg“ (heute BGL BNP Paribas). Nach einem erfolgreichen Aufstieg – er war Mitglied im Vorstand und im Verwaltungsrat – verließ er die Bank im Jahr 2000. Kurz zuvor war sie vom Fortis-Konzern übernommen worden. Seiner Ausbildung entsprechend (Doktor der Rechtswissenschaften an der „Université libre de Bruxelles“, ULB) wechselte er dann als Rechtsanwalt in die Kanzlei Welter, Cravatte, Wurth, Kinsch (heute Wurth Kinsch Olinger).

Nur fünf Jahre später zog es ihn dann wieder ins Bankenwesen. Doch zu einer anderen Unternehmenskultur. Mit Freude wiederholte er immer wieder, dass Raiffeisen „eine Luxemburger Bank ist, den Markt gut kennt und alle Entscheidungen selber vor Ort treffen kann“. Des Weiteren werden Gewinne nicht an Aktionäre ausbezahlt, da Raiffeisen eine Genossenschaftsbank ist (die den Kunden gehört). Erwirtschaftete Überschüsse bleiben in der Bank und werden ins Geschäft investiert.

Für Stillstand stand er jedoch nicht. Von Beginn an arbeitete Ernest Cravatte an einer Modernisierung der Bank, etwa an einer Erweiterung des traditionellen Kundenkreises (Landwirtschaft). Er hatte den Mittelstand, das Handwerk und die Beratung von Privatkunden im Visier. Auch wurde das IT-System erneuert. Doch das Geschäftsmodell blieb konservativ: Das angelegte Geld der Sparer wurde – mit Gewinnmarge – als Kredite weiterverliehen. Bei spezialisierten Versicherungs-, Bauspar- oder Investitionsprodukten wurde mit Partnern zusammengearbeitet.

„Keine kurzfristige Strategie der Profitmaximierung“

Seine Arbeitskollegen sehen in ihm einen „Banker des alten Stils“, einen, „dem man vertrauen kann“. Er verstehe sein Handwerk und „ist nicht jedem neuen Trend einfach nachgelaufen“, erzählen sie. Für Raiffeisen sei er ein Glücksfall gewesen. Zu seinem Charakter fallen Wörter wie zurückhaltend, freundlich, kollegial, korrekt, ruhig sowie diskret und respektvoll gegenüber anderen Menschen.

Die große Stunde der langweiligen Bank kam wenige Jahre später. Während verunsicherte Kunden im Rahmen der Finanzkrise von 2008 so manche Glaspaläste von Finanzinstituten stürmten, brachten sie ihr Erspartes unter anderem zur Raiffeisen-Bank. Man sei nicht in Subprime-Papiere investiert und „zocke“ nicht mit Kundengeldern, war bei der Bank zu hören. „Wir verfolgen keine aggressiven Verkaufstaktiken“, sagte Ernest Cravatte damals gegenüber dem Tageblatt. „Keine kurzfristige Strategie der Profitmaximierung. Wir sind eine Kooperative und wollen unsere Kunden gut behandeln.“

„Die Krise hat uns geholfen“, meinte er noch Jahre später über die Finanzkrise. Plötzlich war das alte traditionelle Modell der Hausbank wieder attraktiv. Die Kunden vertrauten Raiffeisen, obwohl der Staat nicht im Aktionariat vertreten war. Die angelegten Spareinlagen sind von drei Milliarden im Jahr 2005 auf 4,7 Milliarden im Jahr 2009 gestiegen. Als Ernest Cravatte 2011 sein Amt als Geschäftsführer abgab und Präsident des Verwaltungsrates wurde, hinterließ er eine Bank im Aufwärtstrend. In Leudelingen wurde mit dem Bau eines neuen Hauptgebäudes begonnen.

Bild aus dem Jahr 2010:  Guy Hoffmann mit Ernest Cravatte 
Bild aus dem Jahr 2010:  Guy Hoffmann mit Ernest Cravatte  Foto: Tageblatt-Archiv

Sein Nachfolger als Geschäftsführer wurde der 1964 in Esch/Alzette geborene Guy Hoffmann. Wie Ernest Cravatte war auch er von Fortis BGL zu Raiffeisen gekommen. Hoffmann hat die Bank weiter modernisiert, das Geschäftsvolumen weiter erhöht, die Struktur vereinfacht und den kooperativen Gedanken beibehalten. Gleichzeitig ist er eine Partnerschaft mit der staatlichen Post eingegangen. Diese hält nun zehn Prozent der Anteile an Raiffeisen. Zudem hat er versucht, den Kunden mehr Mitspracherecht an der Bank zu geben. Seit 2018 ist Guy Hoffmann ebenfalls Präsident der Luxemburger Bankenvereinigung ABBL – ein Posten, den vor ihm noch kein Vertreter einer Genossenschaftsbank innehatte.

Als sein erneuter Nachfolger übernimmt Guy Hoffmann ab dem 1. November den Vorsitz des Verwaltungsrates der Genossenschaftsbank. Im Rahmen der Pressemeldung zum Stühlerücken unterstrich er: „Ich werde meine neue Tätigkeit im gleichen Sinne weiterführen.“ Ernest Cravatte seinerseits zeigte sich zufrieden darüber, dass seine Nachfolge in der Kontinuität vonstattengeht: „Es war mir wichtig, dass die Bank auch nach meinem Abgang von fähigen Personen geführt wird, die sich den genossenschaftlichen Idealen verpflichtet fühlen.“

Ganz verlassen wird er die Bank zum 1. November jedoch noch nicht. Er gibt zwar sein Mandat an der Spitze ab, wird jedoch noch bis zur Frühjahrssitzung Mitglied im Verwaltungsrat bleiben. Seinem Hobby, dem Reisen in ferne Länder und dem Kennenlernen anderer Kulturen, wird er coronabedingt jedoch wohl nicht so nachkommen können, wie er sich das wünscht. Ernest Cravatte ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

Bond
1. November 2020 - 12.35

Ich glaube es ist die einzige BanK Welt weit die kein Digicash hat....

Knouterer
1. November 2020 - 8.56

Dann ist mir eine dynamische, zukunftsorientierte Bank mit innovativen Dienstleistungen lieber als eine Langweilige. Dass die Auffassung dieses Herrn aus längst vergangenen Zeiten zu stammen scheint, sagt genug aus...

Sully
31. Oktober 2020 - 12.47

Genau, bei einer langweiligen guten Bank bekommt man keine 225.000 Treffer wenn man nach "Raiffeisen Skandale" sucht.

Lucilinburhuc
31. Oktober 2020 - 12.06

Eine gute Bank ist langweilig.Wahr. Und weil das nicht jedem gefällt, gibt es Bankster. Leider noch mehr wahr.