Jempy DruckerEin Sympathieträger nimmt Abschied vom Profi-Radsport

Jempy Drucker / Ein Sympathieträger nimmt Abschied vom Profi-Radsport
Jempy Drucker verabschiedet sich aus dem Profi-Radsport Foto: Anouk Flesch

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Jempy Drucker hat keinen neuen Vertrag gefunden und beendet somit seine aktive Laufbahn. Eine Karriere, die sich lange Zeit nicht so abzeichnete, jedenfalls nicht auf der Straße. 

„This. Is. It“, schreibt Jempy Drucker in einer Art Abschiedsbrief, den er mit „Dear Cycling“, beginnt. Der 35-Jährige hat keinen neuen Vertrag gefunden und verabschiedet sich damit von der Profi-Radsport-Bühne. „Ich wünschte, ich hätte es auf eine bessere Art und Weise fertiggebracht, mit einer guten Saison und einem gelungenen finalen Rennen. Aber seit der Pandemie waren sie nicht immer nett zu mir“, schreibt Drucker und adressiert sich an den Radsport. „Die letzten Monate waren voller Warten und Hoffen, aber leider lag die Entscheidung nicht in meinen Händen und jetzt habe ich keine andere Option. Ich muss mich verabschieden und meine Karriere beenden.“

Ein Rückblick auf Druckers Karriere. 

Wie für viele andere Sportler ist es auch für Drucker immer das gleiche Spiel: „Noch eine letzte Frage.“ Die Journalisten versuchen nach einem Radrennen beim Team-Bus einem Fahrer noch möglichst viele Fragen zu stellen, während die Pressesprecher dafür sorgen sollen, dass die Sportler möglichst schnell in den Bus steigen und sich erholen. So auch nach Paris-Roubaix 2016. Jempy Drucker hat wie üblich ganz gelassen die Fragen der luxemburgischen Journalisten beantwortet. Auf die Anmerkung der Pressesprecherin lächelt er einmal kurz und sagt: „Ist schon o.k.“ – Es wurden noch ein paar Fragen mehr und Drucker beantwortete sie alle in seiner gewohnt ruhigen und lockeren Art.

2016 war Drucker bereits 29 und bestritt seine zweite Saison in der WorldTour. Im Jahr davor feierte er seinen ersten Profi-Sieg beim Prudential Ride London. Dass Drucker es überhaupt einmal in die WorldTour schaffen würde, war lange nicht klar. Der gebürtige Sandweiler machte bekanntlich zunächst im Cyclocross auf sich aufmerksam und schaffte den Sprung in eines der stärksten Cross-Teams. Insgesamt fuhr Drucker fünf Jahre für die belgische Fidea-Mannschaft, bevor er es doch auf der Straße versuchen wollte. Nach zwei Jahren für das Team Differdingen von Gab. Gatti schaffte er den Sprung zu Veranda’s Willems – Accent. Neben Gatti spielte auch der verstorbene Marcel Gilles eine wichtige Rolle für Drucker und verhalf ihm zum Profivertrag. Aber auch auf die Ratschläge von Kim Kirchen konnte Drucker im Laufe seiner Karriere zählen.

Jetzt hat Jempy Drucker mehr Zeit für seine Frau Lynn und die Familie
Jetzt hat Jempy Drucker mehr Zeit für seine Frau Lynn und die Familie Archivbild: Gerry Schmit

Wer braucht schon Handschuhe?

Verständigungsprobleme kannte Drucker keine, denn in seiner Cross-Zeit hat er Flämisch gelernt und beherrscht die Sprache perfekt. Wohl auch, weil die flämische Radsport-Leidenschaft es ihm angetan hat. Drucker mauserte sich schnell zum Klassiker-Spezialisten und Sprinter, was ihm 2015 schließlich einen Vertrag beim BMC Team einbrachte. Für die amerikanisch-schweizerische Mannschaft  gewann Drucker nicht bloß in London, sondern auch eine Etappe der Vuelta 2016. Neben zahlreichen Top-Ten-Platzierungen auf den flämischen Kopfsteinpflastern war er aber vor allem ein wichtiger Helfer für Greg van Avermaet. Ohne Drucker hätte der Belgier 2017 wohl nicht Paris-Roubaix gewonnen. Bei der Tour de Luxembourg sollte sich van Avermaet revanchieren. Er fuhr auf der ersten Etappe für Drucker, der in Bascharage die Etappe gewann und die Gesamtwertung übernahm. Doch am Tag darauf übersprintete der Belgier seinen Teamkollegen, was diesen natürlich wurmte, auch wenn van Avermaet am Ende die Gesamtwertung gewann.

Drucker zeichnete sich immer durch seine exzellente Technik und seine gute Positionierung in wichtigen Momenten aus. Man hatte das Gefühl, als kenne er auf den flämischen Hellingen jeden einzelnen Pflasterstein. Aber auch absoluten Radsport-Laien war es möglich, Drucker aus dem großen Pulk heraus zu erkennen. Denn sogar bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt verzichtete der Luxemburger auf Handschuhe. Nicht einmal bei Paris-Roubaix, dem Rennen, das Arme und Hände wohl am meisten beansprucht, wollte er auf den direkten Kontakt mit seinem Lenker verzichten. Mit Handschuhen wäre es nicht das gleiche Gefühl, erklärte Drucker einmal. 

Jempy Drucker, nachdem er Greg van Avermaet 2017 zum Sieg durch die Hölle des Nordens verholfen hat
Jempy Drucker, nachdem er Greg van Avermaet 2017 zum Sieg durch die Hölle des Nordens verholfen hat Foto: Rom Helbach

Schwerer Sturz 

2019 folgte der Wechsel zu Bora-hansgrohe um Peter Sagan. Die Saison lief aber alles andere als wie geplant. Bei Dwars door Vlaanderen stürzte Drucker auf der Zielgeraden schwer und brach sich unter anderem einen Wirbel. Es folgte eine viermonatige Zwangspause. Nach der Saison 2020 wurde sein Vertrag nicht mehr verlängert und Drucker zog es zu Cofidis. Doch auch 2021 lief nicht optimal für den Luxemburger und einen neuen Vertrag gab es nicht mehr für den 35-Jährigen. Dabei hätte er gerne noch weitergemacht und noch einmal gezeigt, dass er zu den absoluten Spezialisten der Flandern-Klassiker gehört.

Drucker ist es zu verdanken, dass sich Rennen wie die Flandern-Rundfahrt oder Paris-Roubaix in Luxemburg  größerer Beliebtheit erfreuen. Er war der einzige Luxemburger aus seiner Generation, der diese Rennen gefahren ist. Bis dahin standen in Luxemburg vor allem die Ardennen-Klassiker hoch im Kurs.

Heute treten mit Alex Kirsch, Kevin Geniets und Tom Wirtgen gleich drei Fahrer in seine Fußstapfen. Wobei alle drei dann doch öfter auf Handschuhe zurückgreifen als Drucker.

josy miersch junior
12. Januar 2022 - 13.08

Sehr guter Radprofi aber einfacher Mensch ! Im Radsport sollte man seine Qualitäten und Resultate nicht unterschätzen. War am Anfang Spitze im Querfeldein, dann erster erfolgreicher Fahrer des "Ländchen" in den "Flandriennes". Vor allem gehört er zu unseren besten "Sprinter" die wir je hatten ! Wird den Belgiern sogar in deren Klassikern fehlen. Alles Gute im Leben nach dem Radsport !