BahnhofsviertelEin Rundgang „à vos côtés“: Streetworker im Dienste der Nachbarschaft 

Bahnhofsviertel / Ein Rundgang „à vos côtés“: Streetworker im Dienste der Nachbarschaft 
Ernest Dupljak (r.) und Yago Garcia (l.) auf ihrer Runde durchs Bahnhofsviertel Foto: Editpress/Julien Garroy

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Die Streetworker von „A vos côtés“ patrouillieren durch die Straßen des Bahnhofsviertels. Dabei helfen sie Bürgern und Geschäftsleuten, die sich in ihrer Stadt nicht mehr sicher fühlen. Das Tageblatt hat die beiden Streetworker Ernest Dupljak und Yago Garcia auf einem ihrer Rundgänge begleitet. 

Die Zentrale von „A vos côtés“ liegt in der rue de Strasbourg mitten im Bahnhofsviertel von Luxemburg-Stadt. Restaurants und kleine Läden reihen sich hier dicht an dicht. Aus einem Restaurant direkt nebenan dringen orientalische Düfte an die frische Luft, Passanten eilen auf dem engen Bürgersteig hin und her, in der Ferne hört man das Hämmern schwerer Baumaschinen. Ein Großstadtviertel wie jedes andere? Nicht ganz, denn im Bahnhofsviertel verdichten sich wie sonst nirgends die sozialen Probleme des Landes auf minimalster Fläche. Der Alltag der hier lebenden Bürger ist vom Drogenhandel auf offener Straße, Prostitution und Armut geprägt, die nicht länger als Begleiterscheinungen einer wachsenden Wirtschaft und Bevölkerung abgetan werden. Fast täglich macht das Bahnhofsviertel auch nationale Schlagzeilen und steht im politischen Diskurs an der Tagesordnung. Das angekratzte Stadtbild kann auch die neu errichtete Tram nur bedingt wieder aufpolieren.

Mittendrin wollen die Streetworker von „A vos côtés“ den Bürgern und Geschäftsleuten des Viertels trotz der aufgelisteten Probleme ein Sicherheitsgefühl vermitteln und ein somit halbwegs geordnetes Leben ermöglichen. 

Der Sammelpunkt der Streetworker fällt durch große Schaufenster auf, die mit einer grünen Folie blickdicht zugeklebt wurden. „A vos côtés“ prangt in großen weißen Lettern über der Folie. Zwei Treppen führen hinauf in einen großen weißen Raum, der nur spärlich möbliert ist. Ein runder Tisch und eine große schwarze Ledercouch sollen für etwas Atmosphäre sorgen. Wer mit Scheuklappen durchs Viertel läuft und diese erst im Inneren des Büros wieder ablegt, weiß trotzdem, dass er sich hier an einem sozialen Brennpunkt befindet: Ausliegende Flyer und Broschüren wollen über Sucht, Drogen, Gewalt aufklären. Daneben ein Informationsblatt der Polizei, wie man richtig Anzeige erstattet.

Teamchef Ernest und sein Mitarbeiter Yago drehen ihre Runden durchs Bahnhofsviertel. Die beiden Männer haben ein breites Kreuz, muskulöse Arme und wirken dennoch alles andere als einschüchternd. Beide strahlen eine Ruhe und Besonnenheit aus, wirken bei ihren Erklärungen geradezu stoisch und gelassen. Dass beide Männer athletisch gebaut sind – Ernest wirkt aufgrund seiner Größe vielleicht noch eine Spur imposanter als Yago –, hat einen speziellen Hintergrund. Yago ist genau wie Ernest über die Initiative „StreetSport“ erstmals mit Inter-Actions in Kontakt gekommen. „StreetSport bietet allen Jugendlichen eine kostenlose Möglichkeit, Sport zu treiben, denen es sonst aus finanziellen Gründen verwehrt bleiben würde“, erklärt Ernest das Programm. „Mir wurde dadurch eine Karriere im Sport ermöglicht, die ich wohl sonst nicht gehabt hätte“, sagt Ernest, der 2016 K1-Vizeweltmeister wurde. Auch Yago fand über das Sportprogramm den Weg zu Inter-Actions und dreht nun als Streetworker seine Runden im Bahnhofsviertel. Die Probleme auf den Straßen Luxemburgs kennen beide sozusagen von Haus aus.

Rundgang durchs Bahnhofsviertel

Ernest und Yago laufen für ihren Rundgang aus der rue de Strasbourg in die Avenue de la Liberté und überqueren diese in Richtung Avenue de la Gare. Die beiden Streetworker grüßen in ihren giftgrünen Fleece-Jacken vorbeigehende Passanten. Ernest und Yago grüßen dabei Geschäftsleute, Passanten und Obdachlose gleichermaßen. Als ein kleines Kind einen Kinderwagen scheinbar ohne erwachsene Begleitung an uns vorbeidrückt, gleitet der Blick von Ernest sofort den Bürgersteig entlang, bis er die Mutter etwas weiter erspähen kann. Eine kurze Rückversicherung, dass es ihr Sohn ist, der an uns vorbeigelaufen ist, und weiter geht die Runde. „Diese kleineren Interaktionen gehören auf unseren täglichen Runden dazu“, sagt Ernest. Es komme öfters vor, dass sie kleinere Kinder vor den Läden antreffen würden, die auf ihre Eltern warten würden. „Dann warten wir eben, bis die Mutter rauskommt und das Kind wieder in sichern Händen ist“, sagt Ernest. Diese nachbarschaftlichen Dienste würden genau so zu ihrem Job gehören wie ihre regulären Aufgaben.

Die Streetworker von Inter-Actions sind nämlich keine Streetworker im eigentlichen Sinne, die sich um die Drogenkonsumenten, Prostituierten oder auch Obdachlosen kümmern und diese von der Straße holen sollen. Die Streetworker von „A vos côtés“ arbeiten hingegen für die Bürger und die Geschäftsleute des Viertels. Sie intervenieren bei Streitigkeiten im Viertel, begleiten auf Anfrage Kinder nach der Schule nach Hause oder Geschäftsleute spät abends zu ihren Autos. Deeskalation lautet das Stichwort, weswegen die Streetworker auch teilweise von Polizeibeamten ausgebildet wurden. „Viele Streitigkeiten können alleine dadurch gelöst werden, dass uns die Geschäftsleute, aber auch die Obdachlosen hier im Viertel mittlerweile kennen und wissen, wie wir vorgehen“, erklärt Ernest, als wir uns durch die Avenue de la Gare in Richtung Oberstadt schlängeln.

„Wir hatten vor kurzem einen Vorfall, bei dem ein betrunkener Mann ein Kleidergeschäft betrat, dort randalierte und anschließend versuchte, ein Hemd zu klauen“, erzählt Ernest. „Der Verkäuferin gelang es, ihm das Hemd zu entreißen, jedoch setzte sich der Mann anschließend vors Geschäft und schien auf die Verkäuferin warten zu wollen, die uns anschließend um Hilfe bat.“ Die Streetworker hätten mit dem Trunkenbold geredet, der seinen Fehler eingestand und sich anschließend sogar bei der Verkäuferin entschuldigte, berichtet Ernest. Während  die beiden Streetworker an besagtem Kleidergeschäft vorbeilaufen, winkt ihnen von innen eine Dame mittleren Alters freudig zu. „Das war sie“, lächelt Ernest besonnen und sichtlich zufrieden. Hätte der Mann das Hemd tatsächlich gestohlen, hätten wir natürlich die Polizei rufen müssen – so konnten die Streetworker die Situation für beide Seiten unkompliziert und nachhaltig klären. „Wer weiß, was später passiert wäre, wenn der Mann hätte festgenommen werden müssen.“

Aufregung im „Périgord“

Yago läuft etwas vor Ernest her, grüßt immer wieder Passanten und witzelt kurz mit ein paar Männern, die etwas angetrunken, aber harmlos an einem Kneipentisch über Fußball philosophieren. Man kennt und respektiert die Streetworker von „A vos côtés“. „Die persönliche Beziehung zum Viertel und den hier lebenden Leuten ist sehr wichtig“, sagt Ernest. Yago, der seinen aufmerksamen Blick stets hin und her schweifen lässt, wird plötzlich schneller und läuft zur nächsten Ampel. Er überquert die Avenue de la Gare im Laufschritt hin zum Café „le Périgord“. Eine Kellnerin hat die Streetworker gerufen, weil einer ihrer Kunden auf der Terrasse eingeschlafen ist – auf den ersten Blick hätte man auch meinen können, er wäre bewusstlos. Als auch Ernest und Yago den Mann nicht wecken können, geht alles ganz schnell. Die beiden Männer legen den Mann in die stabile Seitenlage und rufen einen Krankenwagen. „Dadurch, dass er so gebeugt da saß, hätte es sein können, dass er nicht mehr richtig hätte atmen können“, erklärt Ernest später.

Die Kellnerin der Kneipe hat nur lobende Worte für die Streetworker. „Sie sind freundlich und helfen, wo sie können“, sagt sie. Wenn sie die Polizei gerufen hätte, hätte diese den Mann nur mitgenommen und er sei wenig später wohl wieder hier aufgetaucht. Kurz vor dem Eintreffen der Sanitäter wird der Mann plötzlich wach. Seelenruhig setzt er sich wieder an den Tisch und nippt an seinem Bier. Als Ernest ihm erklärt, dass ein Krankenwagen unterwegs sei, will der Mann flüchten. Schließlich kann Ernest den Mann beruhigen, bis die Sanitäter eintreffen. Dennoch müssen Yago und Ernest ihnen erklären, dass sie den Weg umsonst auf sich genommen haben – beileibe kein Einzelfall. „Das passiert relativ häufig, dass Menschen nicht mit den Sanitätern mitgehen wollen“, sagt Yago. Doch auch hier gelingt es Ernest, zu vermitteln und so den Mann an der Flucht zu hindern. Daumen hoch an die Sanitäter – die Situation entspannt sich wieder.

Die Runde setzen die beiden in der rue du Fort Bourbon fort. „Wir suchen in solchen Situationen sofort das Gespräch“, sagt Ernest, während wir durch die Straßen schlendern. Ob es sich um Obdachlose, aggressive Trunkenbolde oder einfach nur Jugendliche handelt, sei egal. „Sie wissen, dass wir ihnen auf Augenhöhe begegnen und versuchen zu vermitteln.“ Wir biegen in die rue du Fort Elisabeth ab, vorbei an der Herz-Jesu-Kirche. Ernest wirft einen Blick in den Hof des sakralen Gebäudes, das durch eine kleinere Mauer vom Gehweg getrennt wird. „Hier lungern immer wieder Obdachlose auf dem Privatgrund der Kirche herum“, erzählt Ernest. Nicht immer können die Streetworker bei Problemen eingreifen. „Wenn ein Obdachloser auf öffentlichem Boden sitzt und niemanden stört, brauchen wir ja nicht einzugreifen“, erklärt Ernest mit ruhiger Stimme. „Wenn sie vor Haus- oder Geschäftseingängen sitzen, versuchen wir sie im Dialog dazu zu bewegen, sich einen anderen Platz zu suchen.“ Appelle an die Vernunft und persönliche Verantwortung gegenüber seinen Mitmenschen führe dabei sehr oft zum gewünschten Erfolg.

 Foto: Editpress/Julien Garroy

Durch die rue Dicks haben sich Ernest und Yago ihren Weg wieder auf die Avenue de la Liberté gebahnt und bewegen sich Richtung Zitha-Krankenhaus, ehe es sie zur Place de Paris verschlägt. Aufmerksam machen die Streetworker Platz für Lieferdienste und Kinderwagen auf den betriebsamen Gehwegen, grüßen Geschäftsinhaber ebenso wie den Obdachlosen an der Place de Paris. Die allermeisten grüßen freundlich zurück. „Die Ecke hier ist meist etwas ruhiger“, meint Ernest. „In einem kleinen Land wie Luxemburg liegen Probleme und die heile Welt schon sehr nah beieinander.“ Tatsächlich liegen vielleicht 150 Meter Luftlinie zwischen dem Vorfall beim „Périgord“ und der Place de Paris, wo wohl keiner bemerkt hat, was eine Straße weiter vorgefallen ist.

Yago, der während des Rundgangs eher still und aufmerksam seinen Aufgaben nachgegangen ist, wird plötzlich gesprächiger, als die beiden aus der Avenue de la Liberté wieder in die rue de Strasbourg einbiegen und sich ihr Rundgang dem Ende naht. „Es bedeutet mir persönlich sehr viel, dass wir den Menschen hier helfen können“, erzählt Yago, während sich seine sonst doch sehr verschlossenen Gesichtszüge entspannen. „Uns wird viel Dankbarkeit entgegengebracht, das ist sehr schön.“ Auch Ernest glaubt, seinen Traumjob gefunden zu haben. „Ich bin jeden Tag mit Herzblut dabei“, meint er, während sie auf die Zentrale zusteuern. „Je nach Uhrzeit stellen sich unterschiedliche Aufgaben“, sagt Ernest. Zehn Minuten Pause gönnen sich die beiden in der Straßburger Straße, bevor sie wieder losmüssen, um den Menschen im Bahnhofsviertel im hektischen Alltagstreiben unaufgeregt beiseite zu stehen.

Linda
20. September 2021 - 12.28

Deet mir leed. Mee och matt hinen fillen ech mech net secher! Waat netzt et ,sie ze gesin hiren Tour ze maan? Sie kennen dach mol net Dealer wou ronderem ons schwirren. Sie schwetzen nach mar´tt deenen! Avenue de la Gare an avenue de la liberté sin dach voll matt Dealer,an Illegalen wou vun da Grenz kommen vir hir Geschäfter an vir ze klauen an ze heeschen! Stroossbuerger Strooss?? Gut besicht vun den Dealer an Konsumenten! Mir kent et vir wéi wann vaschidden Geschäftsleit hinen helefen sech ze vaschanzen! Wou ass Police matt hiren Drogenspierhen? Gesin keng? Ech gesin all Daag den Cinema ! GARER Quartier bis Hollerech

Luxo
20. September 2021 - 8.22

Runde??? Mattsen an der Avenue? Op de Schinnen? Ouni Zebrastreif bei Ampel? Code de la route kennen se och mol net!