EditorialEigentlich sollte der Pride Month keine Meldung mehr wert sein

Editorial / Eigentlich sollte der Pride Month keine Meldung mehr wert sein
 Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Zum Auftakt des Pride Month wurden am Mittwoch auch in Luxemburg vielerorts die Regenbogenflaggen gehisst. Eigentlich sollte dies keine Meldung wert sein. Eigentlich sollte sich im Jahr 2022 niemand mehr darum scheren, wer wen liebt. Zwei junge Männer, die Händchen haltend durch die Grand-rue schlendern, sollten keinen zweiten Blick mehr wert sein. Auch sollte es niemanden stören, wenn sich zwei Damen in der Straßenbahn liebevoll ein Küsschen zustecken.

Solange aber viele dieser harmlosen, natürlichen Momente immer noch erstaunte Blicke, verstohlenes Kichern, traurige Kommentare oder hinterhältige Attacken auslösen, ist die breite Gesellschaft dazu verpflichtet, den Mitgliedern der LGBTQIA+-Gemeinschaft den Rücken zu stärken und symbolische Aktionen, wie das Hissen einer Regenbogenfahne, zu applaudieren. Obschon wir damit Gefahr laufen, vermeintlichen PR-Aktionen schamloser Trittbrettfahrer auf den Leim zu gehen, die sich einen politischen Vorteil verschaffen wollen.

Auch wenn die gleichgeschlechtliche Ehe seit sieben Jahren erlaubt ist, gehören Hass und Diskriminierung nicht der Vergangenheit an. In vielen Teilen der Gesellschaft wird „schwul“ immer noch als Schimpfwort benutzt und bei Blutspenden werden homosexuelle Menschen in Luxemburg immer noch diskriminiert. Mitglieder der LGBTQIA+-Community sind eine Minderheit, die lange Zeit von der Gesellschaft verurteilt wurde und heute noch Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt ist.

Zwar wurden in den letzten Jahren viele Anstrengungen unternommen, doch tritt die Gesellschaft weiter auf der Stelle. So stehen zukunftsträchtigen Gesetzen, die Inklusion und Gleichbehandlung fördern, hierzulande etwa Initiativen wie #echsinnpapp gegenüber, die das eigentliche Problem komplett verkennen und die Bewegung weit zurückwerfen.

Ein Grund mehr, die Farben des Regenbogens während des Pride Month weithin sichtbar im Wind wehen zu lassen. Schließlich steht die Pride Flag für Verbundenheit und Solidarität, für Freiheit und Frieden. Sie soll nicht nur stolzen, queeren Menschen vorbehalten sein, sondern auch Bürgerinnen und Bürgern, die all jenen Personen Unterstützung zusichern wollen, die abseits der vermeintlichen „Norm“ leben, fühlen und lieben.

So zeigt nicht zuletzt das Benehmen der Vereinigten Staaten, auf welch wackligen Beinen die ganze Bewegung steht. Während die US-Regierung ihre Botschaften (nach Trumps Boykott im Jahr 2019) wieder dazu auffordert, die Regenbogenfahne zu hissen, machen Staaten wie Florida mit ihrem „Don’t Say Gay“-Gesetz die Fortschritte der letzten Jahre wieder zunichte.

Allerdings steht auch hierzulande die Gesellschaft in der Pflicht, dem Pride Month weiterhin Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Dieser steht schließlich für Stolz, Toleranz und Selbstbewusstsein und kämpft gegen Kriminalisierung, Stigmatisierung und Ausgrenzung. Mit Aktionen wie dem Hissen einer Pride Flag vor der US-Botschaft oder anderen wichtigen Institutionen des Landes soll all jener gedacht werden, die ihr Leben im Kampf für die Rechte von queeren Menschen gelassen haben.

Andererseits soll dieser Monat auch auf noch immer bestehende Ungerechtigkeiten hinweisen. Und nicht zuletzt soll der Pride Month auch die Vielfalt der Gesellschaft feiern, queere Menschen mit Stolz erfüllen und alle zu einem friedlicheren Miteinander bewegen. Das Ziel ist erst dann erreicht, wenn das Hissen der Regenbogenfahne keine Meldung mehr wert ist.