RemichEhemalige „Jousefshaus“-Verantwortliche richten schwere Vorwürfe an die Gemeinde 

Remich / Ehemalige „Jousefshaus“-Verantwortliche richten schwere Vorwürfe an die Gemeinde 
Das „Jousefshaus“ hat fast drei Jahrzehnte ohne Probleme funktioniert. Jetzt schreibt es rote Zahlen.  Foto: Editpress/Hervé Montaigu 

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Seit Monaten kommt das „Jousefshaus“ nicht zur Ruhe. Das Seniorenheim ist defizitär und belastet die Remicher Gemeindekasse, die das Minus ausgleichen muss. Das gibt ein Gesetz aus dem Jahr 1897 vor, das die Trägerschaft für das „hospice civil“ regelt. Ex-Direktor Jean Bohler (63) und Ex-Verwaltungsratspräsident Charles Wagner (64) wehren sich gegen den Eindruck, sie hätten das Seniorenheim schlecht geführt und nichts unternommen.

Es geht um Misswirtschaft, falsches Personalmanagement und den im Raum stehenden Vorwurf, Ex-Direktor und Ex-Verwaltungsratspräsident hätten angesichts des Defizits im Haushalt des Seniorenheims nichts oder zu wenig unternommen (siehe Tageblatt vom 17. Juli 2020). Jean Bohler war bis Juni 2019 der Direktor des Heims, Charles Wagener der Verwaltungsratspräsident bis Ende 2019.

Die Version der beiden hört sich anders an als das, was bis jetzt bekannt ist. Ein Missmanagement im Bereich Finanzen hat es laut dem ehemaligen Verwaltungsratspräsidenten Wagener nie gegeben. Er beruft sich auf mehrere Audits, die seine Aussagen bestätigen. „Die Entscheidungen, was mit den Geldern des ‚hospice civil’ geschieht, trifft die Gemeinde“, sagt Wagener. Das Budget muss den Gemeinderat passieren und von ihm verabschiedet werden. Wenn das Innenministerium anschließend grünes Licht gibt, ist es verbindlich.

Bis 2011 gehen die Budgetierungen anstandslos durch. „Weil Geld da war“, sagt Wagener. Hinzu kommt: „Ein ‚hospice civil’ darf keine Reserven anlegen.“ Das sagt er vor dem Hintergrund, dass bis zu diesem Zeitpunkt alle Renovierungen im Haus vom Haus selbst getragen wurden. Das Heim macht zu dem Zeitpunkt Gewinne, die reinvestiert werden. Mittlerweile schreibt das „Jousefshaus“ rote Zahlen, die von der Gemeinde ausgeglichen werden.

Der Grund: 2014 meldet sich nach Aussagen Wageners die Gesundheitskasse (CNS) und fordert 1,7 Millionen Euro zurück. Da war er seit einem Jahr einfaches Mitglied im Verwaltungsrat. Dessen Präsident wird er 2017. Die Gesundheitskasse moniert im Jousefshaus Pflegedienstleistungen, die erbracht und abgerechnet wurden, für die es aber kein qualifiziertes Personal gibt. 24 Mitarbeiter mit entsprechenden Qualifikationen werden anschließend eingestellt.

Ohne Mitarbeiter keine Erstattung 

„Sie haben uns gesagt, wenn wir entsprechende Mitarbeiter einstellen, bekommen wir das Geld“, sagt Jean Bohler, der das Haus in Remich seit 1991 führt. Deshalb zeichnet er als Sekretär des Verwaltungsrates die Arbeitsverträge gegen. Eingestellt hat nach Aussagen von beiden der damalige Verwaltungsratspräsident Luc Thillmann (CSV). Diskussionen gibt es auch um die fünf Direktorenposten im Haus, die es laut Bohler bereits seit 2013 und vom damaligen Verwaltungsrat abgesegnet gibt und nicht erst seit seiner Verrentung. „Sie haben den Titel ‚Direktor’, aber nicht das Gehalt“, sagt Bohler. „Sie erhalten lediglich eine monatliche Prämie, weil sie ‚pouvoir hiérarchique’ haben.“ Das regele der entsprechende Kollektivvertrag.

Zuletzt sorgt die Nachfolgerin Bohlers auf dem Posten des Direktors für Wirbel. Blanche Wiot war zuvor „chef-infirmière“ und übernimmt nach Bohlers Verrentung Mitte 2019 seinen Posten. „Ich habe aus Kostengründen empfohlen, eine interne Lösung zu finden“, sagt Wagener. Nach Angaben Bohlers arbeiten Wiot wie auch er selbst unter derselben Prämien-Lösung wie die „Direktoren“: Wiot als Krankenschwester plus Prämie, Bohler in seinem erlernten Beruf als „Assistant d’hygiène sociale“ plus monatliche Prämie. Wiot verlässt das „Jousefshaus“ zum Ende des Jahres.

Ursachen von außen verschlimmern die finanzielle Lage. Die Reform der Pflegeversicherung 2017 greift 2018. „Leistungen, die vorher erstattet wurden, wurden nicht mehr übernommen“, sagt Bohler. „Da hatten wir plötzlich Personal zu viel“, sagt Wagener. In dem Heim stehen rund 150 Mitarbeiter 118 Bewohnern gegenüber. Außerdem ändert sich die Zusammensetzung der Bewohner von Jahr zu Jahr. „Ins ‚Jousefshaus’ kommen Senioren, wenn sie ihrem Alter gemäß gesund sind, weil sie hier bis an ihr Lebensende bleiben und versorgt werden wollen“, erklärt Bohler.

„Centre intégré“ heißt Unterbringung und Pflege

Manche werden im Laufe der Jahre zu Pflegefällen. Wann und wie viele das sein werden, ist nicht vorhersehbar. Da das „Jousefshaus“ ein „Centre intégré pour personnes âgées“ ist, leistet es beides: Unterbringung und Pflege. Die Leitung des Hauses ist in einem Dilemma. Hohe Personalkosten, die zuletzt die Änderung des Kollektivvertrages für den Pflegesektor verursachen, stehen gleichbleibenden Einnahmen für die Zimmermiete und niedrigeren Zahlungen der Ersatzkassen gegenüber.

Betriebsbedingte Entlassungen lehnt die Gemeinde Remich, deren Bürgermeister als stimmberechtigtes Mitglied im Verwaltungsrat sitzt, ab. „Wir waren uns damals bewusst, dass das Defizit so nicht zu decken ist“, sagt Wagener. Er und Bohler suchen nach Lösungen. Eine erste geht in Richtung Vergrößerung. Das „Burenhaus“ neben dem „Jousefshaus“, in dem derzeit die gemeindeeigene „Crèche Muselnascht“ untergebracht ist, gehört zum Vermögen des „hospice“. In den darüber liegenden Stockwerken könnten 12 zusätzliche Zimmer eingerichtet werden.

„Ich habe auch den Vorschlag gemacht, im Park, der ebenfalls zum ‚hospice’ gehört, ein neues Gebäude mit 30 bis 40 Zimmern zu bauen“, sagt Wagener. 2.850 Euro monatlich kostet derzeit ein Zimmer. Vom Familienministerium gibt es eine Zusage, falls das geschehe, den Bau mit 70 Prozent zu fördern. Die restlichen 30 Prozent Baukosten sollen nach den Vorschlägen Wageners unter den Gemeinden, die Belegbetten haben, aufgeteilt werden. Nach den Fusionen sind es noch acht quer durch den Kanton.

„Die über 50 Zimmer mehr hätten uns jährlich rund 1,8 Millionen Euro Einnahmen für die Unterbringung, die Leistungen der CNS nicht mitgerechnet, gebracht“, sagt Wagener. „Und wir hätten kein zusätzliches Personal einstellen müssen.“ Verwaltungsrat und Bürgermeister lehnen diese Pläne, die 2017 präsentiert werden, ab. „Ein Neubau dauert zu lang“, sei die Begründung gewesen, sagen beide.

Lösungsvorschläge finden keinen Anklang  

Wagener und Bohler machen einen weiteren Vorstoß. Sie sprechen mit den „hospices civils” im Pfaffenthal und Grund und bieten in Begleitung des Remicher Schöffenrates eine Auslagerung des Personals an, das gerade nicht gebraucht wird. „Sie hätten das gerne gemacht“, sagt Wagener. Im Verwaltungsrat findet das laut ihm keinen Anklang.

2017 eröffnet er in seiner Funktion als Verwaltungsratspräsident dem Remicher Schöffenrat, dass das Defizit in dieser Situation bei rund drei Millionen Euro die nächsten drei Jahre bleiben wird. Er schlägt vor, einen Kredit aufzunehmen, um Planungssicherheit und vor allem Zeit zu haben, nach einer Lösung zu suchen. Auch daraus wird nichts, weil zuallererst die Gemeinde für den Defizitausgleich zuständig ist.

Derweil suchen die politisch Verantwortlichen im Remicher Rathaus nach einer Lösung. In der Überlegung ist eine intersyndikale Form für das „Jousefshaus” mit den Gemeinden, die dort Belegbetten haben. Dazu gibt es allerdings Bedenken. „Dann fällt der Geländebesitz des ‚hospice’ auch an die anderen Gemeinden“, sagt Wagener. Das ist der Park, das Bruderhaus, das „Jousefshaus“, Teile des Remicher Fußballplatzes und zwei Parkplätze. Der Wert wird auf etwas mehr als 40 Millionen Euro, die Gebäude inbegriffen, geschätzt, sagen Wagener und Bohler unisono und berufen sich auf eine Expertise, die beide 2018 in Auftrag gegeben haben. 

„Deswegen wollten wir ja bauen und erweitern“, sagt Wagener. „Dann gibt es eine neue Konvention.“ In diesem Fall käme Remich aus der Verpflichtung heraus, das Heim alleine zu betreiben und anfallende Kosten zu tragen, und hätte acht weitere Partner – nämlich die Gemeinden mit Belegbetten. Nach der existierenden Konvention von 1993 geht das nicht.

Die beiden ehemaligen Verantwortlichen des „Jousefshaus“: Ex-Verwaltungsratspräsident Charles Wagener und der ehemalige Direktor Jean Bohler
Die beiden ehemaligen Verantwortlichen des „Jousefshaus“: Ex-Verwaltungsratspräsident Charles Wagener und der ehemalige Direktor Jean Bohler Foto: Editpress/Hervé Montaigu
Tom Haas
1. September 2020 - 17.37

Weil wir die Kommentare sichten, bevor sie veröffentlicht werden und Ihr Kommentar nicht unseren Richtlinien entsprach. Wenn Sie im privaten Kreis jemanden als "krank am Kapp" bezeichnen wollen, dürfen Sie das gerne tun. In diesem Forum haftet das Tageblatt für Ihre Aussagen, dementsprechend dürfen Sie es hier nicht. Freundliche Grüße aus der Redaktion

Gerges Jean
1. September 2020 - 17.13

Ech hat geschter en Kamentar zu dem Thema era gescheckt! Firwat get den net publizéiert?

Ben
27. August 2020 - 0.02

Deem Wagener dierf een net trauen, daat wees hallef reimech. Alles gesabbel, haaptsaach selwer all mount gutt kasseiren

Jangeli
26. August 2020 - 13.48

Da müsste eine kompetentere und qualifiziertere Führung her, die nicht nur aus "Jetonsmitglieder" oder anderen parteilichen Kumpanen zusammen gewürfelt sein sollte. Niemand wundert es dass solch eine Verwaltung in dem Zustand funktionieren kann, es geht ja schliesslich um das Wohlbefinden und Betreuung älterer Leute,die einen nicht gerade billigen Pensionspreis aufbringen müssen. Wer kontrolliert wen ????

Rosie
26. August 2020 - 13.41

Die Gemeinde sollte sich aus allen Häusern heraushalten, die nach angeblichen 'Heiligen' benannt sind.

den Hoersplecker
25. August 2020 - 22.18

Also nochmal zum mitschreiben: Das Haus machte Gewinne weil gegenüber der CNS falsch abgerechnet wurde und als die Krankenkasse dies bemerkte wars mit den Gewinnen vorbei. Daraufhin wurde willenlos Personal eingestellt um ein paar Jahre später festzustellen dass man es gar nicht bezahlen kann...und dann fordern die Herren von der Gemeinde in 2-3 Jahren ein Multimillionen-Gebäude bei ungeklärter Finanzierung in einen öffentlichen Park zu stellen um aus der Nummer raus zu kommen und wundern sich ernsthaft dass die Gemeinde da nicht so einfach mitmacht?