Wohlfühlen am ArbeitsplatzDüdelingen und Sanem sorgen sich um Gemeindepersonal

Wohlfühlen am Arbeitsplatz / Düdelingen und Sanem sorgen sich um Gemeindepersonal
„Wéi geet et?“, heißt die Kampagne der Gewerkschaft des Gemeindepersonals (FGFC). Es geht um das Wohlbefinden am kommunalen Arbeitsplatz. Düdelingen und Sanem geben eine Antwort auf die Frage. 

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„Wéi geet et?“, heißt eine rezente Kampagne rund um die mentale Gesundheit des Gemeindepersonals. Hauptziele dieser Aktion sind die Sensibilisierung für psychosoziale Probleme sowie die Enttabuisierung des Themas. Durch die Kampagne der Gewerkschaft des Gemeindepersonals (FGFC) soll aber vor allem auch der psychosoziale Dienst der „Fonction publique“ (SPS) beim Gemeindepersonal bekannter werden. Dabei haben einige Gemeindeverantwortliche nicht auf diesen Weckruf gewartet, sondern selbst eine solche Anlauf- und Beratungsstelle auf die Beine gestellt. Dazu gehören zum Beispiel Düdelingen und Sanem.

In Düdelingen besteht die psychosoziale Beratungsstelle seit 2019. Sie ist für das gesamte Gemeindepersonal zuständig. Psychologin Patricia Marques ist dafür da, Hilfestellung und psychologische Ratschläge an die mehr als 650 Mitarbeiter zu geben. Bisher hat etwa ein Drittel der Belegschaft in irgendeiner Form Kontakt mit der Dienststelle gesucht.

„Bei mir angesprochen werden meistens interne Konflikte oder auch Überforderung auf der Arbeit“, erklärt Patricia Marques. Stress sei ein großer Faktor und dies habe sich durch die Coronakrise nicht verbessert. Die Menschen rutschten immer mehr in die Ungewissheit und fragten sich, wie lange die augenblickliche Situation noch andauern werde.

Doch anders als im letzten Jahr, als viele von Telearbeit profitiert haben, suchen die meisten wieder den Kontakt und kommen lieber ins Büro, stellt die Psychologin fest. Das Bedürfnis nach Kontakt sei da. Auch das Thema Ängste sei durch die Krise noch präsenter geworden. Ängste seien eine gesellschaftliche Plage, über die nicht viel geredet werde, so Marques weiter. 

Gerüchte sind Gift

Probleme mit Mobbing gebe es, doch es halte sich bisher in Grenzen. Meistens würde sich dies in Form von Gerüchten äußern. „Das ist ein Gift, das sich sehr schnell verbreitet. Es kann großen Einfluss auf die Psyche und das Privatleben haben.“

Im Laufe der Pandemie ist ein neues Phänomen hinzugekommen, das von den Psychologen jetzt verstärkt erforscht wird. Die Menschen seien jetzt einen anderen Rhythmus gewohnt, erklärt die Psychologin. Viele waren mehr zu Hause und haben ihren Alltag anders organisiert. „Wir waren verschiedenen Stressquellen nicht mehr ausgesetzt.“ Jetzt wieder in den vorherigen Alltagstrott hineinzukommen, wird oft als anstrengend empfunden. Deswegen war die Rückkehr an den Arbeitsplatz für manche nicht so leicht. „Vor Personen, die uns vielleicht nicht so liegen, hatten wir ein halbes Jahr Ruhe. Dadurch wird der Frust vielleicht als noch größer empfunden“, erzählt Patricia Marques.

Doch die eigentliche Botschaft, die sie jedem mit auf dem Weg geben möchte: Wichtig sei, die Eigenverantwortung wie auch die Kollektivverantwortung wahrzunehmen. Wenn es jemandem im eigenen Team schlecht gehe, dann sollten die anderen Mitarbeiter auf diesen Menschen zugehen.

Es würden immer mehr Fortbildungen zum Thema Erste Hilfe im psychischen Bereich angeboten. Da gehe es darum, zu erkennen, was die ersten Anzeichen sind, wenn es jemandem nicht gut geht – und was getan werden kann, um demjenigen zu helfen. „In einer Gemeinde mit einer Vielzahl an Personal sitzen alle im selben Boot.“ Jeder habe seine Rolle zu tragen, damit es vorangehe.

Erste Hilfe

Die Einführung des Dienstes im Jahr 2019 geht auf eine Analyse des „Service à l’égalité des chances“ zusammen mit der Gleichstellungskommission aus dem Jahr 2008 zurück. Die eigenen privaten Verhältnisse oder die familiäre Situation werden oft mit auf die Arbeit gebracht und wirken sich dort auch aus, erklärt Bürgermeister Dan Biancalana (LSAP). Bei dieser Analyse kam heraus, dass es für die Mitarbeiter wichtig sei, eine interne Anlauf- und Beratungsstelle zu schaffen.

Deshalb wurde ein eigenständiger Dienst geschaffen mit dem Wunsch, einen Arbeitspsychologen einzustellen – im Falle Düdelingen war es eine Arbeitspsychologin. „Es war uns wichtig, dass diese Person bereits einige Erfahrungen in dem Bereich mitbringt“, sagt Biancalana weiter. Es gehe nicht darum, tiefgründige Therapien anzubieten, sondern spezifisch einzuwirken und auch präventiv zu arbeiten. Da Patricia Marques niemandem untergeordnet und an die Schweigepflicht gebunden sei, könnten die Mitarbeiter im Vertrauen zu ihr gehen, ohne Angst zu haben, dass etwas weitergetragen werde. Heute könnten sie sich den Dienst nicht mehr wegdenken, so der Bürgermeister.


Es ist nicht einfach, um Hilfe zu bitten. Das weiß auch Tom Offermann. Eigentlich ist er im Rathaus der Gemeinde Sanem für das Weiterbildungsprogramm zuständig. Seine ruhige Art hilft ihm aber sicherlich auch bei einer weiteren seiner Aufgaben, nämlich wenn es um das „Wohlbefinden am Arbeitsplatz“ geht.

Die Idee sei vor etwa zwei Jahren entstanden, sagt Offermann: „Es ging damals einfach mal darum,  auszuloten, welche Verbesserungen möglich und umsetzbar seien.“ Daraufhin sei ein ganzes Programm mit Ideen zusammengestellt und dem Schöffenrat vorgestellt worden. Es sei von Anfang an klar gewesen, keine kurzfristige Aktion zu veranstalten, sondern ein langfristiges Projekt, mit dem Ziel, es als festen Bestandteil in die Bemühungen der Kommune aufzunehmen und bestmögliche Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter zu schaffen.

Auslöser sei damals einerseits eine Umfrage unter dem Gemeindepersonal gewesen, andererseits auch der eine oder andere konkrete Fall von Mobbing oder Zoff zwischen Mitarbeitern. Diese Probleme hätten gelöst werden können. Damit alleine sei es aber nicht getan gewesen. Man habe sich damals vorgenommen, es erst gar nicht mehr so weit kommen zu lassen.

Prävention ist wichtig

Aller Anfang ist schwer. Auch das weiß Tom Offermann. Zu Beginn habe man es mit einer Rundmail versucht. Das habe aber nicht jeden sofort auf den Plan gerufen, sich zu melden. In der Covid-Krise habe man dann festgestellt, dass immer mehr Mitarbeiter sich melden. Sei es, weil sie sich nicht wohlfühlten oder weil die Gesundheitskrise wie auch das Homeoffice ihnen zusetzten.

„Unsere Aufgabe als Gemeinde besteht deshalb mehr denn je darin, dem entgegenzuwirken, zu verhindern, dass Probleme aufkommen oder ausarten“, so Offermann. Orientierung sei das Schlüsselwort: „Ich bin nicht Arzt, ich kann zuhören, aber nicht behandeln, ich kann aber mit dazu beitragen, dass wir als Gemeinde den Menschen zeigen, wo sie konkretere Hilfe bekommen können. Bei ihrem Hausarzt zum Beispiel, beim psychosozialen Dienst des Staates (SPS) oder bei einem Psychologen oder Psychiater ihrer Wahl.“

Eigentlich könnte man sagen, dass es einfach nur darum geht, zu handeln, bevor es zu spät ist. Bevor jemand im Burnout landet, Angst- oder gar Selbstmordgedanken hegt oder sonst wie gesundheitlich leidet. „Das ist nicht immer ganz einfach herauszufinden, aber es entwickelt sich immer besser, immer mehr Leute kommen, weil sie reden, sich anvertrauen und austauschen möchten“, so Tom Offermann: „Wichtig ist, dass wir die Gemeindeangestellten durch die gemeinsam mit dem SPS angebotene Weiterbildung sensibilisieren. Dass sie lernen,  aufmerksam zu werden, zu erkennen, wenn es einem Arbeitskollegen nicht so gut geht, auf ihn zuzugehen und sich nach seinem Befinden zu erkundigen.“

Ausbaufähig

Diese Weiterbildung sei sehr gefragt, sagt Tom Offermann. In Einklang mit dem „Service à l’égalité des chances” wird sie deshalb ab September ausgebaut. Bürgermeisterin Simone Asselborn-Bintz erklärt, dass ab Herbst auch Informations- und Sensibilisierungsabende für die Bürger der Gemeinde angeboten werden. Gratis! Wer ein Problem erkennt, einschätzen kann, weiß besser damit umzugehen, kann man die Bürgermeisterin verstehen. Sie weist auch darauf hin, dass die Gemeinde noch so einiges vorhabe, was das Wohlbefinden am Arbeitsplatz anbelangt. Zum Beispiel Preisnachlass auf Abos im Fitnessstudio, ergonomischere Bürostühle oder die Möglichkeit, zumindest zeitweise intern auf psychologische Hilfe zurückgreifen zu können.

Arbeiten muss ja eigentlich jeder, so Bürgermeisterin Asselborn-Bintz. Aber jeder soll sich auch gut an seinem Arbeitsplatz fühlen. Jeder Mitarbeiter, der sich in seinem Umfeld am Arbeitsplatz wohlfühlt, arbeitet lieber und besser.

Weitere Informationen gibt es unter „wei-geet-et.lu“.