DeutschlandDreikampf ohne klaren Sieger – Laschet, Scholz und Baerbock streiten beim Triell

Deutschland / Dreikampf ohne klaren Sieger – Laschet, Scholz und Baerbock streiten beim Triell
Am Sonntagabend kam es zu Deutschlands erstem TV-Triell um die Bundestagswahl Foto: Henning Kaiser/dpa

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Jetzt befinden sich die Parteien wirklich in der viel zitierten heißen Wahlkampfphase. Beim Triell von RTL und ntv schonen sich die Kanzlerkandidaten Scholz, Laschet und Baerbock nicht. Es werden aber auch Gemeinsamkeiten sichtbar.

Vier Wochen vor der Bundestagswahl haben sich die drei Kanzlerkandidaten von CDU/CSU, SPD und Grünen einen ersten Schlagabtausch zu allen wichtigen Wahlkampfthemen geliefert. Beim Triell der Sender RTL und ntv diskutierten Armin Laschet, Olaf Scholz und Annalena Baerbock am Sonntagabend konträr über Fragen unter anderem der Außen- und Sicherheitspolitik, der Corona-Strategie, der Bekämpfung des Klimawandels oder der Steuerpolitik. Neben Differenzen wurden dabei auch Gemeinsamkeiten deutlich.

Sicherheitspolitik

Nach dem Desaster beim Abzug der NATO aus Afghanistan forderten Laschet, Scholz und Baerbock übereinstimmend eine Stärkung der sicherheitspolitischen Rolle Deutschlands. Laschet bekräftigte seine Forderung nach einem Nationalen Sicherheitsrat, angebunden an das Kanzleramt. „Wir werden unsere Bundeswehr besser ausstatten müssen“, sagte er.

Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock muss aufholen
Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock muss aufholen Foto: RTL/dpa

Baerbock warf der Bundesregierung vor, sich in Afghanistan weggeduckt zu haben. „Sie haben innenpolitische Motive über außenpolitische Verantwortung gestellt“, sagte sie. Baerbock kritisierte, dass das Auswärtige Amt nicht schnell genug Visa für Schutzbedürftige ausgestellt habe.

Scholz, dessen Parteifreund Heiko Maas an der Spitze des Auswärtigen Amtes steht, forderte, die internationale Zusammenarbeit zu stärken und auch künftig Bundeswehrsoldaten für Einsätze zum Schutz von Frieden und Sicherheit bereitzustellen. Er nahm für sich in Anspruch, dass mit ihm als Finanzminister der Verteidigungshaushalt über 50 Milliarden Euro gestiegen sei. „Die schlechte Zeit für die Bundeswehr war in der schwarz-gelben Koalition“, sagte Scholz.

Corona-Bekämpfung

Alle drei Kanzlerkandidaten sprachen sich dafür aus, erneute weitreichende Alltagsbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie zu vermeiden. Scholz sagte, es seien jetzt so viele geimpft, dass man sehr klar sagen könne und müsse: „Es wird keinen neuen Lockdown geben.“ Es gelte aber vorsichtig zu bleiben, etwa mit Masken und Zugang zu Innenräumen nur für Geimpfte, Getestete und Genesene.

Auch Laschet sprach sich dafür aus, alles dafür zu tun, dass es nicht mehr zu einem Lockdown komme. „Ich halte das auch für realistisch.“ Baerbock erklärte: „Stand heute ist es so, dass wir keinen neuen Lockdown brauchen.“ Alle drei Bewerber um die Nachfolge von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) machten sich auch dafür stark, die Impfquote zu verbessern.

Armin Laschet, Kanzlerkandidat der CDU, steht unter Druck
Armin Laschet, Kanzlerkandidat der CDU, steht unter Druck Foto: RTL/dpa

Zwischen den Kandidaten wurden zugleich Unterschiede bei konkreten Krisenmaßnahmen deutlich. Scholz und Laschet lehnten eine mögliche Impfpflicht für bestimmte Berufe wie medizinisches Personal oder Polizisten ab. Baerbock sagte: „Stand heute nein. Aber für die Zukunft sollte man das nicht ausschließen.“

Scholz und Baerbock sprachen sich dafür aus, auch für Fahrten mit Fernzügen einen Nachweis als Geimpfter, Genesener oder negativ Getesteter zu verlangen – die Bundesregierung prüft dies gerade. „Der Wunsch von mir und der Kanzlerin ist, dass es klappen soll“, sagte Scholz. Laschet verwies unter anderem auf rechtliche Bedenken und sagte: „Erst sorgfältig prüfen und dann entscheiden.“

Kinder in der Pandemie

Baerbock forderte, der Bund solle in Notsituationen wie der Corona-Pandemie mehr Verantwortung für Kinder und Familien übernehmen. „Deshalb sollte der Bund in Zukunft zum Beispiel bei der Luftfilterausstattung von Schulen oder bei der Ganztagsbetreuung (…) dauerhaft in die Finanzierung mit einsteigen.“ An die Adresse der amtierenden Koalition von Union und SPD sagte die Grünen-Politikerin: „Eine Politik, die immer sagt, warten wir lieber mal ab, machen wir mal lieber gar nichts, hat dazu geführt, dass Kinder eineinhalb Jahre nicht in die Schule gegangen sind.“

Laschet konterte, Baerbock täusche die Bürgerinnen und Bürger, wenn sie sage, dass der Bund die Schulen nicht abgesichert habe. „Das ist Ländersache, und in elf Ländern regieren die Grünen mit.“ Scholz ließ den Vorwurf nicht auf sich sitzen, dass sich die finanzielle Förderung von Luftfiltern in Schulen wegen ihm als Finanzminister zäh gestaltet habe. „Die Mittel stehen und die stehen auch schon lange zur Verfügung.“

Steuerpolitik

SPD-Kanzlerkandidat Scholz betonte, es sei jetzt nicht die Zeit für Steuersenkungen für Menschen mit hohen Einkommen. Leute seiner Einkommensklasse sollten vielmehr etwas mehr bezahlen, um damit Steuerentlastungen für jene zu finanzieren, die weniger verdienen. Scholz plädierte für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes um drei Prozent.

Olaf Scholz, Kanzlerkandidat der SPD, steht zurzeit am besten da
Olaf Scholz, Kanzlerkandidat der SPD, steht zurzeit am besten da Foto: RTL/dpa

Auch Baerbock sprach sich dafür aus, die stärkeren Schultern stärker zu belasten. Man könne nicht einfach hinnehmen, dass jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut lebe. Es sei erforderlich, eine Kindergrundsicherung einzuführen, was etwa zehn Milliarden Euro koste.

Laschet sagte, in der Steuerpolitik gebe es einen fundamentalen Unterschied zu SPD und Grünen. Es sei töricht und grundfalsch, einfach zu sagen, die Steuern für Reiche müssten erhöht werden.

Kommentar zum Triell

Sie hatten sich alle drei so viel vorgenommen: Klare Botschaften, Schärfung des Profils und eine engagierte Debatte. Und doch wurde beim ersten TV-Triell nicht eindeutig, für welche konkrete Politik die einzelnen Kandidaten eigentlich standen. Es gab durchaus manch erfrischenden direkten Schlagabtausch zwischen Laschet, Baerbock und Scholz. Doch insgesamt beherrschte das Prinzip Vorsicht das erste Triell. In der Fußball-Sprache: Ein Spiel, in dem vor allem die Verteidigung überzeugte.
Um es vorwegzunehmen: Eine klare Siegerin oder einen klaren Verlierer gab es nicht. Der zuletzt arg gescholtene Unionskandidat Armin Laschet gab sich angriffslustig, blieb aber viele Antworten schuldig. Im Schlusswort stellte er seine Standhaftigkeit heraus, wenn der Wind mal ins Gesicht bläst. Sympathisch, aber nicht überzeugend.
Der SPD-Spitzenmann Olaf Scholz spielte seine Stärke als Regierungsfachmann aus und war sichtlich bemüht, alles in einem unaufgeregten vernünftigen Rahmen zu halten. Wie er die gewaltigen Herausforderungen der Zukunft aber anpacken will, ließ er offen.
Und die am Anfang in die Kampagne gestolperte Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock versuchte, so konkret wie möglich ihr Regierungsprogramm zu verkaufen – verstand es aber nicht, es zu einem Konzept zusammenzubinden. Gepatzt hat niemand, aber es fehlt auch der prägende Satz, der überraschende Moment. Baerbock präsentierte einen breiten Katalog von Forderungen und Verboten – nicht alles unvernünftig, aber sehr restriktiv. Laschet betonte den offenen Prozess von Freiheit und Wachstum, blieb aber im Ungefähren, während es Scholz um Sicherheit und Solidarität ging, ohne zu sagen, wer die Rechnung zahlt. Bis es klar wird, was die Kandidaten wirklich wollen, muss es noch weitere Runden geben. (Von unserem Korrespondenten Martin Kessler, Berlin)