Die Zukunft des Handelskrieges: Unternehmen beobachtet die Märkte in Asien

Die Zukunft des Handelskrieges: Unternehmen beobachtet die Märkte in Asien
Im aktuellen Konflikt spielt die Zeit China in die Hand, glauben die Marktexperten von JK Capital Management. Foto: AFP

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Bereits seit 19 Jahren verfolgt JK Capital Management aus Hongkong das Geschehen an den Märkten in Asien. Den Handelskonflikt zwischen USA und China hat die Gesellschaft intensiv unter die Lupe genommen. Langfristig hat China die besseren Karten, sind die Marktexperten der Firma überzeugt.

„Mit der Person des US-Präsidenten haben die Handelsstreitigkeiten zwischen USA und China nichts zu tun“, sagt Fabrice Jacob, Geschäftsführer und Gründer von JK Capital Management. Schon seit geraumer Zeit würden die eingeschlagenen Wege in Richtung Konflikt führen, erklärt der Franzose, der seit 25 Jahren in Hongkong lebt, dem Tageblatt. „Unter einer US-Präsidentin Clinton wäre es wohl ebenfalls passiert, wenn auch vielleicht später und anders. Die USA fühlen sich vom aufsteigenden China bedroht.”

Seit 1998 bietet JK Capital Management einen auf Asien spezialisierten und in Luxemburg registrierten Publikumsfonds an. Fabrice Jacob und Portfolio-Managerin Sabrina Hui Ren haben hierzulande mit Kunden und Investoren gesprochen. „Die haben derzeit sehr viele Fragen”, stellt Jacob fest. Dabei gehe es vor allem um die Beziehungen zwischen den USA und China sowie um die Folgen der Handelsstreitigkeiten.

„China ist ein einfaches Angriffsziel“

JK Capital Management zählt zu den auswärtigen Experten, mit denen der Vermögensverwalter La Française zusammenarbeitet. Dieser beschäftigt in Luxemburg zehn Mitarbeiter und verwaltet ein Vermögen von rund 70 Milliarden Euro.

„Sowohl die USA als auch die gesamte Weltwirtschaft stehen vor einer Zeit voller wirtschaftlicher Unsicherheiten“, warnt der gebürtige Franzose. „Die Situation ist noch viel schlimmer als vor der letzten weltweiten Finanzkrise.“ In den westlichen Ländern liege der Schuldenstand heute (verglichen mit der Wirtschaftsleistung) 41 Prozent über dem von 2007. Gleichzeitig seien die Leitzinsen in vielen westlichen Ländern bei unter null, was im Falle einer neuen Krise nur wenig Spielraum für weitere geldpolitische Maßnahmen lasse. „Und während der Westen mit vielen Unsicherheiten zu kämpfen hat, steigt China immer weiter auf“, ergänzt Jacob.

Die Situation ist noch viel schlimmer als vor der letzten weltweiten Finanzkrise.

Fabrice Jacob über den Zustand der westlichen Volkswirtschaften

„Den Aufstieg Chinas möglich gemacht haben die in den letzten Jahren umgesetzten Reformen“, fügt seine Kollegin, die gebürtige Chinesin Sabrina Hui Ren, die vor 13 Jahren nach Hongkong gekommen ist, hinzu. Diese hätten zu einem Abnehmen der Korruption und einer Zunahme der Effizienz geführt. Auch Maßnahmen gegen die Umweltverschmutzung zählten dazu.

Handelsdefizit und Kommunismus

Beim Konflikt gehe es jedoch um viel mehr als nur um Handel und Technologie, so die Portfolio-Managerin. Sondern um die Rivalität zweier Mächte. Dass es zu einem Handelskonflikt gekommen ist, sei keine Überraschung. „Der Schritt war angekündigt“, meint Jacob. Donald Trump habe erklärt, dass er die Länder, mit denen die USA ein Handelsdefizit von mehr als 50 Milliarden Dollar haben, bekämpfen werde.

„Die USA brauchen immer etwas, das sie bekämpfen können, um das Wahlvolk zu motivieren“, erklärt Jacob. „Idealerweise findet sich ein Ziel, das parteiübergreifende Unterstützung erhält. Und das einzige Thema, bei dem sich die beiden großen Parteien einig sind, ist der kommunistische Feind. China ist demnach ein einfaches Angriffsziel.”

Den Ausdruck „Kalter Krieg” will der Geschäftsführer jedoch nicht benutzen. „So weit sind wir noch nicht. Vielleicht komme es auch nicht so weit. Immerhin sind die Wirtschaftsbeziehungen intensiv.“ Der US-Automobilkonzern General Motors erwirtschafte beispielsweise 40 Prozent seines Umsatzes im Reich der Mitte. „Das kann man nicht entwirren, ohne dass es zu großen Verwerfungen kommt. Beide Länder sind voneinander abhängig.“

Aus diesem Grund glaubt er auch nicht, dass die für Dezember angekündigte neue Stufe der US-Strafzölle umgesetzt wird. Angekündigt sind neue Zölle von 15 Prozent auf den bisher nicht betroffenen 160 Milliarden Dollar chinesischer Exporte in die USA. Dabei handelt es sich um Konsumprodukte wie Computer oder Smartphones. Insgesamt beträgt das Volumen der Exporte in die USA 617 Milliarden Dollar.

Andere Länder mehr getroffen als China

Diese Preissteigerungen würde der US-Verbraucher deutlich zu spüren bekommen, prognostiziert der Franzose. „Und das in einer Zeit, in der die Wirtschaft schon langsamer dreht. Der US-Abschwung wird dazu führen, dass die neuen Sanktionen nicht kommen. Die schaden der US-Wirtschaft mehr als China. Wir erwarten eine Verbesserung der Beziehungen noch vor Weihnachten. Einfach weil die USA es sich nicht erlauben können.“

Zudem würden andere Länder viel stärker von den Strafzöllen getroffen als China selbst, fügt Sabrina Hui Ren hinzu. In China werde produziert. Die auftraggebenden Konzerne, die sich auf weniger hohe Gewinne einstellen müssen, kämen zumeist aus anderen Ländern. Am härtesten getroffen wäre voraussichtlich Taiwan, glaubt Fabrice Jacob.

Wir erwarten eine Verbesserung der Beziehungen noch vor Weihnachten. Einfach weil die USA es sich nicht erlauben können.

Fabrice Jacob über den laufenden Handelskonflikt

Doch beim Konflikt gehe es nicht nur um Größe, meint Ren weiter. „China hat mittlerweile eine führende Rolle in einigen technologischen Bereichen eingenommen. Dazu zählen 5G und Fintech. Auch im Bereich der künstlichen Intelligenz will China in einigen Jahren führend sein.”

Um die gesetzten Ziele zu erreichen, hat sich das Reich der Mitte langfristige Pläne wie die Seidenstraße und „Made in China 2025“ auferlegt. „Vor diesen Initiativen haben die USA Angst“, sagt Jacob. „Die USA glauben, dass China die Welt dominieren will.“

Auf die Frage, ob China die Welt dominieren wolle, lautet seine Antwort: „Das hat China noch nie getan. Wann hat das Land zuletzt einen Eroberungskrieg geführt?“ China lebe seine große Vision.

Froh über einen „wankelmütigen US-Präsidenten“

Solche Initiativen seien nur „Mittel zum Zweck“, bekräftigt Ren weiter. „Es geht darum, China in der globalen Lieferkette nach oben zu bringen.“ Das Land will weniger Wachstum, aber dafür mehr Qualität. Und auch „Chinas Zentralbank ist zufrieden damit“, ergänzt Jacob.

Ren sieht voraus, dass China die USA in den Jahren 2025 bis 2030 als größte Volkswirtschaft weltweit (BIP) überholt haben wird. „Und niemand kann das stoppen.“ 1872 hatten die Vereinigten Staaten Großbritannien überholt – und sind seitdem die größte Volkswirtschaft der Erde.

Dabei sei die Größe jedoch nicht wichtig, sagt die Portfolio-Managerin weiter. „Das hat China sowieso.“ Was es noch brauche, nach 40 Jahren Wirtschaftswachstum, sei mehr Qualität. Eine Verbesserung der Lebensbedingungen und der Umwelt. „Die Menschen wünschen sich saubere Luft. Und die Regierung weiß, dass sie den Menschen geben muss, was sie wollen. Das muss sie, um an der Macht zu bleiben.“ Im chinesischen Traum gehe es daher um saubere Luft, einen blauen Himmel … und zurück zur alten, glorreichen Ära.

Als Kontrast zu dieser langfristigen chinesischen Vision sehen die beiden Marktspezialisten einen US-Präsidenten, der bald die näher rückenden Wahlen im Blick haben wird. „China ist wahrscheinlich froh, einen so wankelmütigen US-Präsidenten zu haben“, meint Jacob. Die Zeit spiele dem Reich der Mitte in die Hand. „China sitzt fest im Sattel. Das Land hat Bereiche, über die es nicht verhandeln will.“

Keine Geldspritzen wie im Jahr 2008

„Je mehr die USA auf Protektionismus setzt und sich der Welt verschließen will, desto mehr setzt China auf Offenheit“, fügt die Portfolio-Managerin hinzu. „Das Land ist schlau genug, sich nicht zu verschließen und einen Kalten Krieg zu riskieren.“ Bei einem richtigen Kalten Krieg würde die gesamte Welt in eine Rezession abrutschen, warnen die beiden Experten. Bei Handelskriegen gebe es nie Gewinner. Eine Zusammenarbeit sei immer besser.

Dennoch werde China seinen Fehler in der Finanzkrise von vor zehn Jahren nicht mehr wiederholen, schätzt Fabrice Jacob. Damals hatte die Zentralbank des Landes die Weltwirtschaft mit enormen Geldspritzen stimuliert. „Und somit der Welt geholfen. Das wird sich aber nicht wiederholen, selbst wenn sich eine weltweite Rezession ankündigt.“ Mit den Folgen dieser Politik, dem hohen Verschuldungsgrad und den Preisblasen habe China zehn Jahre lang zu kämpfen gehabt. „Im Jahr 2007 wurde China von Panik ergriffen“, ergänzt Ren. „Aber es hat sich herausgestellt, dass es schädlich für China war. Es war nur ein kurzfristiger Schuss – keine langfristige Lösung.“

Editpress/Isabella Finzi

Sabrina Hui Ren und  Fabrice Jacob von JK Capital Management