Vor Chamber-DebatteDie wichtigsten Argumente rund um die Impfpflicht – Ein Überblick

Vor Chamber-Debatte / Die wichtigsten Argumente rund um die Impfpflicht – Ein Überblick
 Symbolbild: AFP/Thomas Kienzle

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Das Parlament debattiert am Mittwoch über eine generelle Impfpflicht gegen das Coronavirus. Ein Expertenrat hat sich am vergangenen Samstag für eine solche ausgesprochen. Doch kann eine Impfpflicht uns tatsächlich zurück in die Normalität führen? Ein Überblick über einige Fragen und Antworten.

Die Chamber wird am Mittwoch über eines der wichtigsten Themen dieser Pandemie debattieren: die Einführung einer generellen Impfpflicht gegen das Coronavirus. Luxemburger Experten haben sich bereits am 15. Januar für eine Impfpflicht ausgesprochen – wenn auch nur für Menschen über 50 und diejenigen, die tagtäglich im Kontakt mit vulnerablen Menschen stehen. Während die CSV, die DP und „déi gréng“ für eine Impfpflicht und die ADR sowie die Piratenpartei dagegen sind, haben sich die LSAP und „déi Lénk noch nicht offiziell dazu geäußert. Im Vorfeld zur Debatte hat das Tageblatt eine Liste verschiedener Argumente zur Impfpflicht zusammengestellt.

Die rechtlichen Bedenken

Juraprofessor Stefan Braum von der Universität Luxemburg hat sich in einem RTL-Interview zur rechtlichen Dimension einer Impfpflicht geäußert. Seiner Meinung nach habe eine Impfpflicht zwei Vorteile: Erstens würde sie entlastend auf das Individuum wirken. Der Rechtsstaat käme damit seiner Funktion nach, die Gesundheit anderer und somit das öffentliche Gesundheitssystem zu schützen. Ein wichtiger Punkt sei die Verhältnismäßigkeit. Eine Impfpflicht sei dann zu vertreten, wenn dadurch langfristig die Möglichkeit bestehe, aus dieser Pandemie herauszukommen. „In dem Fall ist eine Impfpflicht gegenüber anderen Regelungen wie 2G/3G, die bereits flächendeckend mit harten Grundrechtseingriffen verbunden sind, notwendig“, sagt Braum.

Im Gespräch mit dem Tageblatt erklärt der Luxemburger Verfassungsexperte ebenfalls, dass eine Impfpflicht wissenschaftlich hinterlegt werden müsse. Zudem habe die Impfpflicht den Vorteil, dass der seit zwei Jahren andauernde unklare und intransparente Rechtszustand durch eine klare Regelung ersetzt würde.

Impfzwang vs. Impfpflicht

Viele Menschen haben bei den Diskussionen die Impfpflicht mit einem Impfzwang verglichen. Das Tageblatt hatte sich am 6. Dezember die rechtliche Abgrenzung vom Justiz-Pressesprecher erklären lassen. Ein Impfzwang bedeutet demnach, dass der Staat seine Bürger auch gegen ihren Willen zu einer Impfung forcieren kann – falls nötig sogar mit körperlicher Gewalt, erklärt Henri Eippers, Sprecher der Luxemburger Staatsanwaltschaft. Eine Impfpflicht bedeute hingegen, dass Menschen gesetzlich zum Impfen verpflichtet werden und bei Weigerung mit beispielsweise einer Geldstrafe oder ähnlichen Sanktionen rechnen müssen.

In Luxemburg gab es zudem bereits eine Impfpflicht – und zwar gegen die Pocken. Die Impfung führte dazu, dass die Pockenfälle drastisch zurückgingen – Todesfälle sein zudem gar keine mehr gemeldet worden, heißt es in der Beurteilung des Reichsgesundheitsamtes Deutschlands zum Nutzen der Pockenschutzimpfung vom 27. Juni 1906.

Die Luxemburger Armee verfügt seit dem 1. Januar 2022 bereits über eine indirekte sektorielle Corona-Impfpflicht. Das bedeutet, dass neue Rekruten nur angenommen werden, wenn sie ein komplettes Impfschema gegen das Coronavirus vorweisen können.

Luxemburger Expertenmeinungen

Der Luxemburger Expertenrat hat sich in seinem Gutachten klar für eine Impfpflicht ausgesprochen. Dr. Vic Arendt, Prof. Dr. Claude Muller, Dr. Gérard Schockmel, Dr. Thérèse Staub und Dr. Paul Wilmes befürworteten in einem Gutachten eine generelle Impfpflicht für Personen ab 50 Jahren und für diejenigen, die einen täglichen Umgang mit besonders gefährdeten Personen pflegen. Für alle anderen Altersgruppen sei das Coronavirus vergleichsweise harmlos – jedoch müsse auch hier die Impfbereitschaft anhand medialer Kampagnen gesteigert werden, schreiben die Experten in ihrem Gutachten.

Gegenüber dem Tageblatt hatte sich der Virologe Claude Muller mehrfach für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen und zumindest eine Impfauskunft für den Gesundheits- und Pflegesektor gefordert. Die Impfung habe direkte Konsequenzen auf den täglichen Umgang mit Patienten, weshalb es für den Arbeitgeber wichtig sei, zu wissen, ob ein Arbeitnehmer geimpft sei oder eben nicht, argumentiere Muller. Das Gutachten des Expertengremiums soll den Entscheidungsträgern bei der Debatte um die Impfpflicht als Diskussions- und Entscheidungsgrundlage dienen.

Gesundheitssystem durch Impfung schützen

Wie Juraprofessor Braum bereits betonte: Mit einer Impfpflicht würde der Rechtsstaat auch seine eigene Pflicht zum Schutz des Gesundheitssystems erfüllen. Virologen und Experten bestätigten mehrfach, dass die Corona-Impfung vor einem schweren Krankheitsverlauf schützt. Die Wirksamkeit der Impfungen sei extrem hoch, wenn es darum gehe, die Aufenthalte im Krankenhaus und weitere Todesfälle zu verhindern, wiederholte Paul Wilmes, Mitglied des Expertenrates, während der Präsentation des wissenschaftlichen Gutachtens zur Impfpflicht am vergangenen Samstag. Außerdem könne man die absoluten Zahlen der Geimpften und Nicht-Geimpften in den Krankenhäusern nicht einfach unkommentiert gegenüberstellen, erklärte der Virologe Claude Muller im November. Die Gefahr, dass sich eine nicht-geimpfte Person mit dem Coronavirus infiziert, sei damals 8,4-mal höher als die eines geimpften Menschen. Je mehr Menschen geimpft würden, desto weniger müssten ins Krankenhaus, was wiederum dazu führe, dass sich die Bedingungen im Gesundheitssystem lockern.

Auf die Frage in einem RTL-Interview, ob eine Impfpflicht zur Lockerung der sanitären Maßnahmen führen würde, antwortete Dr. Paul Wilmes: „Sollten die Zahl der Hospitalisierungen, hauptsächlich jene auf der Intensivstation, und die Zahl der Todesfälle deutlich zurückgehen, könne man daran denken, Maßnahmen aufzuheben.“ Das Virus könne jedoch womöglich nicht ausgerottet werden. Menschen würden stattdessen auf lange Sicht mit dem Virus leben müssen. Zudem würde die Impfpflicht demnach keine Auswirkungen mehr auf die Omikron-Welle haben, sondern als langfristige Lösung gelten. Auch Claude Muller glaubt laut eigener Aussage nicht, dass das Virus verschwinden wird – vielmehr werde es endemisch und es könnte vermehrt zu kleinen Ausbrüchen kommen.

Was spricht gegen eine Impfpflicht?

Beobachter und Experten befürchten im Falle einer Impfpflicht, dass sich Impfgegner und -skeptiker weiter radikalisieren könnten. Der Soziologe Pascal Marchand erklärte im Tageblatt-Interview, dass jeder Akt der Autorität die Reaktanz der Impfgegner nur erhöhe. Auch würde die Impfpflicht an der derzeitigen Situation wohl wenig ändern – es wäre eher als langfristiger Lösungsweg aus der aktuellen Pandemie gedacht. Unklar ist bislang auch, ob und wie viele Auffrischungsimpfungen aufgrund neuer Mutationen des Coronavirus nötig sein werden.

Zudem könnte die Politik durch die Einführung einer Impfpflicht weiteres Vertrauen verspielen. Auch Gesundheitsministerin Paulette Lenert hat die Impfpflicht bisher als „letzte Stellschraube“ bezeichnet. Aufgrund der – dank der Impfung – im Vergleich zum letzten Winter entspannten Lage in den Krankenhäusern dürfte die Einführung einer Impfpflicht in Teilen der Bevölkerung nur schwer zu vermitteln sein. Auch dürften Kontrollen im Falle einer Einführung einer Impfpflicht nur schwer, wenn nicht gar unmöglich durchzuführen sein.

Nomi
19. Januar 2022 - 13.42

Ech geif den Leit mol rooden d'Definitio'un vun engem Vaccin ze versto'hen !

Heng
19. Januar 2022 - 12.33

Ich versteh die Aufregung gar nicht. Ich wurde als Kind zwangsgeimpft gegen Pocken und Polio und später gegen Tuberkulose nach dem Staatsexamen, hatten wir denn damals eine andere Verfassung? Das einzige was anders ist, ist der Name der Krankheit.

Charel Hild
19. Januar 2022 - 7.55

Déi selwecht wou nach virun zwee Joer ganz vehement géint eng allgemeng Testpflicht - Stéchwourt Dateschutz, secret médical, Privatsphère, Freiheet - gejaut hun, jäitzen elo "Impfobligatioun". Deemols war et just e bësse Watt am Hals, elo ass et eng Sprëtz mat Friemstoff an den Aarm. Si hunn all nach net begraff wéi Eescht et ass. Impfpflicht ass absolutt néideg, ouni Diskussioun an och allgemeng jiddereen, ouni Exceptioun, an dat eleng geet leider och scho net méi duer wann Delta Rechute mécht.