Coronavirus„Die Situation ist kritisch!“: Bei weiterer Ausbreitung drohen Engpässe

Coronavirus / „Die Situation ist kritisch!“: Bei weiterer Ausbreitung drohen Engpässe
Auf der Station für Infektionskrankheiten des CHL sind derzeit 15 von 17 Betten möglichen Corona-Patienten vorbehalten. Aktuell wird nur eine Person auch intensivmedizinisch betreut. Das aber könnte sich rasch ändern. Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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In Luxemburg haben sich bis Dienstag rund 140 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Innerhalb von nur wenigen Stunden ist die Zahl der Erkrankungen um fast die Hälfte gestiegen. Medizinische Fachkräfte schlagen Alarm: Material und Personal seien der aktuellen Frequenz von Neuerkrankungen nicht gewachsen. Deshalb sei es wichtiger denn je, die Maßnahmen der Regierung zu befolgen, um die Verbreitung von Covid-19 einzudämmen.

„Die Situation ist mehr als kritisch! Niemand kann sich vorstellen, was auf uns zukommt“, sagen zwei Menschen, die es wissen müssen. Die an Deutlichkeit kaum zu überbietende Botschaft eines Notfallarztes und eines Anästhesisten macht derzeit in den sozialen Netzwerken die Runde. „Leider können wir keine mit Weichspüler durchtränkte Nachricht teilen. Das wäre eine Lüge und das wollen wir nicht“, schreiben Dr. Emile Bock und Dr. Cyril Thix. Ihr Appell: Die Bürger sollten unbedingt die Vorsichtsmaßnahmen der Regierung befolgen und so weit es geht zu Hause bleiben. „Ansonsten tritt das Worst-Case-Szenario ein, was bedeutet, dass wir viele Menschen nicht mehr ordentlich behandeln können“, so die beiden Mediziner weiter.

Schützenhilfe erfahren Dr. Bock und Dr. Thix von anderen Spezialisten aus der Luxemburger Notfallversorgung. Dass die Lage ernst ist, zeigen unter anderem die letzten Zahlen des Gesundheitsamtes: Waren es am Dienstagmorgen gegen 9 Uhr noch 94 Infizierte, wurden in der Mittagsstunde bereits 140 Menschen im Großherzogtum gezählt, die bislang an der Lungenkrankheit Covid-19 erkrankt sind. Damit dürften dann wohl auch die Sorgen steigen, ob das Luxemburger Gesundheitssystem den Herausforderungen überhaupt gewachsen ist.

Genau davor warnen beide Ärzte in ihrem Brandbrief auf Facebook: Material und Mittel seien begrenzt. Die Vorsichtsmaßnahmen, die sich seit Wochenbeginn in Kraft befinden, seien durchaus drastisch. „Allerdings müssen wir euch aber auch mitteilen, dass all diese Punkte nicht ausreichen, um zu verhindern, dass ein Großteil der Bevölkerung gemeinsam erkrankt und intensivmedizinisch betreut werden muss“, unterstreichen Dr. Bock und Dr. Thix. Infrastruktur und Personal seien dem nicht gewachsen. Aus diesem Grund müsse unbedingt verhindert werden, dass sich das Virus weiter ausbreitet.

Damit wiederholen die beiden Mediziner das, wovor Experten bereits seit Wochen warnen. Für einen Großteil der Bevölkerung dürfte das Coronavirus nicht gefährlich, oder zumindest nicht tödlich sein. Ein Problem aber entsteht, wenn zu viele Patienten auf einmal behandelt werden müssen. In dem Fall könnte es zu Engpässen mit Personal und Material kommen, was verhindert, dass jedem Patienten die Pflege zukommt, die er benötigt, um eine Erkrankung ohne weiteren Schaden zu überstehen.

Luxemburg gut aufgestellt

Luxemburg verfügt derzeit über sechs Krankenzimmer mit Negativdruck auf der Station für Infektionskrankheiten im CHL, 169 Betten auf Intensivstationen und knapp 2.800 Krankenbetten insgesamt. Laut den jüngsten Erhebungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD kommen im Großherzogtum auf 1.000 Einwohner rund 4,5 Krankenhausbetten. Damit hinkt Luxemburg zwar Belgien (5,6), Frankreich (6) und Deutschland (8) hinterher, steht aber im weltweiten Vergleich immer noch solide da. Das so stark vom Coronavirus betroffene Italien kommt auf 3,2 Betten, die ansonsten medizinisch so viel gepriesenen Vereinigten Staaten nur auf 2,8 Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner. In Großbritannien sind es sogar nur 2,5.

Laut dem deutschen Robert-Koch-Institut (RKI) ist das Coronavirus gerade für die über 65-Jährigen gefährlich, insbesondere wenn Vorerkrankungen bestehen. Diese benötigten im Falle einer Erkrankung auch Intensivmedizin und möglicherweise auch Beatmungsgeräte. Genau in diesem Bereich sei demnach ein Engpass unbedingt zu vermeiden. Und das ist denn auch der Grund, weshalb die Regierungen alles dran setzen, den Verlauf der Erkrankung zu verlangsamen: „Nur so kann das Gesundheitssystem damit umgehen“, unterstrich am Montag etwa der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn im Deutschlandfunk.

Italien ist so schlimm von der Covid-19-Lungenkrankheit betroffen wie kein anderes Land außer China. Auch hat das Land keine hohe Dichte an Intensivbetten, was allerdings den Unterschied zwischen Leben und Tod bei einer schlimmen Erkrankung ausmachen kann. 
Italien ist so schlimm von der Covid-19-Lungenkrankheit betroffen wie kein anderes Land außer China. Auch hat das Land keine hohe Dichte an Intensivbetten, was allerdings den Unterschied zwischen Leben und Tod bei einer schlimmen Erkrankung ausmachen kann.  Foto: Luca Bruno/AP/dpa

Nun ist Deutschland mit 28.000 Intensivbetten eigentlich gut aufgestellt. In der Bundesrepublik kommen 0,3 solcher Betten auf 1.000 Einwohner. Dabei handelt es sich um die höchste Dichte an Intensivbetten weltweit. Nach bisherigen Erkenntnissen des RKI spiele dies eine wichtige Rolle bei der Höhe der Todesrate durch Covid-19. Intensivbetten sind mit komplexen Überwachungsgeräten ausgestattet und werden von mehr Pflegekräften betreut. Eine gute Nachricht demnach auch für Luxemburg: Mit einer Rate von 0,27 Intensivbetten pro 1.000 Einwohner liegt das Großherzogtum nicht weit dahinter. In Italien hingegen sind Intensivbetten Mangelware. Auf rund 60 Millionen Einwohner kommen nur 8.250 solcher Betten. Die Quote beträgt demnach nur 0,13.

Neues Material bestellt

Nun warnen in Luxemburg die Gesundheitsbehörden davor, nur die nackten Zahlen zu interpretieren. Denn: „Mit dem richtigen Material kann jedes Krankenhauszimmer in eine Intensivstation umgewandelt werden“, erklärt etwa der ehemalige Gesundheitsminister und Präsident des parlamentarischen Gesundheitsausschusses Mars Di Bartolomeo (LSAP). Ausschlaggebend sei eben, welche Instrumente für die Pflege des Intensivpatienten benötigt werde. Auch warnt der Politiker davor, die Infektionsstatistiken undifferenziert mit der Zahl der in Luxemburg verfügbaren Krankenhausbetten zu vergleichen: Nicht jeder Infizierte müsse im Krankenhaus, geschweige denn intensivmedizinisch betreut werden. Auch seien von den bislang Infizierten schon manche wieder geheilt.

So befanden sich von den bis dahin rund 80 positiv getesteten Personen am Montag nur neun in stationärer Behandlung. Dies unterstrich der Generaldirektor des CHL während der Expertenrunde nach der offiziellen Pressekonferenz des Gesundheitsministeriums am Montagvormittag. Insgesamt sind auf der Station für Infektionskrankheiten im CHL derzeit 15 der 17 Betten möglichen Corona-Patienten vorbehalten. Von den neun Personen, die zu diesem Zeitpunkt im Krankenhaus behandelt wurden, befand sich laut Dr. Romain Nati nur eine in Intensivbehandlung und musste demnach künstlich beatmet werden.

Auch was die Zahl der Beatmungsgeräte angeht, scheint das CHL noch weit von seinen Grenzen entfernt zu sein: 24 Beatmungsgeräte stehen derzeit im Centre Hospitalier zur Verfügung. Diese Kapazität könne aber jederzeit verdoppelt werden, so Dr. Nati. Außerdem wurden laut der beigeordneten Direktorin des Gesundheitsamtes, Dr. Françoise Berthet, 30 weitere Geräte bestellt, die in Kürze in Luxemburg eintreffen sollen. Zusammen mit anderem Material, darunter Schutzkleidung und Schutzmasken, so die Medizinerin.

Absolute Zahlen aber wollen die Gesundheitsbehörden keine öffentlich nennen. Zwar müssen die Krankenhäuser laut dem neuen großherzoglichen Reglement zur Corona-Krise dem Gesundheitsamt täglich ihre aktuellen Belegungsraten durchgeben. Doch seien diese Zahlen nicht für die Öffentlichkeit gedacht, sondern nur für die Krisenverwaltung, wie Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) am Montagvormittag betonte. Der Grund: Spekulationen über die mögliche Zahl von Schutzmasken, Krankenhausbetten oder Beatmungsgeräten lenke von der eigentlichen Botschaft ab, so eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums auf Tageblatt-Nachfrage. Und die laute: Die Menschen sollten sich unbedingt an die Vorgaben halten und so weit es geht zu Hause bleiben, um eine weitere Verbreitung des Virus einzudämmen. Momentan sei Luxemburg immer noch gerüstet. Im internationalen Vergleich sei das Großherzogtum sogar bestens aufgestellt. Sollte sich das Virus aber weiter rasant verbreiten, könnte es tatsächlich zu Engpässen kommen. Die Vorsichtsmaßnahmen seien ergriffen worden, um genau das zu verhindern, so die Sprecherin des Gesundheitsministeriums.

Tatsächlich verfüge Luxemburg noch über genügend Beatmungsgeräte, unterstrich auch Dr. Berthet. Sorgen machen sich die Gesundheitsbehörden derzeit aber um das verfügbare Pflegepersonal und ausgebildete Fachkräfte, die in der Lage sind, die Geräte zu bedienen. Sollte nämlich ein Teil der Pflegekräfte ausfallen, könnte sich das wiederum negativ auf die Pflege der betroffenen Patienten auswirken.

Ausschlaggebend sei demnach die Eindämmung des Virus. „Es ist wichtig, dass die Menschen den Ernst der Lage erkennen und daheim bleiben“, so die Sprecherin der Gesundheitsministerin.

Alfons
20. März 2020 - 14.00

Mit z.T. unangebrachter und ungerechtfertigter Kritik ist in diesem Fall niemandem geholfen. Hut ab und Respekt vor den Mitbürgern im Gesundheitswesen und in dem Dienstleistungssektor, dem Personal in den Lebensmittelgeschäften und den vielen selbstlosen Helfern, die sich dem Virus z.T. schutzlos ausliefern . Arroganz und Allesbesserwisserei sind in dieser Krisenzeit absolut fehl am Platz und nützen keinem. Die Heftigkeit und die Geschwindigkeit mit der sich dieses Virus zu einer Pandemie entwickelte, waren nicht vorhersehbar. Es sei denn, man ist ein Hellseher.

guyT
18. März 2020 - 11.11

Es ist eine Versagen auf der ganzen Linie, nicht nur in Luxemburg. Mit überheblichen Arroganz haben viele Medien die drakonischen Maßnahmen der chinesischen Regierung kommentiert und den damaligen wissenschaftlichen Konsens kritiklos weitergegeben. Warner die schon vor Wochen, teils schon seit Jahren begründet auf die schlechte Vorbereitung für den Pandemiefalll hinwiesen, wurden als Verschörungstheoretiker abgetan. Störend ist auch, dass in China Mundschutzmasken als sinnvoll gelten und auch in ausreichendem Maße verhanden sind , hier bei uns nicht.

Fred Reinertz Barriera
17. März 2020 - 20.18

Die Eindämmung des Virus ist nirgendwo gelungen, also ob Luxemburg das hinkriegen wird...? Unsere Hospital Infrastruktur ist einer Pandemie wie die des Corona Virus eben einfach nicht gewachsen....trotz Überschuss der CNS Beiträge wurde nicht genug investiert....und jetzt ist es eben zu spät!

Gerner
17. März 2020 - 17.55

Nicht die Zahl der Erkrankungen ist gestiegen, die Zahl der Tests. Wenn alle getestet würden wären es tausende mehr.

Mr.Hyde
17. März 2020 - 16.25

" Keiner kann sich vorstellen..." Das ist vielleicht gut so.Kein Benzin ins Feuer giessen. Wenn mit Gesundheit Geld verdient wird im Sinne von Einsparungen und Rentabilität,dann können solche Engpässe nach einer Katastrophe nur eine Folge falscher Politik sein.