GastbeitragDie Rolle des Geschlechtes: Eine Analyse über die Zweiteilung der Gesellschaft

Gastbeitrag / Die Rolle des Geschlechtes: Eine Analyse über die Zweiteilung der Gesellschaft
Bleibt man beim binären System von „Mann“ und „Frau“, fühlen sich viele Menschen von der Gesellschaft ausgeschlossen Illustration: Freepik

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Vom rechten Spektrum oft als „Gender-Wahn“ abgetan, wird in der Soziologie schon länger über die Zweiteilung der Gesellschaft in „Mann“ und „Frau“ debattiert. Wie kommt es zu dieser und inwiefern ist sie wissenschaftlich legitim? Eine kommentierte Analyse.

Allgemein wird aus biologischer Sicht zwischen Menschen mit männlichem und weiblichem Geschlecht unterschieden. Dabei wird sehr oft der Aspekt der Intersexualität ignoriert. Als Intersexualität oder Intergeschlechtlichkeit werden zusammenfassend unterschiedliche klinische Phänomene mit unterschiedlichen biologischen Ursachen bezeichnet. Es kann sich unter anderem um Abweichungen der Geschlechtschromosomen oder genetisch bedingte hormonelle Entwicklungsabweichungen handeln. Betroffene Menschen lehnen zumeist den pathologisierenden Begriff der „Störung“ ab und bezeichnen sich selbst als intersexuelle Menschen, Intersex oder intergeschlechtliche Menschen.

Bleibt man beim binären System von „Mann“ und „Frau“, so ignoriert man einen Teil der Menschen, die sich folglich von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen. Dies geschieht in legalem Rahmen, indem man bei legalen und administrativen Dokumenten nur zwischen männlich und weiblich wählen kann. Es geschieht aber auch im gesellschaftlichen Alltag. Wenn man in der Schulklasse in „Jungen“- und „Mädchen“-Gruppen einteilt und wenn man im Sprach- und Handlungshabitus nur von zwei Geschlechtern ausgeht.

Das biologische Geschlecht wird nach der Zusammensetzung der Chromosomen eines Homo sapiens definiert. Die Grenzen dieses Systems wurden bereits angeführt. Die Zusammensetzung der Chromosomen beschreibt also ein biologisches Phänomen. Man unterscheidet zwischen männlichen, weiblichen oder intergeschlechtlichen Chromosomenzusammensetzungen. Die Begriffe „Mann“, „Frau“ oder auch „Intersex“ sind dagegen gesellschaftliche Kategorien. Allgemein wird angenommen, dass das biologische und gesellschaftliche Geschlecht gleichbedeutend ist. Die Realität ist allerdings komplexer.

„Mann und Frau sollen abgeschafft werden“

Biologisch ist ein „Mann“ ein Sapiens mit bestimmten biologischen Eigenschaften wie einem X- und einem Y-Chromosom, Hoden und einer Menge Testosteron im Blut. Gesellschaftlich werden dem „Mann“ noch andere Eigenschaften zugeschrieben, die aber nicht biologisch, sondern kulturell begründet sind. In der Biologie wird die „Frau“ als ein Sapiens mit zwei X-Chromosomen, einer Gebärmutter und Östrogen im Blut definiert. Gesellschaftlich wird die „Frau“ aber auch über eine erfundene menschliche Ordnung definiert. Man schreibt ihr weibliche Rollen zu wie Kindererziehung und Sensibilität. Genau hier wird der Unterschied zwischen Biologie und Gesellschaft deutlich. Vor 50 Jahren wurden von Frauen ganz andere Verhaltensweisen, Bekleidungsformen und Körperhaltungen erwartet als heute. Zudem unterscheiden sich diese Ansprüche von Gesellschaft zu Gesellschaft, was ihre Wandelbarkeit deutlich macht.

Immer wieder hört man diesen Tenor von konservativen Politiker*innen. Dabei handelt es sich um eine inhaltslose polemische Äußerung, die der Komplexität der Thematik nicht gerecht wird. Zum einen steht die gesellschaftliche, politische und legale Anerkennung von Intergeschlechtlichkeit in keinem Zusammenhang mit einer vermeintlichen Abschaffung von den traditionellen Geschlechtern.

Zum anderen ignoriert diese Aussage die Tatsache, dass es einen Unterschied zwischen biologischen Tatsachen und gesellschaftlichen Konzepten gibt. Das biologische Geschlecht ist objektiv. Das gesellschaftliche Geschlecht unterscheidet zwischen männlichen und weiblichen Zuschreibungen, die intersubjektiv sind und sich in einem ständigen Wandel befinden. Ein einfacher Beleg ist der Vergleich zwischen einer männlichen Bekleidungsnorm im 15. Jahrhundert und der von heute. König Ludwig XIV. war stolz, Strumpfhose und Absätze zu tragen, während dies heutzutage von der Mehrheit als „unmännlich“ empfunden würde.

Warum ist dies relevant?

Die Thematik hat eine Relevanz auf unterschiedlichen Ebenen. Zum einen sollte das gesellschaftliche Bewusstsein die Intergeschlechtlichkeit anerkennen, anstatt sie und somit viele Menschen als unsichtbar zu behandeln. Zum anderen hilft das Bewusstsein, dass Geschlechte auch gesellschaftlich konstruiert werden, um schädliche Geschlechterrollen und Vorurteilen abzubauen und zu erkennen, dass man nicht in den vermeintlichen Ansprüchen des eigenen Geschlechtes gefangen ist.

Angesichts der empirischen Vielfalt von Menschlichkeit und der Tatsache, dass die Normen von „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“ in einem konstanten Wandel sind, geht es also nicht darum, „traditionelle“ Geschlechte abzuschaffen, sondern das Bewusstsein über die Funktionsweisen zu fördern.

Das gesellschaftliche Geschlecht kann für einen Mann bedeuten, dass er einer Frau ein schwieriges Paket abnimmt, und für eine Frau, dass sie sich das schwere Paket abnehmen lässt. Deutlich wird, dass hier nicht das biologische Geschlecht die Funktionsweise diktiert, sondern gesellschaftliche Zuschreibungen, die in der Interaktion konstruiert werden.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass das biologische Geschlecht einem alles erlaubt, was biologisch möglich ist, während das gesellschaftliche Geschlecht eine Person direkt und indirekt zwingt, auf eine gewisse Weise zu handeln. Das Geschlecht ist in diesem Fall keine Eigenschaft, die man „hat“, sondern eine, die man „tut“. Genau diese Erkenntnis sollte helfen, aus veralteten Geschlechterrollen und Vorstellungen auszubrechen und sowohl eine rationelle Debatte über biologische wie auch über gesellschaftliche Geschlechter unter anderem in der Politik zu ermöglichen.

* Andy Schammo studiert Erziehungswissenschaften an der Universität Luxemburg und schreibt seine Abschlussarbeit zum Thema „Institutionelle Diskriminierung im Luxemburger Bildungswesen“. Er setzt sich privat gegen Diskriminierung und Ungleichheiten ein.

DanV
9. März 2021 - 12.11

@ Jimbo An an der Bibel steet di eenzeg a lescht Wourecht? Wat maache mer dann elo mam cheemeschen Atom? Dat steet och net an der Bibel ... @ Consti. F Deen heiten Artikel mëcht dach just bewosst, dass et engersäits biologesch Tatsaache ginn an anerersäits, dass d'Gesellschaft déi Tatsaachen am Laf vun der Evolutioun emmer erem anecht beurteelt an/oder och veruerteelt. Vu Politik gesinn ech hei näischt. Et ass absurd, Biologie politesch no riets oder no lénks ze drécken. Biologie ass neutral. @ deen, deen et liese wëll: Wat ass esou schlëmm dorun, Intersex unzeerkennen? Weem gëtt domat wéi gedoen? D'Alternativ ass, Intersex-Persounen emmer an emmer erem wéi ze doen. Wat hu mer dovun?

Consti. F
9. März 2021 - 7.42

"Vom rechten Spektrum oft als „Gender-Wahn“ abgetan". Gibt es dazu Quellen oder wird hier mal wieder die einzig wahre Linke Sichtweise verkündet?

Jimbo
8. März 2021 - 20.24

An der Bibel gett et och just Männlein a Weiblein…

Till Eule vor dem Spiegel
8. März 2021 - 11.39

Eine der größten Probleme der Zweiteilung der Gesellschaft ist, Männer keine Kinder austragen können .Das Thema Frau , Gleichberechtigung würde sich dann selber auflösen.Es wird endlich Zeit diese Ungerechtigkeit der Natur aus dem Weg zu räumen.Auf die Straße ihr Männer, dieser Ungerechtigkeit die Stirn zu bieten , die Zeitgeschichte neu schreiben ,Darwin in die Verbannung schicken.

Von Blücher
8. März 2021 - 11.22

Ich halte es mit dem was Herr Thiersen / SPD zu Rassismus und Gender Politik sagt:“ Es gibt Radikalisierung des Diskurses , die eher die Konfrontationen verschärfen und das Leben von Gemeinsamkeiten erschweren.“