Mittwoch12. November 2025

Demaart De Maart

Alain spannt den BogenDie Philharmonie empfing die Staatskapelle Dresden, mit der Sopranistin Asmik Grigorian wurde es romantisch

Alain spannt den Bogen / Die Philharmonie empfing die Staatskapelle Dresden, mit der Sopranistin Asmik Grigorian wurde es romantisch
Frank Peter Zimmermann in der Philharmonie Foto: Sébastien Grebille

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Besuch aus Dresden und ein Hauch Romantik: Die Konzertwoche in der Philharmonie im Überblick. 

Seit dieser Spielzeit ist Daniele Gatti der Nachfolger von Christian Thielemann bei der Staatskapelle Dresden. Und geht sofort auf eine Europatournee mit dem Orchester und einem romantischen Programm. Russische Romantik gab es dann in einem Liederabend mit der litauischen Sopranistin Asmik Grigorian und dem Pianisten Lukas Geniusas.

Klassisch schöner Schumann

Noch schneit es nicht, aber das wunderbare Klanggemälde „Ciel d’hiver“ der im Vorjahr verstorbenen finnischen Komponistin Kaija Saariaho, welches das Konzert eröffnet, schafft ab dem ersten Takt magische winterliche Momente. Kein narrativer Charakter, keine plakativen Effekte, sondern wunderbar sphärische Klänge, die alle Orchestergruppen solistisch mit einbeziehen, machen „Ciel d‘hiver“ zu einem ganz besonderen Klangerlebnis und zeigen die filigrane Gestaltungskunst der Dresdner Staatskapelle auf schönste Weise. Daniele Gatti zeigt sich als unaffektierter, klar strukturierender Dirigent mit einem enormen Gespür für die Farben und Zwischenklänge dieser außergewöhnlichen Musik. Außergewöhnlich ist auch das Violinkonzert von Robert Schumann, ein Werk, das auf den ersten Blick recht sperrig und unentschieden daherkommt. Doch je öfter man dieses Werk hört, umso schlüssiger wirkt es. Clara Schumann, Josef Joachim und Johannes Brahms haben es ja bei seiner Entstehung als das Werk eines Geisteskranken gesehen und unter Verschluss gehalten, bis die Nazis es 1937 gegen den Willen der Familie in einer Fassung von Paul Hindemith trotzdem aufführen ließen.

Frank Peter Zimmermann und Daniele Gatti haben sich in dem erstaunlich langsam konzipierten Finalsatz für eine etwas schnellere und somit einfach zu hörende Interpretation entschieden. Zimmermann begeistert mit einem enorm klaren und strukturierten Spiel, das aber niemals vor den großen Emotionen des ersten und zweiten Satzes haltmacht. Gatti und die Staatskapelle Dresden steuern einen sehr runden, romantischen und typischen Schumann-Klang bei, sodass dieses oft vernachlässigte Violinkonzert doch am Schluss irgendwie an Überzeugungskraft und Expressivität gewinnt. Als Zugabe spielt Zimmermann dann noch Schuberts „Erlkönig“ in der Fassung für Solovioline von Heinrich Wilhelm Ernst (1814-1865), und das überragend, versteht sich.

Der italienische Dirigent Daniele Gatti
Der italienische Dirigent Daniele Gatti Foto: Sébastien Grebille

Nach dem innerlich zerrissenen Violinkonzert von 1853, dem letzten Orchesterwerk des Komponisten, das ohne Zweifel auf Schumanns geistigen Verfall hindeutet, erklang nach der Pause die durch und durch optimistische 2. Symphonie aus den Jahren 1845/46. Schumann befand sich gerade wieder in einer Depression und konnte diese dank dieser wunderbaren Symphonie (mit Einflüssen bzw. Zitaten von Bach und Beethoven) überwinden. So erklingt im letzten Satz, diesem einmaligen strahlenden Finale, das Motiv der Melodie „Nimm sie hin, denn diese Lieder, die ich Dir Geliebte sang“ aus Beethovens Liederzyklus „An die ferne Geliebte“ als Danksagung und Liebesbezeugung an seine Frau Clara. Gatti und die Staatskapelle Dresden gaben sich auch hier dem romantischen Gefühl und Gefüge dieser Symphonie ganz hin, ohne wirklich neue Aspekte zu suchen. Das ist alles sehr klassisch, aber ungemein schön. Das Orchester spielte atemberaubend, Gatti ließ immer wieder Nebenstimmen und Klangfiguren aus der Musik auftauchen und setzte oft melancholisches Empfinden, zwanghafte Ruhelosigkeit und alles umspannenden Optimismus neben- oder nacheinander, ohne dabei den natürlichen Fluss der Musik zu auszubremsen. Der Applaus hielt sich am Ende in Grenzen, doch die Staatskapelle und ihr neuer Chefdirigent spielten das Scherzo aus Mendelssohns „Sommernachtstraum“ als Zugabe. Und auch hier bestätigte das Orchester sein exzellentes Gespür für die deutsche Romantik. Ein rundum schöner Konzertabend, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Opernhafter Liederabend

Im Zeichen der Romantik, allerdings der russischen, stand auch das folgende Konzert mit der Sopranistin Asmik Grigorian und dem Pianisten Lukas Geniusas. Romances, also Lieder, die sich um das Thema Liebe drehen, bildeten das Programm dieses Konzerts. Ausgewählt hatte Grigorian ausschließlich Romanzen von Tschaikowsky und Rachmaninow, was dem Programm eine innere Geschlossenheit gab. Asmik Grigorian ist in erster Linie eine begnadete Opernsängerin. Mehr als sechzig Opernrollen umfasst das Repertoire der litauischen Sängerin, die seit ihrem Debüt 2004 als Desdemona in Verdis „Otello“ auf der Bühne steht.

Ihre Debüts 2017 bei den Salzburger Festspielen als Salome und 2021 als Senta im „Fliegenden Holländer“ bei den Bayreuther Festspielen machten sie zu einer der gefragtesten Sängerinnen unserer Zeit. Kürzlich wurde von Stimmproblemen berichtet und auch an diesem Konzertabend in dem Kammermusiksaal der Philharmonie schien die Sopranistin unter einer leichten Indisposition zu leiden. Trotzdem ließ sie das Publikum an einem einmaligen, wenn auch manchmal zu opernhaften Liederabend teilhaben. Ihre Stimme schien mir für diesen kleinen Saal einfach zu groß und zu laut. Mühelos hätte Grigorians wundervoller Gesang auch den großen Saal der Philharmonie ausfüllen können. Das Programm war klug ausgewählt, sechs Romanzen von Tschaikowsky und elf von Rachmaninow, wobei ihr die Lieder von Rachmaninow besonders gut lagen.

Die Sopranistin Asmik Grigorian mit dem Pianisten Lukas Geniusas
Die Sopranistin Asmik Grigorian mit dem Pianisten Lukas Geniusas Foto: Eric Engel

Wunderbare Phrasierung, eine zum großen Teil sichere Stimmführung und ein selbst in den hohen Lagen angenehmes Timbre zeichneten ihre Interpretationen aus. Dazwischen durfte auch der Pianist Lukas Geniusas sein Können zeigen. Um Asmik Grigorians große Stimme entsprechend zu begleiten, war das Klavierspiel demnach relativ kräftig und laut. Was aber an keiner Stelle störte.

Im Gegenteil, Geniusas begeisterte mit der „Humoresque“ und dem „Scherzo humouristique“ von Tschaikowsky sowie mit den Préludes Nr. 12 & 13 von Rachmaninow und empfahl sich als an diesem Abend als ein sehr interessanter Pianist. Beide Künstler erwiesen sich als bestens eingespieltes Team und der Intensität ihrer Darbietung folgten lautstarke Standing Ovations. Eine letzte Romanze von Rachmaninow gab es als Dank obendrauf.