Sonntag2. November 2025

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Erste SitzungDie neue Chamber steht – fürs Erste

Erste Sitzung / Die neue Chamber steht – fürs Erste
Die Abgeordneten im Blick: Präsident Michel Wolter und seine Stellvertreter Liz Braz und Luc Emmering Foto: Editpress/Julien Garroy

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Am dritten Dienstag nach den Wahlen tritt das neue Parlament zum ersten Mal zusammen – zur Vereidigung von 46 Abgeordneten. Präsident Michel Wolter erinnert sich an alte Zeiten und „déi gréng“ glänzen durch Abwesenheit. Eindrücke aus der Chamber. 

Michel Wolter (CSV) muss sich noch an die neue Sitzordnung in der Chamber gewöhnen. Als er am Dienstagnachmittag die erste Sitzung des Parlaments in der neuen Legislaturperiode eröffnet, wandert sein Blick von links nach rechts, hin und her zwischen den beiden Abgeordnetenbänken. Er müsse sich erst noch orientieren, wer wo sitzt, sagt Wolter. Seine Mitabgeordneten lachen. Zehn Jahre lang saßen Majorität und Opposition auf gegenüberliegenden Seiten der Chamber. Zehn Jahre Blickgewohnheit.

Wolter ist Präsident dieser ersten Sitzung der Chamber, weil er das älteste Mitglied des aktuellen Abgeordnetenhauses ist. „Nach Rang“, betont er gleich zu Beginn, „nicht nach Alter“. Neben ihm sitzen Liz Braz (LSAP) und Luc Emmering (DP), die wiederum auf Grund ihres Alters ausgewählt wurden. Sie sind die beiden jüngsten gewählten Kandidaten und leiten die Sitzung neben Wolter als Vize-Präsidenten. Die Reihen vor ihnen sind in dieser ersten Sitzung noch lückenhaft. Von den 60 Sitzen sind nur 46 besetzt.

Grüne Abwesenheit

Vierzehn gewählte Abgeordnete können an diesem Dienstag ihre Plätze im Parlament noch nicht einnehmen. Sie sind Mitglieder der geschäftsführenden Regierung. Als diese sind sie eingeladen, auf der Regierungsbank Platz zu nehmen. Dem sind acht Minister nachgekommen: Yuriko Backes, Lex Delles, Xavier Bettel, Claude Meisch und Max Hahn (alle DP), sowie Claude Haagen, Georges Engel und Paulette Lenert (alle LSAP). Neben Marc Hansen (DP) und den LSAP-Ministern Taina Bofferding, Franz Fayot und Jean Asselborn fehlt der grüne Teil der Regierung: Die scheidenden Minister Henri Kox und Claude Turmes bleiben der ersten Chamber-Sitzung ebenso fern wie die gewählten Kandidaten François Bausch, Sam Tanson und Joëlle Welfring. Der einsame „gréng“ an diesem Nachmittag ist Neu-Abgeordneter Meris Sehovic. Unterstützung erhält er von Parteichefin Djuna Bernard, die die Sitzung vom Presse- und Besucherrang verfolgt.

Auf der Regierungsbank: Yuriko Backes, Lex Delles (verdeckt), Paulette Lenert, Xavier Bettel und Claude Meisch (von links)
Auf der Regierungsbank: Yuriko Backes, Lex Delles (verdeckt), Paulette Lenert, Xavier Bettel und Claude Meisch (von links) Foto: Editpress/Julien Garroy

Am Anfang der ersten Sitzung der neuen Legislaturperiode steht traditionsgemäß eine Hommage. Im September waren drei ehemalige Abgeordnete verstorben: Marie-Thérèse Gantenbein-Koullen, Ady Jung, Camille Dimmer, alle drei waren Mitglieder der CSV. Nach einigen Worten des Gedenkens von Präsident Wolter beginnt das eigentliche politische Prozedere, die „vérification des pouvoirs“. Eine siebenköpfige Kommission muss ausgelost werden, um den rechtmäßigen Ablauf der Wahlen vom 8. Oktober zu überprüfen und festzustellen, ob alle gewählten Kandidaten alle Voraussetzungen erfüllen, um ihr Mandat antreten zu können.

Bevor er die Lose zieht, kann sich Alterspräsident Wolter eine Bemerkung zum Alter des Losgefäßes nicht verkneifen. Der Holzkelch sei auch schon seit 1984 da, seinem ersten Jahr als Abgeordneter. Die Kommission bilden: Fernand Kartheiser, Gérard Schockmel, Emile Eicher, Gusty Graas, Mars Di Bartolomeo, der den Vorsitz übernimmt, Claude Wiseler und Claire Delcourt, die zur Berichterstatterin ernannt wird. Ein Los, das Delcourt an ihrem ersten Tag in der Chamber unbedingt hatte vermeiden wollen, wie ihre Fraktionskollegin Liz Braz verrät. Viel Rampenlicht und Redezeit für den ersten Tag.

Fragen nach dem Wahlsystem

Anders als vor fünf Jahren verläuft die „vérification des pouvoirs“ in diesem Jahr ohne längere Diskussionen über mögliche Ungereimtheiten. Erwähnenswert ist jedoch der Antrag eines Bürgers, der die Wahlergebnisse angefochten hat und der von der Kommission verlesen wird. Der Antrag fordert die Annullierung der Wahl des 18. bis 21. Abgeordneten aus dem Zentrum, weil das Zentrum durch das Wahlsystem überrepräsentiert sei und der Norden und Osten dadurch benachteiligt.

Vereidigung des Vereidigers: Michel Wolter
Vereidigung des Vereidigers: Michel Wolter Foto: Editpress/Julien Garroy

Obwohl die Kommission den Antrag abweist und entscheidet, den Antragsteller nicht zu hören, weil er sich nicht auf Wahlvorgänge und Wählbarkeit, den Zuständigkeitsbereich der Kommission, bezieht (und vor der Wahl eingereicht wurde, ohne gewählte Kandidaten beim Namen nennen zu können), betont Kommissionsmitglied Kartheiser, dass es sich bei der Frage um einen politisch relevanten Punkt handle. Die Benachteiligung der Stimmen aus dem Norden und Osten sei etwas, dem man sich in der kommenden Legislaturperiode widmen müsse. Di Bartholomeo ergänzt, dass es dabei nicht nur um die Repräsentation von vier Wahlbezirken gehen sollte, sondern auch um die Frage, ob Luxemburg aus vier oder einem einzigen Bezirk bestehen sollte.

Nachdem die Wahlen vom 8. Oktober einstimmig von der Chamber validiert wurden, kann die Vereidigung der Abgeordneten beginnen. 45 gewählte Kandidaten schwören vor Präsident Wolter, die Verfassung und die Gesetze zu befolgen und ihr Amt mit Integrität, Genauigkeit und Unparteilichkeit auszuüben. Für Wolters eigene Vereidigung muss Lydie Polfer (DP) einspringen, das zweitrangälteste Mitglied des Parlaments. In seiner anschließenden Rede erinnert sich Wolter an seine erste Vereidigung vor 39 Jahren. Er habe es sich damals nicht vorstellen können, eines Tages als Alterspräsident der Chamber vorzusitzen. „It’s a lousy job“, sagt Wolter. Keiner seiner Vorgänger sei nach der Alterspräsidentschaft noch einmal in die Chamber gewählt worden.

Wolter spricht an diesem Tag viel von Herausforderungen, von einem „strukturellen Umbruch, der nicht aufzuhalten ist“. Er beklagt aber auch, dass die Politik heute getrieben sei durch die Schnelllebigkeit der Zeit. Zu Beginn seiner Parlamentskarriere im Jahr 1984 habe die erste Priorität auf der Ausarbeitung guter Gesetze gelegen, „es wurde sich mehr Zeit gelassen mit den Details“. Heute gebe es mehr Diskussionen, auch nach außen. Wolter nennt die gestiegene Zahl der „questions parlamentaires“ als Beispiel. Das sei ein politisches Instrument, das seinen Sinn verlieren würde, wenn es nicht richtig eingesetzt würde. Die Chamber müsse sich modernisieren, aber sie müsse gleichzeitig auch ihre Integrität behalten. Wolters Wunsch für die Zukunft: „Die Chamber soll sich weiterentwickeln, ohne sich dabei zu verlieren.“