Kritik als notwendiger Baustein: Ein Gespräch mit Marc Hauser von den Rotondes

Kritik als notwendiger Baustein: Ein Gespräch mit Marc Hauser von den Rotondes

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Im Zuge unserer Reihe zur Kritik hat das Tageblatt sich mit Marc Hauser unterhalten. Er verantwortet das musikalische Programm der Rotondes in Luxemburg-Stadt und organisiert unter anderem die „Congés annulés„, ein einmonatiges Festival, welches mit täglichen Abendveranstaltungen von Ende Juli bis Ende August das kulturelle Sommerloch im Land zumindest ansatzweise zu füllen versucht. Wir wollten wissen, inwiefern ihn Kritik und Pressestimmen bei der Arbeit beeinflussen.

Von Tom Haas

SERIE ZUR KRITIK

Dem Wörtchen „Kritik“ haftet ein bitterer Beigeschmack an – niemand hört gerne Kritik, denn sie bedeutet, dass man nicht alles richtig gemacht hat. Im Kontext der Kultur kann Kritik allerdings durchaus positiv sein. Sie meint hier vor allem eine Auseinandersetzung mit dem Werk eines Künstlers.

Das Tageblatt geht dem Begriff, den Formen und der Wirkung von Kritik in einer Reihe von Essays und Interviews auf den Grund.

Tageblatt: Mit den „Congés annulés“ veranstalten die Rotondes ein Festival, bei dem das Programm zielsicher am Mainstream vorbeizielt. Ist das eine Erziehungsmaßnahme für das luxemburgische Publikum oder wird die Nische um der Nische willen bespielt?

Marc Hauser: Ich bin nicht selbstgefällig genug, um ein Programm zur Erziehung des Publikums auf die Beine zu stellen. Wir legen den Fokus auf eine Nische, die sich von denen der anderen Venues in Luxemburg unterscheidet. Auch deren Booking zielt nicht auf den Mainstream ab, trotzdem ist das Interesse nicht gerade klein – wieso also sollte es bei uns anders sein? Unser Programm leistet, zusammen mit den anderen Konzertsälen im Land, einen Beitrag zur Emanzipation der luxemburgischen Musikszene.

Die Bands haben nicht unbedingt Millionen Klicks auf Spotify oder Youtube – wurden aber in der internationalen Fachpresse sehr gut aufgenommen. Hat das einen Einfluss auf das Booking?

Großen Einfluss auf unser Programm haben eher die internationalen Showcase-Festivals. Was die Musikpresse angeht – wenn diese von einer Band oder einem Künstler spricht, ist es in der Regel bereits zu spät. Das Album ist dann schon draußen. Wir versuchen hingegen, die Künstler bereits vor ihrer Veröffentlichung zu buchen, da die Touren auch im Vorfeld geplant werden. Allein mit der Presse ließe sich also wenig bewerkstelligen – allenfalls im Online-Bereich gibt es noch Publikationen, die beispielsweise auch eine Single besprechen.

Wie sehen Sie den Musikjournalismus in der luxemburgischen Presse?

Ich hatte bisher immer den Eindruck, dass die Berichterstattung sehr stark davon abhängt, wie der Verantwortliche bei der jeweiligen Zeitung seine Prioritäten setzt. Es ist weniger so, als würde eine Redaktion sich jetzt besonders hervortun. Die Fülle, aber auch die Qualität der musikjournalistischen Beiträge ist vielmehr an die Initiative und das Interesse einzelner Journalisten gekoppelt.

Haben Sie denn bereits schlechte Kritiken für Ihr Booking erhalten?

Natürlich. Eine luxemburgische Wochenzeitung hat beispielsweise bei den letzten „Congés annulés“ moniert, dass am Abend der Festivaleröffnung nicht ein einziger weiblicher Act auf der Bühne stand. Es hätte indes gereicht, sich den Rest des Festivalprogramms anzusehen, um zu sehen, dass bereits am nächsten Tag und auch im Laufe des Monats nicht wenige Frauen im Line-up vertreten waren. Die „Congés annulés“ sind nicht nur die Opening Night, sondern ziehen sich über neunundzwanzig Tage. Das fand ich etwas schade, auch wenn die Kritik generell nicht schlecht war. Ansonsten bezieht sich die Kritik meist auf die Performance der Künstler und ist naturgemäß recht subjektiv.

Am Anfang der Rotondes hagelte es noch Kritik wegen der Akustik, und das völlig zu Recht, 2015 war das Klangerlebnis hier absolut grauenvoll. (lacht) Auch die Hitze in den Räumen wird manchmal noch bemängelt, aber ansonsten stehen wir recht gut da. Ich würde mir generell allerdings eine ausführlichere kritische Berichterstattung wünschen, sowohl was uns angeht, als auch generell zur Musik in Luxemburg. Das Tageblatt ist eine der wenigen Zeitungen, die überhaupt Besprechungen von Alben veröffentlichen – das finde ich wichtig, ob es nun internationale oder auch nationale Künstler sind, die besprochen werden. Auch wenn man natürlich von dem Bewertungssystem mit den Sternchen halten kann, was man will. Es ist ein Baustein in der Gesamtheit einer musikalischen Emanzipation Luxemburgs, nicht der einzige Baustein, sicher aber ein notwendiger.