Die Kolumne von Petz Lahure: Freie Fahrt für Geraint Thomas?

Die Kolumne von Petz Lahure: Freie Fahrt für Geraint Thomas?

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Während in Luxemburg der „Erfinder“ der Pyrenäen-Etappen gefeiert wird, nehmen die Fahrer Kurs auf die Gebirgskette im Südosten Frankreichs. Echte Sieganwärter gibt es nicht mehr viele.

Albi, den 16. Juli

Für die Franzosen ist es immer wieder etwas Besonderes, wenn am Nationalfeiertag einer ihrer Landsleute das „Maillot jaune“ trägt. So auch am letzten Sonntag, als Julian Alaphilippe die „goldene Tunika“ von Saint-Etienne nach Brioude durch die Départements Loire, Puy-de-Dôme und Haute-Loire spazieren führte. Der Teamgefährte von Bob Jungels, der aus Saint-Amand-Montrond bei Montluçon stammt, Ende letzten Jahres aber ein Haus in Andorra erwarb und dort heimisch wurde, ruhte sich am Feiertag auf den Lorbeeren aus, die er und sein Landsmann Thibaut Pinot am Vorabend des „14 juillet“ ernteten. Beide sprengten das Peloton ein Dutzend km vor dem Ziel in der Côte de la Jaillère und zündeten damit ein virtuelles Feuerwerk, das die Franzosen in ein echtes Glücksgefühl versetzte.

Jakob Fuglsang meinte zwar, Alaphilippe und Pinot hätten sich im Sog eines Begleitmotorrads auf und davon gemacht, andere bemängelten, sie wären genau in dem Augenblick abgehauen, als Vorjahressieger Geraint Thomas über seinen italienischen Teamgefährten Gianni Moscon und den Kanadier Michael Woods stürzte, doch darf man dem entgegenhalten, dass alle Fahrer gewarnt waren. Alaphilippe hatte im Vorhinein angekündigt, dass er eben in der Côte de la Jaillère angreifen würde, um das „Maillot jaune“ zurückzuerobern.

Einmalig

Weil der Deceuninck-Leader sein Vorhaben in die Praxis umsetzte, durfte er als 22. Franzose am Nationalfeiertag Gelb tragen. Vor ihm schafften dies u.a. Jacques Anquetil (bei seinen 5 Toursiegen 1957, 1961, 1962, 1963, 1964), Bernard Hinault, André Leducq (beide 3 Mal), Louison Bobet und Thomas Voeckler (beide 2 Mal). Wenn vom „14 juillet“ die Rede geht, kommt Ihrem Kolumnisten mit schöner Regelmäßigkeit auch der Name Raymond Delisle (geb. am 11.3.1943 in Ancteville) in den Sinn, ein Fahrer, der in den 60er und 70er Jahren aktiv war und zwei Etappen der Tour davontrug. Beim ersten Gesamtsieg von Eddy Merckx im Jahre 1969, also vor genau 50 Jahren, gelang Delisle etwas, was bis heute von keinem Fahrer wiederholt werden konnte: Er gewann am 14. Juli die Etappe Castelnaudary-Luchon (199 km) im blau-weiß-roten Trikot des französischen Meisters.

Acht Jahre später war Delisle auch in der Skistation Pyrénées 2000 erfolgreich, dort streifte er das „Maillot jaune“ über, das er an zwei Tagen trug. Die Tour schloss er auf dem 4. Rang ab. Das Leben von Delisle, der nach seiner aktiven Laufbahn Rennräder verkaufte und sich als Hotelier in Hébévrecon (Manche) versuchte, hatte ein tragisches Ende. Im Frühjahr 2012 fiel der frühere Sportler von einer Leiter, wobei er sich verschiedene Brüche zuzog, die nie komplett ausheilten und ihn schwächten. Anderthalb Jahre später (11.8.2013) wählte Delisle den Freitod.

„Pinot noir“

Vor den Pyrenäenetappen steht die Frage im Raum, wie lange Alaphilippe das Gelbe Trikot mit Erfolg verteidigen kann (oder will). Weil der Appetit meistens während des Essens kommt, ist es keineswegs auszuschließen, dass er das Leadertrikot über den Col de Peyresourde und die Hourquette d’Ancizan hinweg bis nach Bagnères-de-Bigorre behält. In Pau aber, im Anschluss an das Einzelzeitfahren, dürfte der Oberkörper eines anderen Fahrers in Gelb erstrahlen.

In der größten Stadt des Départements Pyrénées-Atlantiques, wo die Tour de France am Freitag, 19. Juli, das 100-jährige Jubiläum des „Maillot jaune“ feiert, werden wir wohl auch erfahren, ob der andere Liebling der „Grande nation“, Thibaut Pinot, eine klitzekleine Chance auf den Gesamtsieg wahren kann. Nicht von ungefähr wird in der Tour-Karawane bei einem Einzelzeitfahren von einer „épreuve de vérité“ (Bewährungsprobe, Nagelprobe) gesprochen. Pinot, am Montagmorgen noch himmelhochjauchzend, am Abend zu Tode betrübt, ließ sich genau wie Jakob Fuglsang, Richie Porte, Rigoberto Uran oder Bauke Mollema auf dem Weg nach Albi bei einer von Julian Alaphilippe 35 km vor dem Ziel eingeleiteten „Bordure“ wie ein Anfänger „leimen“. Pech hatte dagegen Mikel Landa, der im Eifer des Gefechts ungewollt von Warren Barguil in den Straßengraben gedrückt wurde.

Während Pinot riskiert, noch vor dem ersten Pyrenäenanstieg über drei Minuten Rückstand auf Geraint Thomas zu haben, sieht der Vorjahressieger dem Härtetest vom Freitag mit Gelassenheit entgegen. Er hatte das unwahrscheinliche Glück, bei seinem Purzelbaum vom Samstag auf den Füßen zu landen und die Unfallfolgen durch instinktives Weiterlaufen zu mindern. Sollte dem Briten ein wirkliches Malheur zustoßen, stünde mit dem jungen Kolumbianer Egan Bernal gleich vollwertiger Ersatz aus dem Hause Ineos bereit.

„Ahn-sur-Tour“

Aus der Tour geht ein kurzer Gruß nach Ahn, wo heute am späten Nachmittag zu Ehren von Alphonse Steinès ein ganz spezielles Bushäuschen mit einer noch spezielleren Wartebank eingeweiht wird. Dies auf Initiative der Gemeinde Wormeldingen, des Sportministeriums und des Sportpresseverbandes sportspress.lu. Alphonse Steinès, der als Johann Stenges in Ahn geboren wurde, verdankt die Tour de France das Hochgebirge, allen voran die Pyrenäen. Mit einer Hartnäckigkeit sondergleichen sprach der Luxemburger bei Direktor Henri Desgrange vor, um die Rundfahrt spannender zu gestalten und sie auf das Abenteuer Pyrenäen einzulassen.

Erst nachdem Steinès selbst das Gebiet um den Tourmalet ausgekundschaftet hatte, willigte Desgrange ein. Dass der Luxemburger dabei in den Schneemassen fast ums Leben gekommen wäre, verschwieg er seinem Chef geflissentlich. Der Tourmalet steht am Samstag auf dem Menü der Fahrer. Ganz oben erinnert eine Gedenktafel an Steinès. Sie wurde letztes Jahr vom damaligen Sportminister Romain Schneider und Ihrem Kolumnisten enthüllt.

Joé Hansen
18. Juli 2019 - 10.54

Hallo Petz Fräi Fahrt fir den Thomas géiw ech net soën. Matfavorit secher. Mäin Geheimfavorit ass a bleiwt den Thibaut Pinot, obschon en onnetz Zäit verlor huet an der "Bordure". Ganz interessant deng Anekdot iwer den Alphonse Steinès mat enger typescher Petz Iwerschrëft "Ahn-sur-Tour",bravo Petz. Nach flott Deg am Tour mat spannenden Etappen. Joé