Taverne Victor HugoDie Geschichte eines Traums: Zwei Frauen machen ihn wahr 

Taverne Victor Hugo / Die Geschichte eines Traums: Zwei Frauen machen ihn wahr 
Susanna Azevedo (42) und Tania Guillot (36) in ihrer Taverne in Altwies Foto: Editpress/Claude Lenert 

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Das „Victor Hugo“ ist ein Lebenstraum. In ihrer Heimat scheint es unmöglich, in Luxemburg gehen Tania Guillot (36) und Susanna Azevedo (42) es an. Sie eröffnen eine Taverne und gewinnen sogar einen Preis. 

Victor Hugos Liebe zu Luxemburg ist überliefert. Fünfmal besucht der französische Literat das Land. Seinen Notizbüchern vertraut er 1871 an, dass er sich an Altwies hätte gewöhnen können, so wohl hat er sich dort gefühlt. Den Gästen der Taverne geht es heute ähnlich, wenn nicht gar genauso, und dies ist im Sinne der beiden Betreiberinnen. Das „Victor Hugo“ verströmt Wohnzimmercharme, die Einrichtung ist einfach, die Karte portugiesisch. „Es war unser Herzenswunsch, irgendwann mal unser eigener Chef zu sein“, sagt Tania Guillot (36). Susanna Azevedo (42) nickt. „Davon haben wir lange geträumt.“

Der Traum ist älter als ihre Immigration nach Luxemburg. Die beiden Frauen stammen aus Portugal, leben ganz andere Zusammenhänge. Sie arbeiten im überwiegend landwirtschaftlich geprägten Zentrum des Landes – weitab der üblichen Touristenrouten entlang der Küste. Susanna baut in einem Zuliefererbetrieb der Automobilindustrie als Arbeiterin Plastikteile für Volkswagen oder Renault zusammen. Tania arbeitet in der Gastronomie, leitet ein Team von zwölf Mitarbeitern bei Ibersol, einer auf Fastfood spezialisierten Gastronomiekette. Für portugiesische Verhältnisse geht es ihnen gut. „Der Mindestlohn liegt bei ungefähr 580 Euro im Monat“, erzählt Tania. Beide verdienen mehr und wenn sie nicht arbeiten, träumen sie schon damals von einem eigenen Restaurant. „Als Arbeiterin habe ich Geld zum Leben verdient“, sagt Susanna. „Meine wahre Leidenschaft aber ist das Kochen.“

Die Krise in der Heimat verändert alles 

Die Krise von 2011 in Portugal bringt den Traum der Realität näher – wenn auch auf Umwegen. Das Land steht vor der Staatspleite, Internationaler Währungsfonds (IWF) und die EU gewähren ein Rettungspaket. In der Folge erhöht die portugiesische Regierung die Mehrwertsteuer um 10 auf 23 Prozent. Ein wegbrechender Mittelstand, Korruption und hohe Preise verschlechtern die Lage. „Was hätte meine Tochter in Portugal für eine Zukunft gehabt?“, sagt Tania. Susanna ist Mutter von zwei Kindern und denkt dasselbe. Angesichts der Perspektivlosigkeit verlassen beide das Land, Tania 2013 und Susanna 2010, Richtung Luxemburg – unabhängig voneinander, sie kennen sich nicht. Sie sind nicht die einzigen. Laut Spiegel-Informationen kehren damals 150.000 Portugiesen ihrer Heimat den Rücken. „Die Menschen dort leben nicht, sie überleben“, sagt Tania.

Der Neustart ist holprig. Susanna bildet sich weiter, arbeitet in einem Restaurant. Tania schlägt sich mit Jobs in der Gastronomie durch. In einem Mondorfer Café lernen sie sich kennen und spüren, sie wollen das Gleiche. Als sie erfahren, dass das „Victor Hugo“ frei wird, greifen sie zu. Das war 2018. „Wir können uns aufeinander verlassen“, sagt Tania. „Und ohne Susanna hätte ich mir das nicht vorstellen können.“ Finanzielle Starthilfe kommt von Microlux. Das Institut fördert Kleinstunternehmen.

Ein Stück typisches Portugal 

Mittlerweile ist die Taverne Heimat für viele portugiesische Arbeiter. „Wir wollen, dass sie sich wie bei der Familie zu Hause fühlen“, sagt Tania. Die Klientel ist da. 900 Portugiesen leben nach Angaben der Gemeinde in Mondorf. Alle anderen Gäste erleben in Echtzeit ein Stück „typisches“ Portugal.

Die beiden Frauen beeindrucken. Vier Minuten Zeit haben sie irgendwann, vor einer Jury ihren „Traum“ zu präsentieren. „Die Brasserie Victor Hugo ist die Geschichte der Freundschaft zweier Frauen, die den Mut hatten, ihren Traum zu realisieren“, wird der „Social Responsibility“-Managerbeim Foyer, Peter Vermeulen, eineinhalb Jahre nach der Eröffnung sagen. Anfang 2020 nehmen die zwei den Mikrofinanz-Preis der Versicherung entgegen. Er ist mit 2.600 Euro dotiert. Und was haben sie damit gemacht? „Wir haben die TVA bezahlt“, sagt Tania und muss lachen. Genau diese Steuer hat sie dahin gebracht, wo sie jetzt sind.

Foyer-Gruppe 

Der Gewinn nach Steuern der Gruppe in 2018 – das sind die letzten verfügbaren Zahlen – betrug 94,8 Millionen Euro. Im Geschäftsbericht für 2018 findet sich kein einziges Kapitel über die Kosten des Engagements im Bereich „Corporate Social Reponsibility“. Die Foyer-Gruppe hält 25 Prozent der Anteile an „Microlux“.