Mittwoch12. November 2025

Demaart De Maart

Iranisches Atomprogramm„Die Gefahr ist nicht gebannt“, sagt der luxemburgische Kernphysiker Max Schalz

Iranisches Atomprogramm / „Die Gefahr ist nicht gebannt“, sagt der luxemburgische Kernphysiker Max Schalz
Der Oberkommandierende der iranischen Streitkräfte, Amir Hatami (M.) macht sich im Kommandoraum der iranischen Armee ein Bild der Lage  Foto: AFP/Iranian Army Media Office

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Inwieweit wurden die Fähigkeiten des Iran beeinträchtigt, eine Atombombe zu bauen, was ist mit dem angereicherten Uran passiert und wird das Regime in Teheran nun davon absehen, eine Atombombe zu bauen? Über diese Fragen sprach das Tageblatt mit dem Luxemburger Max Schalz, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe zu nuklearer Verifikation und Abrüstung der RWTH Aachen.

Einstweilen schweigen die Waffen zwischen Israel und dem Iran und offensichtlich sehen auch die USA derzeit keinen Grund mehr, den Iran weiter anzugreifen. Doch nach den massiven Angriffen auf die Einrichtungen des iranischen Atomprogramms bleibt vieles ungeklärt. „Man weiß vieles nicht, das ist sicher“, hält Max Schalz fest und meint, man könne davon ausgehen, dass bei den großen Anreicherungsanlagen vieles zerstört wurde. Allerdings ließe sich nicht einschätzen, inwieweit. „Das wissen nur extrem wenige Personen.“ Die große Frage sei vielmehr, was alles nicht zerstört wurde.

Sicher ist: Der Iran verfügte vor den Angriffen durch Israel und den USA unter anderem über mindestens 400 Kilogramm Uran, das zu 60 Prozent angereichert war. Das habe selbst die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) bestätigt, so der luxemburgische Kernphysiker. Mit der IAEA stand Teheran noch immer in Kontakt. Denn nachdem US-Präsident Donald Trump während seines ersten Mandats 2018 den Ausstieg der USA aus dem von europäischen Staaten ausgehandelten Atomabkommen mit dem Iran vollzogen hatte, informierten die Iraner dennoch weiterhin die IAEA über jene Elemente des Abkommens, die sie nicht mehr einhalten würden. Sie hätten in gewisser Weise „transparent Sachen gebrochen“, meint Max Schalz. Womit die Iraner offensichtlich darlegen wollten, dass sie weiter offen über ihr Atomprogramm sprechen, aber sich nicht mehr an das von Trump gekündigte Abkommen gebunden fühlten.

Die 400 Kilogramm hochangereichertes Uran könnten in Metallflaschen ähnlich wie den Sauerstoffflaschen von Tauchern gelagert werden. 20 bis 40 solcher Flaschen sollten für die vorhandene Menge an angereichertem Uran reichen, so der Kernphysiker weiter. Die könnten dann einfach mit Lieferwagen oder Lastwagen abtransportiert werden. Wo die 400 Kilogramm nun sind, ist nicht klar. Die IAEA dürfte demnächst nachfragen, wo sich das Material befindet. Wie es dann weitergeht, hängt davon ab, ob der Iran den Verbleib des Urans offenlegt oder nicht. Das dürfte ein wichtiger Teil kommender Verhandlungen sein, die der Iran nach Angaben seines Präsidenten Massud Peseschkian vom Dienstag wieder aufnehmen will.

Nur noch „ein Katzensprung“

Ob die Iraner das angereicherte Material aus den unterirdischen Anlagen evakuiert haben, ist allerdings unklar. Sicher aber ist, dass sie die Tunneleingänge zumindest in Isfahan, aber vermutlich auch in Fordo, wo sich jeweils große atomare Anlagen befinden, vor den Angriffen mit Sand zugeschüttet hatten. Allerdings sind die Zentrifugen zur Herstellung von angereichertem Uran sehr empfindlich. Dass durch die Angriffe auf die Anlagen „signifikanter Schaden entstanden ist, davon kann man sicher ausgehen“, sagt der Kernphysiker. Allerdings ist nicht bekannt, was nicht zerstört wurde. Ebenfalls unklar ist, wie viel Ersatzmaterial den Iranern verblieben ist. Es gebe die Annahme, dass sowohl weitere unterirdische Produktionsstätten für Zentrifugen als auch Operationsstätten von Zentrifugen bestehen könnten.

„Das ist eine extrem wichtige Frage“, erklärt Max Schalz weiter. Wohl könne bereits zu 60 Prozent angereichertes Material zum Bau einer rudimentären Atombombe genutzt werden. Viel wichtiger jedoch sei der Umstand, dass die Anreicherung von 60 auf 90 Prozent eigentlich nur „ein Katzensprung“ sei, im Vergleich zum Anfangsprozess der Urananreicherung. Denn um von natürlichem Uran (0,7 Prozent) auf 60 Prozent angereichertes Uran zu kommen, müssten mehr als 90 Prozent des Gesamtaufwands aufgebracht werden. Im Atomabkommen mit dem Iran war festgelegt worden, dass die iranischen Wissenschaftler Uran nicht über den Schwellenwert von 3,67 Prozent anreichern dürften.

Der Kernphysiker aus Luxemburg gibt allerdings zu bedenken, dass es wiederum ein eigener Schritt ist, aus angereichertem Uran einen Atomsprengkopf zu bauen. Im März noch hatte der US-Geheimdienst CIA vermeldet, keine Informationen darüber zu haben, dass der Iran in den Prozess der „Umwandlung zur Waffe“ (engl.: Weaponization) des angereicherten Urans eingestiegen sei. Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte jedoch erklärt, dass seine Geheimdienste über entsprechende Erkenntnisse verfügten.

Atomprogramm nicht zerstört, nur verzögert

Nun wird es unter anderem darauf ankommen, ob und inwieweit der Iran weiter mit der IAEA kooperiert. Es gibt die Vermutung, dass der Iran stückweise aus dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons, NPT) austreten könnte. Immerhin hat sich das iranische Parlament am Mittwoch für eine Aussetzung der Zusammenarbeit mit der IAEA ausgesprochen. Erst seit 2003 ist bekannt, dass es ein atomwaffenfähiges Programm im Iran gibt. Mit dem Iran-Abkommen 2015 wurden wesentlich strengere Kontrollen als in anderen NPT-Ländern vereinbart.

Trump beharrte am Mittwoch darauf, dass mit den US-Angriffen die iranischen Atomanlagen „vollständig“ zerstört worden seien und das iranische Atomprogramm um „Jahrzehnte“ zurückgeworfen worden sei. An dieser Darstellung hätten Medienberichten zufolge vertrauliche US-Geheimdienstberichte große Zweifel aufkommen lassen.  

Es könnte sein, dass wir uns jetzt trotz der Attacken in einer schlechteren Situation befinden, als während der Zeit von 2015 bis 2018, als der Iran-Deal noch funktionierte

Max Schalz, luxemburgischer Kernphysiker

„Mit der heutigen Situation ist die Gefahr, dass der Iran eine Atombombe baut, nicht auf eh und je gebannt“, warnt denn auch Max Schalz. Es sei davon auszugehen, dass mit den getöteten iranischen Atomwissenschaftlern nicht die einzigen Personen getötet worden seien, die wüssten, wie eine Atombombe gebaut wird. Vermutlich sei das iranische Atomprogramm sogar nur kurz- bis mittelfristig verzögert worden. Er gehe davon aus, dass die atomaren Ambitionen des Regimes mit militärischen Mitteln weniger eingeschränkt worden seien, als es das Iran-Abkommen hätte tun können, so der Kernphysiker. Es habe im Abkommen verschiedene Restriktionen gegeben, die bis zu zehn oder 15 Jahre unter anderem die iranische Urananreicherung und damit die Fortschritte für den Bau einer Atombombe einschränkten. 

Nicht gut für Prozess der Nichtverbreitung

Der Luxemburger Max Schalz arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe zu nuklearer Verifikation und Abrüstung an der RWTH Aachen
Der Luxemburger Max Schalz arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe zu nuklearer Verifikation und Abrüstung an der RWTH Aachen Foto: Nicolai Platzen

Nach den Angriffen der USA und Israel könne zudem nicht eingeschätzt werden, wie lange der Iran noch brauchen würde, um noch vorhandenes angereichertes Uran mit möglicherweise noch funktionierenden Zentrifugen bis zu 90 Prozent und mehr anzureichern. Unter dem damaligen Atom-Abkommen hätte dies frühzeitig festgestellt werden können, jetzt eben nicht mehr. „Es könnte sein, dass wir uns jetzt trotz der Attacken in einer schlechteren Situation befinden, als während der Zeit von 2016 bis 2018, als der Iran-Deal noch funktionierte“, findet Max Schalz. Dieses Abkommen sei vielleicht nicht perfekt gewesen, doch zu jener Zeit das Beste, was die Verhandler hätte rausschlagen können.

„Im Vergleich von vor zwei Wochen wurde das Programm vielleicht signifikant beeinträchtigt. Das Problem ist allerdings sicherlich nicht aus der Welt geschaffen“, fasst Max Schalz die Lage zusammen. Im Gegenteil: Der Kernphysiker will nicht ausschließen, dass die Angriffe der Israelis und der USA den Iran darin bestärkt haben, doch noch Atombomben zu bauen.

Schließlich seien die jüngsten Ereignisse nicht gut für den Prozess der Nichtverbreitung von Atomwaffen, findet Max Schalz. Es habe eine diplomatische Lösung gegeben, die jedoch aufgekündigt und durch eine vermutlich schlechtere Lösung ersetzt wurde. 

Reinertz Barriera Manfred
26. Juni 2025 - 9.50

Es besteht kein Zweifel daran dass die Angriffe der Israelis und der USA den Iran darin bestärkt haben, dass es Atombomben bauen muss um in Ruhe gelassen zu werden, so wie auch Israel schon über mehrere Atombomben verfügt nach Meinung der Experten....un niemand deshalb auch so einfach Israel angreifen kann, auch nicht Iran egal was Netanyahu so von sich gibt..seit Jahrzehnten schon!! er ist ein warmonger ....