G7-GipfelDie G7 wollen ein starkes Signal gegen Putins Krieg in der Ukraine setzen – der reagiert auf seine Art

G7-Gipfel / Die G7 wollen ein starkes Signal gegen Putins Krieg in der Ukraine setzen – der reagiert auf seine Art
„Wir müssen zusammenbleiben“: Die G7-Vertreter vor den Pressefotografen Foto: AFP/Kerstin Jénssen

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Vor der Kulisse der bayrischen Alpen wollen die G7 ein starkes Signal gegen Putins Krieg in der Ukraine setzen. Der reagiert auf seine Art. Boris Johnson vergehen die Sprüche trotzdem nicht.

Olaf Scholz steht allein im Schlossgang. Der deutsche Kanzler wartet auf den prominentesten Gast beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau: US-Präsident Joe Biden. Dieser war schon am Vorabend eingetroffen, doch erst am Sonntagmorgen steht ein bilaterales Treffen zwischen den beiden auf dem Programm. Scholz geht etwas nervös auf und ab. Dann kommt der Präsident. Und startet das Treffen gleich mit einem Kompliment: „Sie haben einen unglaublichen Job gemacht“, sagt Biden. „Ich möchte Ihnen dafür danken.“ Der US-Präsident betont: „Wir müssen zusammenbleiben.“ Der russische Präsident Wladimir Putin habe damit gerechnet, dass die G7 und die NATO gespalten würden. Das sei nicht geschehen und werde auch nicht geschehen. Biden legt Scholz den Arm mal auf den Rücken, mal auf den Arm. „Danke, danke, danke“, sagt der US-Präsident. Scholz strahlt.

Kurze Zeit später verlassen er und seine Frau Britta Ernst das Hotel. Sie empfangen die anderen Gäste einzeln vor der Bergkulisse am roten Teppich für einen Fototermin. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kommt zu ihnen, allerdings ohne ihren Mann, der mit einer Corona-Infektion zu Hause bleiben musste. Der britische Premier Boris Johnson stürmt mit seiner Frau nach draußen, zieht sie beinahe die wenigen Stufen hinab. Ganz anders: Justin Trudeau, der kanadische Premier. Er lächelt, läuft lässig, grüßt unterwegs die Fotografen, auch US-Präsident Joe Biden kommt mit makellosem Lächeln den Teppich entlang.

„Danke, danke, danke“: Joe Biden und Olaf Scholz vor der Bergkulisse
„Danke, danke, danke“: Joe Biden und Olaf Scholz vor der Bergkulisse Foto: AFP/Leonhard Föger

Als Letztes kommt Emmanuel Macron gemeinsam mit seiner Frau Brigitte aus dem Hotel. Sie scherzen zusammen mit Scholz und Ernst auf dem Weg zur ersten kurzen G7-Gesprächsrunde. Unmittelbar daneben: Die berühmte Bank, auf der 2005 der damalige US-Präsident Barack Obama mit ausgebreiteten Armen saß und eine angeregt gestikulierenden Kanzlerin Angela Merkel lauschte, die vor ihm stand. Jetzt bleibt sie leer.

Es geht harmonisch zu bei diesem Gipfelauftakt. Und trotz der schweren Krisen, über die es zu sprechen gilt, fehlen kleine Witzeleien am Rande auch nicht. Es ist heiß am Berg. „Jacken an? Jacken aus?“, fragt der britische Premierminister Johnson. Trudeau schlägt vor, bis zum wichtigsten Bildtermin, dem traditionellen „Familienfoto“, der Runde zu warten. Doch Johnson insistiert: „Wir müssen zeigen, dass wir stärker als Putin sind.“ Trudeau hakt da ein und witzelt, die Runde solle sich wie Putin 2009 beim „Reiten mit nacktem Oberkörper“ ablichten lassen. Ohne offenbar auf die Bekleidungsfrage einzugehen, sagt darauf EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die eine leidenschaftliche Reiterin ist: „Reiten ist das Beste.“ Johnson lässt aber nicht locker und fordert: „Wir müssen ihnen unsere Bauchmuskeln zeigen.“ Alle strahlen, die Stimmung ist nach den ersten Arbeitssitzungen gut.

Gute Stimmung, schlechte Weltlage

Die Weltlage ist es nicht, die Nachrichten am Morgen aus der Ukraine sind erschütternd. Erstmals seit drei Wochen war die ukrainische Hauptstadt Kiew von der russischen Armee wieder mit Raketen beschossen worden. Nach massiven Raketenangriffen in vielen anderen Regionen gab es am Sonntagmorgen auch in der Millionenmetropole mehrere Explosionen. Getroffen wurden auch ein neunstöckiges Wohnhaus und das Gelände eines Kindergartens. Die Behörden meldeten mindestens einen Toten sowie Verletzte. Zuvor war es Russland nach wochenlangem Kampf schon gelungen, die Großstadt Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine unter Kontrolle zu bringen.

Scholz geht am Mittag bei einem Statement auf die neuen Angriffe ein: „Dass es ein brutaler Krieg ist, den Putin führt, haben wir jetzt wieder mitbekommen, mit Raketenangriffen auf Häuser in Kiew“, sagt Scholz. „Das zeigt, dass es richtig ist, dass wir zusammenstehen und die Ukrainerinnen und Ukrainer dabei unterstützen, ihr Land, ihre Demokratie und auch ihre Freiheit auf Selbstbestimmung zu verteidigen“, so der Kanzler. Man könne sicher sagen, dass Putin nicht damit gerechnet habe und ihm die große internationale Unterstützung für die Ukraine, aber natürlich auch der Mut und die Tapferkeit der Ukrainerinnen und Ukrainer bei der Verteidigung ihres Landes, unverändert Kopfschmerzen bereiten, sagt Scholz. Am Morgen hatte man sich im Kreise der G7 bereits auf ein Importverbot für russisches Gold geeinigt.

Sonst selten einer Meinung: Emmanuel Macron und Boris Johnson vor ihrem bilateralen Gespräch
Sonst selten einer Meinung: Emmanuel Macron und Boris Johnson vor ihrem bilateralen Gespräch Foto: AFP/Benoît Tessier

Proteste am Rande des Gipfels bleiben weitgehend friedlich – und kleiner als erwartet. Rund 800 Demonstranten kommen am Sonntag in Garmisch-Partenkirchen zusammen, eine Straße ist vorübergehend gesperrt, Hubschrauber fliegen deswegen vermehrt zwischen dem Schloss Elmau und dem rund sieben Kilometer entfernten Garmisch hin und her. Es dröhnt im Tal, Ausschreitungen bleiben jedoch aus. Scholz setzt an diesem ersten Tag auf ein Signal der Geschlossenheit. Die Jacken haben die Staats- und Regierungschefs dann doch zumeist angelassen.

Am Montag wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj per Video zum Gipfel zugeschaltet, um an den Beratungen teilnehmen zu können. Dann wird er noch einmal seine Wünsche an den Westen formulieren.

G7-Gipfel: Vorhaben und Beschlüsse

Das G7-Treffen der führenden demokratischen Wirtschaftsmächte im bayrischen Elmau dauert noch bis Dienstag. Einiges wurde bereits beschlossen, anderes könnte folgen – ein Überblick.
Gold-Embargo gegen Russland: Kurz vor Gipfel-Beginn verkündet Biden per Twitter, dass die G7-Staaten ein Importverbot für Gold aus Russland erlassen werden. Ein US-Regierungsmitarbeiter sagt, Gold sei für Russland nach Energie das zweitwichtigste Exportgut. „Damit wird Russland weiter von der Weltwirtschaft isoliert.“
Geld und Waffen für die Ukraine: „Die Ukraine braucht mehr und wir sind entschlossen, mehr zu liefern“: Mit diesem Versprechen ging EU-Ratspräsident Charles Michel in die Gipfel-Beratungen. Konkrete Ankündigungen gab es allerdings am Sonntag weder von ihm noch von anderen G7-Teilnehmern. So blieb beispielsweise unklar, ob die EU im Juni wie in den Vormonaten 500 Millionen Euro für Waffenlieferungen an die Ukraine zur Verfügung stellen wird.
Marshall-Plan für die Ukraine: Der deutsche Kanzler Olaf Scholz will in Elmau für ein langfristiges Hilfsprojekt werben: einen „Marshall-Plan“ für den Wiederaufbau der kriegszerstörten Ukraine. Mit einem solchen Plan halfen die USA zwischen 1948 und 1952 Deutschland und anderen europäischen Staaten, nach sechs Jahren Krieg wieder auf die Beine zu kommen.
Öl-Preisdeckel gegen russische Profite: Ein Vorschlag der USA sieht vor, Russland dazu zu zwingen, Öl künftig für einen deutlich niedrigeren Preis an große Abnehmer wie Indien zu verkaufen. Dies könnte funktionieren, indem der Westen Dienstleistungen wie Versicherungen für Öltransporte an die Einhaltung des Preisdeckels knüpft. Mit der Obergrenze soll einerseits dafür gesorgt werden, dass Russland nicht länger von Preisanstiegen auf dem Energiemarkt profitiert. Anderseits soll sie weltweit zu einer Entspannung auf den Ölmärkten beitragen. Nicht nur in der EU, sondern auch in den USA sind die hohen Spritpreise derzeit ein großes Thema.
Die neue globale Infrastruktur-Initiative der G7: Sie soll nach den Worten von US-Präsident Joe Biden ein Volumen von insgesamt 600 Milliarden Dollar umfassen. Allein die USA würden davon 200 Milliarden Dollar an öffentlichen und privaten Mitteln bereitstellen, sagt Biden auf Schloss Elmau. Geplant seien unter anderen Investitionen in das Gesundheitssystem und in die digitale Infrastruktur sowie Klima und Energie. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigt an, dass das „Team Europe“ 300 Milliarden Euro als Beitrag bereitstellen wird. Diese Summe an staatlichem und privatem Geld sei bis 2027 vorgesehen, sagt von der Leyen. (AFP, Reuters)

w.d.
27. Juni 2022 - 14.48

Ein starkes Signal wäre gewesen, Russland ein Gesprächsangebot zu unterbreiten! Aber diesen Konflikt weiterhin zu befeuern, halte ich für ein total falsches Signal. Das sehen die Damen und Herren vom G7 wahrscheinlich genauso, weshalb man die Einsatzstärke der NATO Eingreiftruppe nun auf 300 000 erhöhen will. Besser ist besser, zumal die Provokationen von der EU/ US Seite einfach nicht enden wollen. Siehe Blockieren der Zinszahlungen, die Russland zahlen will und kann, die aber blockiert werden! Würde man denn die Roten Linien Russlands auch anerkennen, dann hätten wir das kriegerische Problem Ukraine nicht.

Jules
27. Juni 2022 - 11.35

Wiederum ausser Spesen nix gewesen.