Die Eisenbahn im Garten: Wie sich ein Liebhaber aus Luxemburg zu Hause eine Feldbahn einrichtete

Die Eisenbahn im Garten: Wie sich ein Liebhaber aus Luxemburg zu Hause eine Feldbahn einrichtete

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Von Kindesbeinen an begeistert sich Marcel B. (61) aus Dahl für alles, was auf Schienen fährt. So sehr, dass er eine voll funktionstüchtige Feldbahn in seinem eigenen Garten eingerichtet hat. Seit über 20 Jahren sammelt der gelernte Bergbauingenieur alte Lokomotiven und Güterwagen, die einst zum Rohstofftransport in Steinbrüchen, Bergwerken oder Weinbergen eingesetzt wurden, und bringt sie eigenhändig wieder auf Vordermann. Über einen Nostalgiker mit einer außergewöhnlichen Leidenschaft.

Von Steve Peffer

Schraubenschlüssel, Zangen und Sägen in allen Größen hängen an den Wänden und von der Decke, die Werkbank ist übersät mit allerlei Geräten und auf dem Boden stehen Kisten und Farbeimer. Ein fast gewöhnliches Atelier, wären da nicht ein Paar Stahlgleise, die eine Schneise durch den Raum ziehen. Es ist einer von zwei Lokschuppen, in denen Marcel B. nicht nur eine beachtliche Vielfalt an Werkzeugen, sondern auch seine zehn Lokomotiven, drei Schienenfahrräder, ein Schienenmotorrad und mehrere Loren untergebracht hat. In der Scheune der alten Dorfschmiede, die Marcel mit seiner Frau bewohnt, hätte ursprünglich ein Wohnzimmer entstehen sollen. Doch der Zufall hatte die Weichen umgestellt.

„An einem Tag im April 1996 fuhr ich am Förderturm der ehemaligen Schiefergrube in Martelingen vorbei und sah mir das verlassene Gelände aus Neugier genauer an. Da fielen mir sofort Überreste einer kleinen Grubenbahn ins Auge“, erinnert sich Marcel. Es war wie Liebe auf den ersten Blick und so machte er sich gleich auf die Suche nach dem Besitzer.

 

Die Bahn im Blut

Marcels großes Interesse an der Eisenbahn rührt nicht von irgendwo her. Die Saat dafür wurde bereits in seiner Kindheit gelegt und zugleich der Kurs für sein ganzes Dasein gesetzt. Marcel erzählt: „Züge spielten schon immer eine Rolle in meinem Leben. Als kleiner Junge bin ich immer mit dem Zug zu meinen Großeltern gefahren, da meine Eltern kein Auto besaßen. Mit meinem Großvater besuchte ich oft die ehemalige Bergarbeitersiedlung in Fond-de-Gras, wo wir mit zurückgelassenen Minenwaggons spielten. Damals standen die haufenweise dort herum.“ Besonders angetan hatte es ihm jedoch ein historischer Schatz, der in Fond-de-Gras versteckt war. „In einer kleinen Werkstatt unterhalb des Lokals ‚Bei der Giedel‘ befand sich ein wunderschönes altes Dampfross. Das Atelier ist mittlerweile in Schutt und Asche, aber die Lok wurde inzwischen restauriert und fährt heute auf der Minièresbunn.“ Seine Faszination für die Eisenbahn führte ihn zur CFL, wo er als Ingenieur Karriere machte.

Zurück ins Jahr 1996. Nur Wochen nach seiner Entdeckung in Martelingen wurden er und der Besitzer handelseinig und Marcel nahm zwei Loren, unter Kennern „Buggies“ genannt, sowie eine Weiche mit nach Hause. Diese wurden zum Grundstein des heute etwa 200 Meter langen Feldbahnnetzes, das sich halbkreisförmig um das Haus des Rentners schlängelt. Die Schienen für die Gleise bezog Marcel aus allen Ecken des Landes. Seine ersten Teile erwarb er bei einer Gipsfabrik in Walferdingen, weitere wurden mitten in der Wildnis aus wucherndem Gebüsch freigeschnitten und andere wiederum erhielt er im Tausch gegen zwei Kisten Bier, nachdem sie in der alten Scheune eines Freundes als Deckenträger gedient hatten. Mit der Hilfe des Vaters seiner früheren Lebensgefährtin (†) verlegte er die Schienen und Weichen von Hand und befestigte sie auf Holz- oder Eisenschwellen. Der letzte Streckenabschnitt wurde erst kürzlich fertiggestellt.

Des Sammlers Stolz

Die erste Lokomotive, die sich Marcel in den Garten holte, war eine Diesellok des Herstellers Moës aus dem Jahr 1954, die zuvor in einer Ziegelei im belgischen Overijse gedient hatte. Mittlerweile umfasst seine Sammlung zehn Diesel-, Elektro-, und Dampfmaschinen. Nur vier davon sind aktuell fahrtüchtig. Die beiden Dampfloks ließ sich Marcel bauen, jedoch verstarb der Konstrukteur, bevor die zweite Maschine vollendet werden konnte. Die Frage, ob er denn eine Lieblingslokomotive habe, verneint er.

Allerdings sticht eine aufgrund ihrer Anschaffungsgeschichte besonders hervor. „Das beste Geschäft meines Lebens machte ich mit einem Zuhälter aus dem Ruhrgebiet. Von ihm habe ich meine gelbe AEG-Elektrolok aus dem Steinkohlebergwerk Emile Mayrisch des Eschweiler Bergwerksvereins bei Aachen.“ Dass dieser Zuhälter, der übrigens Sammler von Feuerwehrfahrzeugen war, eine Lokomotive verkaufte, erfuhr Marcel über eine Kleinanzeige in einer Zeitschrift. Er hatte Glück, denn der Verkäufer kam kurz darauf wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis und die Halle, in der sich die Lokomotive befand, wurde mitsamt Inhalt vom Gerichtsvollzieher beschlagnahmt. Auf Zubehör wie Ladekabel und diverse Einzelteile musste Marcel bis nach der Entlassung seines Handelspartners warten.

Abgesehen von seinem Hobby bietet Marcels Feldbahn ihm auch einen praktischen Nutzen. In den Loren lagert er nämlich Kaminholz und dieses fährt er mit dem Zug bis vor sein Haus. Das Fahren mit seinen Lokomotiven ist allerdings nur ein Nebenvergnügen. „Was mir am meisten Spaß macht, ist die Restaurierung. Wenn ich mit einer Maschine fertig bin, dann ist die wieder wie neu“, erläutert der Ingenieur stolz. Dabei wird diese bis auf die letzte Schraube auseinandergenommen und jede einzelne Komponente gereinigt. Manchmal müssen auch Ersatzteile her. Zum Schluss verpasst er dem Zug einen frischen Anstrich.

Eine vollständige Instandsetzung kann bis zu einem Jahr in Anspruch nehmen, aber er hat es ohnehin nicht eilig. Gerade ist er dabei, seine Wismut-Akkulok aus Sachsen wieder auf Vordermann zu bringen. „Die müsste vor Jahresende wieder laufen“, so Marcel zuversichtlich. Damit hätte er dann fünf fahrtüchtige Lokomotiven. Ob er bereits eine Neuanschaffung im Blick hat? „Nein, ich bin zufrieden mit dem, was ich habe. Und damit habe ich noch Arbeit genug“, lacht er.