Dienstag9. Dezember 2025

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Interview mit Carole LorangDie Direktorin des Escher Theaters startet mit Spiel- und Tanzabenden in ihre siebte Saison

Interview mit Carole Lorang / Die Direktorin des Escher Theaters startet mit Spiel- und Tanzabenden in ihre siebte Saison
Leitet seit sieben Saisons das Escher Theater: Carole Lorang Foto: Editpress/Julien Garroy

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Spieleabend, Sonntagstisch, Gesangsatelier: Was nach privater Agenda klingt, ist 2025/26 im Escher Theater Programm. Ein Theater auf Abwegen? Direktorin Carole Lorang verrät, was es mit den Events auf sich hat.

Tageblatt: Carole Lorang, die Saison 2025/26 ist die siebte Saison, die Sie im Escher Theater kuratieren – das verflixte siebte Jahr, wie es im Volksmund heißt.

Carole Lorang: Mir kam der Spruch auch in den Sinn. (lacht)

Brechen Sie jetzt mit dem Escher Theater?

Nein, aber natürlich blicke ich zurück und weiß, was uns noch bevorsteht. Ich bin stolz auf das, was wir schon erreicht haben. Die Saison 2025/26 ist meine erste Spielzeit ohne Großbaustellen.

Sie traten Ihr Amt kurz vor der Pandemie an.

Ja, zur Spielzeit 2019/20. Die Welt war im Ausnahmezustand. Ich war die ersten Jahre damit beschäftigt, das Publikum zurückzugewinnen, das Theater in eine neue Richtung zu lenken. In demselben Zeitraum fand das Kulturjahr Esch2022 statt, genauso wie die Renovierungen im Ariston. Das Personal wurde aufgestockt, bald eröffnen wir das Café „La Souffleuse“ im Obergeschoss des Escher Theaters. Gleichzeitig erhalten wir immer mehr Anfragen von außen: Vereine wollen unsere Räumlichkeiten nutzen; Bildungseinrichtungen greifen auf unser Kulturvermittlungsangebot zurück; die verschiedenen Dienststellen der Gemeinden kooperieren mit uns. Das ist schön und wir versuchen dem gerecht zu werden, doch wir werden mit Arbeit überrollt.

Auf der Bühne: Carole Lorang, Direktorin des Escher Theaters, über die neue Theatersaison
Auf der Bühne: Carole Lorang, Direktorin des Escher Theaters, über die neue Theatersaison Foto: Editpress/Alain Rischard

Zusätzlich stellen Sie Saison für Saison ein Programm auf die Beine. Was ist in der Spielzeit 2025/26 das Leitmotiv?

Die Zugänglichkeit. Nicht für alle ist der Theaterbesuch eine Selbstverständlichkeit. Wir wollen den Menschen vermitteln, dass das Theater mehr ist als eine Bühne: Es ist ein Ort, an dem wir gemeinsam Zeit verbringen können. Aus dem Grund führen wir auch den „Sonndesdësch“ fort. In der Spielzeit 2024/25 luden wir an ausgewählten Sonntagen zum gemeinsamen Kochen und zum Austausch mit Künstlerinnen und Künstlern ein. Das Projekt wurde unter anderem von den Künstlerinnen Luisa Bevilacqua, Betsy Dentzer und Peggy Wurth geleitet. Es entstand eine Gruppe von rund 20 Teilnehmenden. In dem Rahmen veranstalten wir diese Saison eine Kaffeetafel.

Das Programm findet also auch außerhalb des Publikumsaals statt.

Genau. So arbeiten wir in dieser Spielzeit auch mit der Historikerin Laura Steil zusammen. Unser Projekt „Esch by Night“ befasst sich mit der ehemaligen Bar- und Dancing-Kultur der Stadt Esch. Wir laden das Publikum zu sechs Tanzabenden in Eschs Cafés ein, daneben gibt es Ateliers und Begegnungen mit lokalen Künstlerinnen und Künstlern.

Wir befinden uns im 21. Jahrhundert – das Theater als Einrichtung muss den gesellschaftlichen Veränderungen Folge leisten. Im kollektiven Gedächtnis besteht das Klischee fort, ein Theater sei eine verstaubte Institution. Damit müssen wir brechen.

Carole Lorang, Direktorin Escher Theater

Warum ist es Ihnen wichtig, über die Bühnenbretter hinauszugehen?

Wir beschäftigen uns mit den Menschen, die in Esch leben, und fragen uns: Was können wir ihnen anbieten? Wie können wir uns kennenlernen? Esch ist eine multikulturelle Stadt, in der verschiedene Sprachen, Nationalitäten und soziale Klassen aufeinandertreffen. Neben den genannten Projekten ist es deshalb ebenso wichtig, Produktionen zu zeigen, die ohne Sprache auskommen oder die gesamte Familie ansprechen. „Moya“ ist ein Beispiel dafür: Die südafrikanische Zirkuskompanie Zip Zap Circus tourt weltweit mit ihren Stücken – und betreibt noch dazu soziale Arbeit. Die Mitglieder begleiten junge Menschen aus prekären Verhältnissen und führen sie in die Welt des Zirkus ein. Ein Projekt, das zur Linie des Escher Theaters passt.

Die Zugänglichkeit ist auch eins der Hauptanliegen des amtierenden Kulturministers Eric Thill.

Das Kulturministerium zieht in dieselbe Richtung. Damit das gelingt, müssen wir jedoch umdenken und uns dem Publikum anpassen. Wenn wir immer dieselben Stücke programmieren, bleibt die Situation unverändert. Das bezieht sich sowohl auf die Genres als auch auf die dargebotenen Themen. Dokumentartheater kommt beispielsweise gut an; vor allem, wenn man im Zuge der Recherche auf Vereine, Organisationen oder Betroffene zugeht. Die Menschen fühlen sich gesehen.

Können Sie Beispiele nennen?

Für „Success Story“ sammelten wir 2018 Berichte von Menschen, die im Kinderheim aufgewachsen sind. Sie besuchten im Anschluss die Aufführung, eben weil sie sich für das Thema interessieren. 2024 präsentierten wir „Les jours de la lune“ von Renelde Pierlot, ein Aufklärungsstück über die Menstruation. Das lockte wiederum feministische Organisationen und Menschen aus dem Gesundheitsbereich an. „L’Odeur de la Guerre“ – Julie Duvals Soloperformance zum Boxsport – zog ein junges und sportbegeistertes Publikum an. Was wir auf der Bühne verhandeln, gehört zum Alltag – das wollen wir den Menschen näherbringen.

Liegt Carole Lorang besonders am Herzen: „Zwei Herren am Strand“ mit Luc Feit (l.) und Steve Karier (r.) war Frank Feitlers (1950-2023) letztes Projekt
Liegt Carole Lorang besonders am Herzen: „Zwei Herren am Strand“ mit Luc Feit (l.) und Steve Karier (r.) war Frank Feitlers (1950-2023) letztes Projekt Foto: Patrick Galbats

In dem Sinne veranstalten Sie Ateliers, in denen das Publikum selbst aktiv wird.

Die Ateliers unter Leitung der Künstlerinnen und Künstler sind wertvoll. Es entsteht eine Verbindung zwischen den Kulturschaffenden und dem Publikum, die wir fördern wollen. Ich wünsche mir, dass die Menschen in Luxemburg das Theater als Freizeitort wahrnehmen.

Geht das auf Kosten der Theatervorführungen?

Unser Programm umfasst immer noch 49 Stücke, was ungefähr 130 Aufführungen entspricht. Wir bringen neben unterhaltsamen Produktionen – etwa „Achtsam morden“, eine Krimikomödie nach dem Bestsellerroman von Karsten Dusse – auch weiterhin gesellschaftspolitische Stücke auf die Bühne. Dazu zählt „Des gens au travail“ von Thibault Sartori. Er verfolgte 2019 den Prozess gegen France Télécom-Orange: Die Unternehmensleitung musste sich damals unter anderem wegen institutionellen Mobbings, das mehrere Suizide nach sich zog, vor Gericht verantworten. Solche Produktionen ergänzen unser Angebot. Trotzdem möchte ich betonen: Wir befinden uns im 21. Jahrhundert – das Theater als Einrichtung muss den gesellschaftlichen Veränderungen Folge leisten. Im kollektiven Gedächtnis besteht das Klischee fort, ein Theater sei eine verstaubte Institution. Damit müssen wir brechen.

Eine Mammutaufgabe?

Theater – mit Text – ist in der Regel schwer zu vermitteln. Es ist eine Kunstform, die Menschen aufgrund der Sprache ausgrenzt. Das gilt sowohl im Ausland als auch in Luxemburg. Natürlich gibt es Publikumsmagnete, die für ausverkaufte Ränge sorgen, aber das sind die Ausnahmen. Wir überlegen uns deshalb auch in Bezug auf die Theaterstücke neue Konzepte. Zu „A l’ouest d’Arkham“ – basierend auf der Novelle „The Colour Out of Space“ von HP Lovecraft – organisieren wir beispielsweise einen Spieleabend im Ariston, einen Filmabend zu „L’Antre de la folie“ und eine Diskussionsrunde nach der Aufführung. Damit zeigen wir: Theater ist nicht elitär.

Mehr Infos

Das Programm des Escher Theaters ist auf theatre.esch.lu einsehbar.

Worauf freuen Sie sich diese Saison denn besonders?

„Zwei Herren am Strand“. Die Inszenierung des gleichnamigen Romans von Michael Köhlmeier war Frank Feitlers [Intendant der „Théâtres de la Ville de Luxembourg“, 2001 bis 2015; Anm. der Red.] letztes Projekt, bevor er 2023 verstarb. Er wollte es im Escher Theater zeigen. Ich besuchte ihn mehrmals vor seinem Tod, um an der Umsetzung zu arbeiten. Es ist mir eine Ehre, dass wir das Stück jetzt zeigen können.