14. November 2025 - 6.38 Uhr
COP30Die Cúpula dos Povos als alternativer Gipfel
In der „blauen Zone“ war es schnell wieder ruhig. Kurz zuvor, am Abend des zweiten Tages der COP30, hatten ein paar Dutzend indigener Demonstranten den Kernbereich der Weltklimakonferenz gestürmt. Die Sicherheitskräfte versuchten sie aufzuhalten. Es kam zu Tumulten. Die COP30 hatte ihren ersten Eklat. Schließlich wurde die „blaue Zone“ mit Tischen und anderen Möbeln verbarrikadiert. Die Kontrolle auf dem Gelände in der brasilianischen Millionenstadt Belém war wieder hergestellt.
„Die indigene Bewegung wollte ihre Forderungen innerhalb der blauen Zone vorbringen, aber sie wurde nicht hereingelassen“, berichtete João Santiago, Professor an der Bundesuniversität des Bundesstaates Pará (UFPA). Die Gruppe hatte gerade einen Marsch für Klima und Gesundheit beendet, der vor dem Eingang des COP-Geländes mit Tänzen endete. Während sich die Regierungsvertreter und Verhandlungsdelegationen auf dem COP30-Gelände versammelten, haben sich etwa acht Kilometer entfernt, auf dem Gelände der UFPA, Tausende von Indigenen, Flussanrainern, Bewohnern von Quilombos (Gemeinschaften der einst von schwarzen Sklaven gegründeten Siedlungen) und anderer „Comunidades“ zur „Cúpula dos Povos“ zusammengefunden.
„Neue Maske des Kolonialismus“
Es handelt sich um Bevölkerungsgruppen, die als Opfer von Umweltrassismus besonders stark dem Klimawandel und der Naturzerstörung ausgesetzt sind. Bereits vor Beginn der Konferenz hatten sich die Mitglieder einer Gruppe aus Kolumbien und Mexiko vor dem Konferenzgebäude auf den Boden gelegt, bedeckt mit weißen Tüchern, die wie Leichensäcke aussahen – unter anderem mit dem roten Schriftzug: „Defender la vida cuesta la vida“. Ihr Protest richtete sich vor allem gegen die „Tropical Forest Forever Facility“ (TFFF), einem von Brasiliens Präsident Lula da Silva vorgestellten Mechanismus zum Schutz des Regenwaldes. Mit dem Fonds soll die Entwaldung verhindert werden. Eine Rednerin bezeichnete den TFFF als „neue Maske des Kolonialismus“ und eine Art von Greenwashing.

Eine andere Aktion war ein Umzug, bei der eine Boiúna, auch Cobra-Grande genannt, eine Riesenschlange aus der brasilianischen Mythologie, nachgestellt wurde – als Beschützerin des Waldes. Die Cúpula dos Povos war 1992 in Rio de Janeiro bei der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung ins Leben gerufen worden. In Belém haben sich mehrere Tausend Teilnehmer auf dem Uni-Campus eingefunden, wo Zelte, Bühnen und provisorische Unterkünfte aufgebaut wurden und sich Indigene mit Quilombolas, Umweltaktivisten mit landlosen Bauern austauschen. Ihr gemeinsames Ziel: der Schutz ihrer Territorien, der Menschenrechte und die Rettung des Planeten.
Die beteiligten Organisationen erinnern daran, dass die sozialen Bewegungen in Brasilien lange kriminalisiert und ihre Proteste gewaltsam unterdrückt wurden, insbesondere in der Amazonas-Region, wie 1996 das Massaker an Landlosen von Eldorado dos Carajá, der Bau des Belo-Monte-Staudamms sowie die Unterdrückung der Quilombos und die Tötung von Menschenrechts- und Umweltaktivisten. Unbestritten ist es, dass Afrobrasilianer und Indigene am meisten unter dem Klimawandel zu leiden haben.
Gemeinschaften fordern Mitsprache
Rund 5.000 Menschen kamen an diesem Mittwoch mit einer Flotte von 200 Schiffen und Booten in der Bucht von Guajará an. Es sind die „Stimmen des Amazonas“, wie sie die Journalistin, Schriftstellerin und Dokumentarfilmerin Karina Tarasiuk nennt. Am Cúpula dos Povos der Zivilgesellschaft nehmen mehr als 1.100 internationale Organisationen teil*, 39 haben sich zur „COP do Povo“ (COP des Volkes) zusammengetan, einer Koalition von Organisationen, die mit den „Völkern des Waldes“ verbunden sind, mehr Mitspracherechte bei klimabezogenen Entscheidungen anstreben und für die der Naturschutz untrennbar mit ihrer Existenz verbunden ist.
„Wir geben den direkt von der Verschmutzung der Böden, der Flüsse und der Luft durch Großgrundbesitzer und Minengesellschaften Betroffenen eine Stimme“, erklärt Izi Azevedo vom Instituto Zé Claudio e Maria, weshalb sie sich für die „COP do Povo“ engagiert. Das Ehepaar Zé Claudio und Maria Santos war ein Ehepaar, das sich in Pará für Menschen- und Umweltrechte engagierte und im Mai 2011 in einen Hinterhalt geriet und erschossen wurde. Das Institut ist nach ihnen benannt. Schon viele Aktivisten fielen Mordanschlägen im Auftrag von Großgrundbesitzern zum Opfer, von Chico Mendes im Bundesstaat Acre im Jahr 1988 bis zu Dorothy Stang in Pará 2005.

Ein Foto der Letztgenannten erinnert im Quilombo do Rosario in Salvaterra, einer ländlichen Gemeinde in Pará, an die US-Ordensschwester. Ihr Todestag jährte sich im Februar zum zwanzigsten Mal. „Wir haben immer gekämpft“, sagt Raimunda Figueredo, Präsidentin des Quilombos. Sie erinnert an die schwierigen Zeiten, die die Gemeinschaft schon durchlebte: „Früher, als es noch keine Handys gab, ging man von Haus zu Haus, um zu verkünden, dass eine Versammlung stattfinden würde. Es war mühsam. Heute schreiben wir es in die Gruppe unserer Vereinigung, und alle machen mit. Früher gingen wir zu Fuß zu den Versammlungen, oder fuhren mit dem Fahrrad zu Versammlungen in einen weit entfernten Quilombo. Heute nehmen wir das Motorrad.“
Wir haben lange um unseren endgültigen Landtitel gekämpft. Wir sind bereits von der Regierung anerkannt, aber es fehlt noch dieser Titel, der letzte Schritt.
Der Quilombo, dessen lange Geschichte bis ins Jahr 1825 zurückreicht, verfügt über eine Schule und unter anderem eine Gesundheitsstation, Kirchen, einen Friedhof und eine Mühle. „Das war eine gemeinschaftliche Leistung der ersten Bewohner“, sagt Raimunda, die zwei Kinder und einen Enkel hat und seit etwa 30 Jahren in dem Quilombo lebt, dessen Mitglieder von Landwirtschaft, Fischerei, Açaí-Gewinnung und Kunsthandwerk leben. „Wir haben lange um unseren endgültigen Landtitel gekämpft“, weiß Raimunda. „Wir sind bereits von der Regierung anerkannt, aber es fehlt noch dieser Titel, der letzte Schritt.“ Sie weiß, dass der Naturschutz untrennbar mit der Existenz der Bewohner verbunden ist.
Auch die Indigenen-Gemeinschaft beruft sich auf das Recht auf ein Gebiet als dauerhafter Besitz, das ihnen nach der brasilianischen Verfassung von 1988 zusteht. Die Demarkierung der Gebiete ist seit 1996 gesetzlich verankert. Allerdings verabschiedete der Kongress 2023 ein Gesetz – obwohl vom Obersten Gericht als verfassungswidrig erklärt – nach dem Prinzip des „marco temporal“, der besagt, dass indigene Gruppen nur dann Anspruch auf ein Gebiet haben, wenn sie es am Tag der Verabschiedung der Verfassung am 5. Oktober 1988 bereits besiedelten. Dabei hatte das Militärregime (1964-1988) die Indigenen aus ihren angestammten Gebieten vertrieben. Fazendeiros eigneten sich ihr Land an. Die Indigenen weisen immer wieder darauf hin, dass „unsere Geschichte nicht erst 1988 begann“. Das Volk der Munduruku aus Pará erzielte im vergangenen Jahr einen historischen Sieg mit der Anerkennung ihres Gebiets. Ein weiterer wichtiger Schritt.
*) Die sechs inhaltlichen Achsen der Cúpula dos Povos nach Sara Pereira von der die Cúpula organisierenden Organisation FASE Amazônia: Kampf um Landrechte; Anerkennung historischer Reparationslast; sozialökologische und inklusive Transformation; Bewegung gegen Unterdrückung und für Demokratie; gerechte Stadtpoltik; Stärkung von Frauenrechten.

De Maart

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