Deutschland„Die CDU ist nicht auf der Höhe der Zeit“ – Interview mit Parteichef-Kandidat Friedrich Merz

Deutschland / „Die CDU ist nicht auf der Höhe der Zeit“ – Interview mit Parteichef-Kandidat Friedrich Merz
Friedrich Merz sieht im Koalitionsvertrag der Ampelparteien „neue Pull-Faktoren für irreguläre Migration“ Foto: dpa/Kay Nietfeld

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Friedrich Merz will es wieder wissen. Zum dritten Mal versucht der Ex-Fraktionschef, CDU-Vorsitzender zu werden. Er trete an, um neue Antworten für die Partei zu entwickeln. Scharf geht der 66-Jährige mit den Migrationsplänen der Ampel ins Gericht. Deutschland werde große Probleme bekommen, so Merz.

Tageblatt: Herr Merz, der Koalitionsvertrag liegt vor. Was sind Ihrer Meinung nach die drei größten Schwachstellen?

Friedrich Merz: Es ist zwar nur eine Stilfrage, aber zunächst ist der Text extrem schlecht lesbar. Es gibt keine Gliederung, keinen roten Faden, man merkt, dass bis zum Ende 300 Leute daran mitgeschrieben haben. Inhaltlich ist der Vertrag über große Strecken ein Wunschkonzert ohne Finanzierung. Und es soll in Zukunft einen absoluten Vorrang der regenerativen Energien gegenüber allen Belangen des Natur- und Umweltschutzes geben. Das wird erhebliche Konflikte auslösen, gerade im ländlichen Raum. Die dritte Schwachstelle sind die Vorschläge zur Zukunft der sozialen Sicherungssysteme. Die sind ungeordnet und widersprüchlich.

Haben Sie auch Lob für das Ampel-Werk?

Wir müssen abwarten, wohin die Reise geht. Der Vertrag ist ambitioniert und bringt drei Koalitionspartner zusammen, die eigentlich nicht zusammengehören. Sie wollen sich weitgehend unideologisch einer gesellschaftspolitischen Diskussion öffnen. Die bekundete Bereitschaft, zuzuhören, schätze ich und schließt hoffentlich die größte Oppositionsfraktion im Bundestag mit ein. Dann könnte daraus ein interessanter Dialog werden.

Beim Wahlrecht ab 16 Jahren müsste die Union im Bundestag mit im Boot sein. Gehen Sie da mit?

Das erfordert eine Grundgesetzänderung, und ich sehe nicht, dass wir der zustimmen. Ich bin offen für eine Diskussion, bis jetzt überzeugen mich die Argumente allerdings nicht.

Es gab heftige Kritik aus Ihrer Fraktion an den migrationspolitischen Regelungen.

Und zwar zu Recht. Es wird nicht unterschieden zwischen notwendiger Einwanderung in den Arbeitsmarkt und der Begrenzung der Einwanderung von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Wenn das so kommt, wie es im Vertrag steht, wird dieses Land ein sehr großes Problem bekommen.

Warum?

Weil durch die Ampel-Pläne für einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt und zur deutschen Staatsbürgerschaft neue Pull-Faktoren für irreguläre Migration entstehen werden. Unsere europäischen Nachbarn erhöhen die Hürden für unkontrollierte Einwanderung, während Deutschland neue Anreize schafft? Das passt nicht zusammen.

Nehmen Sie eigentlich die neue angedachte Sitzordnung im Bundestag so hin?

Wir können uns dagegen kaum wehren, wenn die neue Mehrheit eine solche Sitzordnung so beschließen sollte. Aber das ist uns gegenüber natürlich ein höchst unfreundlicher Akt. Wir werden uns das merken.

Sollten Sie CDU-Chef werden, werden Sie Teil des von Ihnen kritisierten Parteiestablishments. Was wollen Sie anders machen?

Dann bin ich sogar der Vorsitzende des Establishments (lacht). Erstens muss der Umgangston untereinander wieder besser werden, und diese elenden Durchstechereien aus den Sitzungen müssen aufhören. Wir müssen zweitens die Rolle der Opposition im Bund annehmen und zugleich schnell kampagnenfähig werden, vor allem für die bevorstehenden Landtagswahlen im nächsten Jahr. Drittens werden wir die Partei inhaltlich neu aufstellen, unter anderem mit einem neuen Grundsatzprogramm.

Auffällig ist, dass Sie sich thematisch etwas geschmeidiger geben – ist das der neue Merz?

Das ist mein ernsthaftes Bemühen, einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, was und wie ich denke, auch zu Themenbereichen außerhalb der reinen Wirtschaftspolitik. Die CDU ist bei einigen Themen nicht auf der Höhe der Zeit. Zusammen mit Mario Czaja und Christina Stumpp trete ich an, um darauf neue Antworten zu entwickeln.

Rufen Sie als Erstes CSU-Chef Markus Söder an, wenn Sie gewählt sind?

Ich stehe mit Markus Söder im sehr regelmäßigen Austausch.

Wie geschlossen wird die CDU 2022 agieren? Muss ein neuer Vorsitzender nicht vor allem integrieren, um in die Landtagswahlen zu gehen?

Wettbewerb ist ja für sich genommen nichts Schlechtes. Ich gehe aber davon aus, dass wir nach dieser Wahl sehr geschlossen an die Arbeit gehen. Und ich habe konkrete Vorstellungen, wie ich diejenigen einbinde, die heute schon in Führungsverantwortung stehen. Wichtig ist, dass wir Hilfestellung in den Landtagswahlkämpfen geben. Das können wir leisten. Gewonnen werden müssen die Wahlen aber in den Ländern selbst.

Wenn vier Landtagswahlen verloren gingen, war es das dann schon wieder mit dem CDU-Vorsitz?

Landtagswahlen sind Landtagswahlen, und die heutigen Umfragen sind Momentaufnahmen. Das wird sich auch wieder ändern. Der neue CDU-Vorstand wird für zwei Jahre gewählt, und er wird auch zwei Jahre seine Arbeit machen können.

Sie sagen, es gebe gerade keinen Grund, über den Fraktionsvorsitz zu reden. Warum nicht?

Ralph Brinkhaus und ich sind in gutem Austausch miteinander, und es gibt kein Problem.

Der Parteitag findet jetzt online statt. Wie finden Sie das?

So ist es am Freitag beschlossen worden. Ich hätte einen Präsenzparteitag bevorzugt.

Kommt auch die Frauenquote mit Ihnen?

Die Vorschläge der Struktur- und Satzungskommission liegen vor, wir brauchen zur Beschlussfassung allerdings einen Präsenzparteitag. Den wird es wahrscheinlich im Spätsommer 2022 geben, und dann stimmen wir ab.

Sie haben eine Vize-Generalsekretärin nominiert, die aufgrund ihres kleinen Kindes nicht den Generalsekretärsposten annehmen wollte. War keine andere Frau für den Posten zu bekommen?

Mein Kandidat für den Generalsekretär hat eine achtjährige Tochter, seine vorgeschlagene Stellvertreterin einen 15 Monate alten Sohn. Wir haben abgewogen und gemeinsam eine Aufstellung gefunden, die beiden Personen gerecht wird und ihren Fähigkeiten und Erfahrungen entspricht. Darüber bin ich wirklich sehr froh.

Wie wollen Sie das Adenauer-Haus familienfreundlicher gestalten?

Ich fühle dafür eine große Verantwortung, denn ich möchte nicht, dass mir unsere Mitarbeiter irgendwann sagen, wegen Ihnen habe ich meine Familie zu wenig gesehen. Wir werden die Abläufe anders organisieren, mit mehr Homeoffice und weniger Wochenendarbeit und Nachtsitzungen. In einer christlichen Partei den Sonntag zum regelmäßigen Arbeitstag zu erklären, das ist mit mir nicht zu machen.

Ich kann an die Impfskeptiker nur appellieren: Überstrapazieren Sie die Solidarität der Geimpften bitte nicht!

Friedrich Merz

Wie lösen Sie Ihr Problem bei den Jungwählern?

Wir dürfen nicht jedem Zeitgeist hinterherlaufen und müssen unser eigenes Profil entwickeln. Das muss so interessant sein, dass das auch junge Leute gut finden. Die Jungwähler haben ja nicht nur die Grünen gewählt, sondern viele die FDP. Die Union verfügt über fünf politische Jugendorganisationen, das ist eine große Chance.

Thema Corona: Ist bisher zu viel Rücksicht auf Ungeimpfte genommen worden?

Dass sich jemand nicht impfen lassen möchte, ist grundsätzlich Teil unserer freiheitlichen Ordnung. Aber in der gegenwärtigen Lage wird diese Haltung immer mehr zu einer Belastung der Freiheit derer, die sich impfen lassen. Deswegen bin ich zunächst für eine konsequente Anwendung der 2G-Regeln, wo immer dies möglich ist. Die Inzidenzzahlen sind bei den Nichtgeimpften jetzt im Durchschnitt um den Faktor 30 höher als bei den Geimpften. Wenn die heutigen Maßnahmen auch nicht ausreichen, dann kann ich meine Zustimmung zu einer allgemeinen Impfpflicht nicht ausschließen.

Braucht es aufgrund der Zahlen einen Lockdown für alle?

Hoffentlich können wir wenigstens das vermeiden! Was würde das denn bedeuten? Sollen Betriebe, Hotels, Gaststätten, Schulen, Unis und Sportplätze wieder monatelang schließen? Das kann doch niemand ernsthaft wollen. Gerade die Familien und vor allem Kinder und Jugendliche haben unter den Lockdowns bereits genug gelitten. Und auch für viele kleine und mittelständische Betriebe ist eine weitere Schließung schlicht nicht zumutbar. Ich hoffe: Mit konsequenter Durchsetzung von 2G und einer höheren Impfquote werden wir von den hohen Infektionszahlen herunterkommen.

Muss man vielleicht über den Geldbeutel gehen? Beteiligung an Behandlungskosten etwa?

Solche Maßnahmen müssen immer verhältnismäßig sein. Und sie erfordern immer eine Abwägung zwischen Eigenverantwortung und Solidarität. Ich kann an die Impfskeptiker nur appellieren: Überstrapazieren Sie die Solidarität der Geimpften bitte nicht!

uma
28. November 2021 - 22.16

Merz wird die CDU in den Untergang führen. Sie können sich noch online in die CDU eintragen lassen und gegen ihm stimmen, 8000 Leute haben das schon getan.