DeutschlandDie Bewerber um den CDU-Vorsitz – ihre Stärken, ihre Schwächen und ihre Chancen

Deutschland / Die Bewerber um den CDU-Vorsitz – ihre Stärken, ihre Schwächen und ihre Chancen
Die drei CDU-Kandidaten bei einer Diskussionsrunde: 1.001 Delegierte der Partei haben die Wahl Foto: dpa/Michael Kappeler

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1.001 CDU-Delegierte haben die Qual der digitalen Wahl. Drei Männer wollen am Samstag Parteivorsitzender werden und in der Folge vielleicht auch Kanzlerkandidat. Alle drei kommen aus Nordrhein-Westfalen, sind Juristen und haben schon viele Schlachten geschlagen. Zum Teil auch gegeneinander. Wir stellen sie vor.

Armin Laschet, der Erfahrene: Geschichte wiederholt sich irgendwie doch. Zumindest die von Annegret Kramp-Karrenbauer. Als sie 2018 CDU-Vorsitzende wurde, wurde danach viel gelästert und gestichelt. Manchmal auch von Armin Laschet. Seit der NRW-Ministerpräsident selber Parteichef werden will, feuern einige CDU-Büchsenspanner nun gegen ihn: Zu unsouverän sei er in der Pandemiebekämpfung, zu flattrig, zu wirr in den Äußerungen. Bestes Beispiel: sein Satz vom „härtesten Weihnachten“ überhaupt für die Nachkriegsgeneration. In der CDU und darüber hinaus wurde nur mit dem Kopf geschüttelt.

Armin Laschet hat schon mal eine Wahl gewonnen – und sagt das auch oft
Armin Laschet hat schon mal eine Wahl gewonnen – und sagt das auch oft Foto: AFP/Christian Mang

Klare Kommunikation ist nicht unbedingt eine Stärke des 59-Jährigen, der auch schon mal die Contenance verliert, wenn er zu sehr geärgert wird. Aber Laschet hat wohl das klarste Programm von allen Bewerbern: Weiter so, er will nicht mit der erfolgreichen Politik Angela Merkels brechen. Anfangs setzte er im Kampf gegen Corona zwar frühzeitig auf Lockerungen, doch dann schwenkte er auf die härtere Kanzlerinnen-Linie ein.

Laschets Vorteil ist eindeutig seine Regierungserfahrung, die er immer wieder in die Waagschale wirft. Zusammen mit Gesundheitsminister Jens Spahn präsentierte er kürzlich ein Zehn-Punkte-Programm für den Vorsitz: Belastungsmoratorium für die Wirtschaft, „null Toleranz“ in der inneren Sicherheit, europapolitische und transatlantische Ausrichtung der CDU. Klassische Partei-Themen. Bei Laschet weiß man, was man hat – und was man bekommt. Er könnte mit den Grünen, würde aber am liebsten wohl wie in Düsseldorf mit der FDP regieren.

Laschet will auch die Kanzlerkandidatur, sonst würde er sich den Vorsitz wohl nicht antun. Sein Problem ist ausgerechnet Tandem-Partner Jens Spahn, dem diese Ambitionen ebenfalls nachgesagt werden. Lange wurde auch über einen Rollentausch der beiden hinsichtlich des CDU-Vorsitzes spekuliert. Eine solche politische Niederlage konnte Laschet aber abwenden. Zwar wird ihm nachgesagt, er habe zu wenig in der Partei für sich geworben. Beim letzten Dreikampf der Kandidaten ging er jedoch als Sieger vom Platz. „Am liebsten werde ich geschätzt – für das, was ich leiste“, meinte er kürzlich. In der Hoffnung, dass das auch die Delegierten überzeugt.

Friedrich Merz, der Aufmüpfige: Es hatte im Oktober den Anschein, also ob Friedrich Merz eine Grenze überschritten hätte. Damals wurde der CDU-Parteitag erneut verschoben, und der Sauerländer zückte die Bazooka: Das „Parteiestablishment“ wolle ihn als Kandidaten auf den Vorsitz verhindern, ätzte er. Gänzlich Unrecht hatte Merz damals nicht, denn in der CDU-Führung hat er kaum Freunde. Doch die Verschiebung war Corona geschuldet, keine Intrige. Aber so ist Merz: Er polarisiert und mobilisiert.

Friedrich Merz lag in Umfragen bislang vorne 
Friedrich Merz lag in Umfragen bislang vorne  Foto: AFP/Christian Mang

In den Umfragen lag der 65-jährige Hüne (immerhin 1,98 Meter groß) stets vor seinen Mitbewerbern, auch wenn er an Vorsprung eingebüßt hat. Merz gehörte lange Zeit selbst zum Establishment. Er war Unions-Fraktionschef, Wirtschaftsexperte, Erfinder der Steuerreform auf dem Bierdeckel, bis Angela Merkel ihn auf ihrem Weg nach oben ins Aus drängte. 2009 zog er sich aus der Politik zurück, verdiente dann sein Geld als Wirtschaftsanwalt und Unternehmensberater. Und das nicht schlecht: Merz ist Millionär mit eigenem Flugzeug.

Als Merkel 2018 ihren Rückzug als Vorsitzende ankündigte, kam er zurück auf die politische Bühne. Gegen Annegret Kramp-Karrenbauer verlor Merz zunächst auf dem Parteitag in Hamburg knapp, nun aber hat er gute Chancen, neuer Chef zu werden. Denn er bedient das, was viele in der CDU so schmerzhaft vermissen: das Konservative, das Wirtschaftsprofil, die klare Kante, gerade gegen die AfD. Die Krise will er zur ökonomischen Erneuerung nutzen. Seine Fans lieben ihn für zündende Reden. Oft hat er allerdings durch missverständliche Äußerungen den Unmut auf sich gezogen. Merz‘ Gegner sagen daher, er sei ein Mann von gestern ohne Gespür für soziale Belange, für Frauen, für Minderheiten. In der Union können sich viele nicht vorstellen, wie er als Kanzlerkandidat ein Bündnis mit den Grünen schmieden will.

Unter den drei Kandidaten gilt der Mann aus Brilon als der akribischste Wahlkämpfer. Er hat die Landesverbände bearbeitet. Auch in der Corona-Zeit. Seine Anhänger finden sich vor allem im Osten und in den südlichen Ländern, wo man noch Wert auf Kehrwoche und Kirchgang legt. „Meine Chancen schätze ich gut ein“, sagt er. An Selbstbewusstsein hat es ihm nie gemangelt.

Norbert Röttgen, der Überraschende: Als Armin Laschet in der letzten Kandidatenrunde sagte, er habe immerhin schon mal Wahlen gewonnen, „das kann ja auch nicht schaden“, war das ein Seitenhieb auf Norbert Röttgen. Der hatte nämlich 2012 die nordrhein-westfälische Landtagswahl krachend verloren. Dass er danach ungerührt seine Karriere als Umweltminister in Berlin fortsetzen wollte, statt Oppositionsführer in Düsseldorf zu werden, war der wohl größte Fehler im Leben des heute 55-jährigen Rheinländers. Der Unmut darüber war so groß, dass Angela Merkel ihren Vertrauten aus dem Amt entließ. Er war der erste und einzige, mit dem die Kanzlerin so umsprang.

Norbert Röttgen will Mann der Zukunft sein
Norbert Röttgen will Mann der Zukunft sein Foto: AFP/Christian Mang

Röttgen hat sich von dem Schlag erholt. Er überwinterte als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages und gab viele Interviews zu internationalen Fragen. Dem Auftreten nach wirkte er mit seinen grauen Haaren, seinem gepflegten Auftreten und seiner sonoren Stimme fast wie ein US-Senator. Dass er sich als Erster nach Annegret Kramp-Karrenbauers Rücktrittsankündigung im Frühjahr 2020 ins Nachfolgerennen stürzte, überraschte viele. Aber Röttgen hat noch nicht fertig. Er sieht in diesem Bewerberfeld seine Chance darin, nicht nur der Jüngste, sondern auch der Modernste zu sein, derjenige, der die Partei öffnet für grüne Themen, für die Gleichstellung der Frauen, für ein neues Gesellschaftsbild. Als Mann der Zukunft.

Röttgen will eine klare Abgrenzung nach Rechts und mehr Beteiligung der Basis. „Ich bin kein Lager, ich stehe für alle“, sagte er. Außerdem ließ er als einziger der drei Bewerber durchblicken, dass er einem anderen, etwa CSU-Chef Markus Söder, bei der Kanzlerkandidatur den Vortritt lassen könnte. Das entspricht dem Wunsch der meisten CDU-Mitglieder, die keinen der drei Bewerber wirklich für kanzlerfähig halten. So hat Röttgen mächtig aufgeholt und inzwischen mehr als nur eine Außenseiterchance. Laschets Spruch hätte er übrigens leicht kontern können: Auch Röttgen hat schon mal eine Wahl gewonnen. Und zwar die parteiinterne Urabstimmung 2010 darüber, wer CDU-Landesvorsitzender in NRW werden sollte. Sein Gegner damals: Armin Laschet.