Deutschland / Die Ampel debattiert über die Schuldenbremse

Deutschlands Finanzminister Christian Lindner hält – im Gegensatz zu seinen Koalitionspartnern – nichts davon, die Schuldenbremse auszusetzen, im Gegenteil
Nach dem Urteil aus Karlsruhe muss die Bundesregierung ihre Haushaltspolitik überdenken. Um mehr Spielraum für Ausgaben zu haben, schlägt die SPD-Spitze ein Aussetzen der Schuldenbremse für 2023 und 2024 vor. Der Koalitionspartner FDP hält dagegen, die Anspannung in der Koalition steigt.
Auf die Ampel-Regierung kommen noch ungemütlichere Zeiten zu: Die Auswirkungen des Karlsruher Urteils vom vergangenen Mittwoch sorgten am Wochenende zwischen SPD und FDP bereits für heftige Diskussionen.
SPD-Chefin Saskia Esken sprach sich dafür aus, die Schuldenbremse für dieses und das kommende Jahr wegen einer Notlage nicht anzuwenden. „Da wir uns durch äußere Einflüsse in einer fortdauernden krisenhaften Situation befinden, plädiere ich auch weiterhin dafür, die Schuldenbremse für 2023 und 2024 auszusetzen.“
Eine Aussetzung würde vorübergehend wieder mehr Spielraum für staatliche Ausgaben schaffen, der durch das Karlsruher Urteil mit Blick auf sogenannte Schattenhaushalte in der Vergangenheit eingeschränkt wurde. Esken betonte, gleichzeitig würden die Aufgaben des Klimawandels, der Digitalisierung und des demografischen Wandels eine allgemeine Reform der Schuldenbremse „unausweichlich“ machen. Auch der frisch gewählte Bundesvorsitzende der Jusos, Philipp Türmer, will die Schuldenbremse kippen, nannte dies sein vorrangiges Ziel – und stellte die Ampel insgesamt infrage. Die Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP müsse sich dadurch legitimieren, dass sie dazu in der Lage sei, die Herausforderungen dieser Zeit zu bewältigen. Keine Koalition sei ein Selbstzweck, sagte der Juso-Chef.
Das Bundesverfassungsgericht hatte am Mittwoch eine Umwidmung von Krediten von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Sie waren zur Bewältigung der Corona-Krise genehmigt worden, sollten aber für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Offen ist, ob das Urteil darüber hinaus Folgen für den Umgang mit schuldenfinanzierten Sondervermögen in Bund und Ländern haben könnte.
FDP-Parteichef will Schuldenbremse stärken
Die Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Diese Regelung ist in Artikel 109 im Grundgesetz verankert. Es wird aber ein gewisser Verschuldungsspielraum gewährt. Eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder andere außergewöhnliche Notsituationen ist ebenfalls vorgesehen.
Bundesfinanzminister und FDP-Parteichef Christian Lindner wies den Vorstoß aus der SPD-Spitze umgehend zurück. „Die neue Rechtsklarheit ist kein Anlass, die Schuldenbremse zu schleifen, sondern sie zu stärken“, sagte er der Bild am Sonntag mit Blick auf das Urteil. „Wir werden jetzt gezwungen, mit weniger öffentlichen Subventionen die Wirtschaft zu modernisieren.“
Die Diskussion griff auch auf die Wirtschaft über. Die Vorsitzende der sogenannten Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, hatte sich am Freitag in einem Interview mit der Rheinischen Post dafür ausgesprochen, die Schuldenbremse auszusetzen. Ihre Gremiumskollegin Veronika Grimm widersprach.
Keine Milliarden für Klimaschutzprogramm
„Es wird deutlich schwieriger werden, die geplanten Investitionen für Klimaprojekte zu finanzieren“, sagte Schnitzer. „Eine transparente Lösung könnte sein, eine erneute Ausnahme von der Schuldenbremse zu begründen mit den Auswirkungen der Energiekrise“, sagte die Wirtschaftsweise. Ihre Kollegin Grimm argumentierte hingegen, das Aussetzen der Schuldenbremse per Notfallregel erfordere eine Notlage, die man derzeit nicht begründen könne.
Einem Bericht des Spiegel zufolge sind unter anderem Milliarden für Klimaschutzprogramme des Bundesumweltministeriums gefährdet. Es gehe etwa um das Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“, in dessen Rahmen Moore wieder vernässt und Städte begrünt werden sollen. Auch Energieeffizienzmaßnahmen für Verbraucher oder der klimaresiliente Umbau des Waldes sollten aus dem KTF finanziert werden. Regierungsvertreter befürchten außerdem, dass auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) und damit der Bundeshaushalt 2023 nach dem Urteil verfassungswidrig sein könnten.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz macht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Lindner persönlich für das Scheitern des Transformationsfonds verantwortlich. Lindner trage die Verantwortung für den Bundeshaushalt, sagte Merz. „Die politische Gesamtverantwortung für die Arbeit der Bundesregierung trägt der Bundeskanzler, der die Konstruktion mit der verfassungswidrigen Übertragung der Schulden aus dem Coronafonds ja auch erfunden hat.“
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