RenovierungDie „Al Synagog“ in Ettelbrück ist Zeitzeuge und Wegweiser

Renovierung / Die „Al Synagog“ in Ettelbrück ist Zeitzeuge und Wegweiser
Die „Al Synagog“ in Ettelbrück ist mittlerweile ein Nationales Denkmal Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die „Al Synagog“ in Ettelbrück hat am Wochenende etwas Besonderes gefeiert: 151 Jahre ist es her, dass sie eingeweiht wurde. Die großen Feierlichkeiten des 150-jährigen Jubiläums mussten coronabedingt verschoben werden. Ein Gebetshaus ist sie schon seit über 60 Jahren nicht mehr, als Ort der Erinnerung und Begegnungsstätte geht sie jedoch in die Zukunft.

Es war für die Autorin dieser Zeilen immer ein spannendes Abenteuer, an hohen jüdischen Feiertagen die Treppe zu der kleinen Frauenempore hochzuklettern und dann durch das Geländer zu beobachten, wie die Männer den Gottesdienst gestalteten, wobei Papa und Großvater dabei zu besonderen Ehren kamen. Das Abenteuer war allerdings nicht von langer Dauer. 1958 wurde der Gottesdienst eingestellt, die Bar Mitzwah (religiöse Volljährigkeit mit 13 Jahren) von Roger Kann war am 18. August 1962 die letzte Festlichkeit, die in der Synagoge in der rue de Warken stattfand.

„Wir haben uns als Kinder immer gefragt, was es mit dem Haus auf sich hatte“, erinnerte sich in seiner Geburtstagsansprache auch Bürgermeister Jean-Paul Schaaf, der unweit der Synagoge aufwuchs. Gelüftet wurde das Geheimnis, als seine Eltern bei dem mittlerweile dort etablierten Händler einen Teppich kauften. Die Geschichte des Gebäudes geriet indes in Vergessenheit. 1991 wurde es von der Gemeinde Ettelbrück angemietet und einer portugiesischen katholischen Vereinigung als Ort der Begegnung bereitgestellt.

Gleichzeitig begannen jedoch einzelne Geschichtsfreunde über die Entstehung der jüdischen Gemeinschaft in Ettelbrück und den Bau der Synagoge, die, wie durch ein Wunder, die Schrecken des Zweiten Weltkrieges überstanden hatte, zu recherchieren. Die Arbeiten von Will Dondelinger und Arthur Muller, unterstützt von Romain Dockendorf und Théo Krier, gelten als Basis für die am Wochenende vorgestellten Pläne.

Auf in die Zukunft

Die Geburtstagsfeier hatte eher symbolischen Charakter, die Synagoge ist mittlerweile eine Baustelle. Ausgerichtet wurde sie von der Vereinigung „Al Synagog“, die 2019 das Heft in die Hand genommen hat und aus der alten Synagoge ein pädagogisches Projekt machte, das die Erinnerung wachhält, die Forschung unterstützt und die richtigen Lehren aus der Vergangenheit zieht.

„Die Ereignisse der letzten Wochen haben gezeigt, wie wichtig der Blick in die Vergangenheit ist, um das zu verstehen, was heute passiert“, so Abbes Jacoby, Präsident der Asbl „Al Synagog“ und treibende Kraft beim Umbau der Gebäulichkeiten. Dabei kann er auf die Hilfe der Stadt Ettelbrück zählen, die 2018 die mittlerweile unter Denkmalschutz stehende Synagoge dem jüdischen Konsistorium abgekauft hatte. Unterstützt wird das Projekt auch von der „Œuvre Grande-Duchesse Charlotte“ und vom Kulturministerium. Die Denkmalbehörde finanziert einen Teil der Renovierung, das Ministerium wird voraussichtlich in die museale Ausrichtung des Gebäudes eingebunden. Mit dem Hinweis, dass hier kein stilles Museum entstehen soll, sondern ein Ort des Dialogs, des Verstehens und des Lernens.

„Nicht umsonst ist eine Synagoge im jiddischen Sprachgebrauch eine ,Schul‘“, spann auch Julien Joseph im Namen des Konsistoriums den Gedanken weiter. Er unterstrich dabei die Bedeutung des gemeinsamen Studiums im Judentum, wo man lebenslang die religiösen Texte gemeinsam studiert, diskutiert und analysiert.

Unter der Leitung von Frank Schmitt vom Architekturbüro Jonas werden zurzeit der ehemalige Gebetsraum mit seiner Rundbogennische und das Ritualbad renoviert, das erst zu Beginn des Jahres, im Lauf der ersten Bauarbeiten, wiederentdeckt wurde. Der Historiker Jean Reitz soll später das museale Konzept gestalten. Auch die ehemalige Schule mit der Lehrerwohnung soll in das kulturelle Projekt eingebunden werden, muss allerdings aus privatem Besitz noch freigekauft werden. Die nächste Feier steht auch schon an: 2024 soll Ettelbrück um eine Kulturstätte reicher sein.

Von links nach rechts: Der Ettelbrücker Bürgermeister Jean-Paul Schaaf, die Schatzmeisterin der Asbl „Al Synagog Ettelbruck“ Mireille Schmit, Vizepräsident des Vereins Julien Joseph, Kulturministerin Sam Tanson, Vereinspräsident Abbes Jacoby und Françoise Flesch.
Von links nach rechts: Der Ettelbrücker Bürgermeister Jean-Paul Schaaf, die Schatzmeisterin der Asbl „Al Synagog Ettelbruck“ Mireille Schmit, Vizepräsident des Vereins Julien Joseph, Kulturministerin Sam Tanson, Vereinspräsident Abbes Jacoby und Françoise Flesch. Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Reiche Geschichte

Die Verbindung zwischen der Stadt Ettelbrück und der jüdischen Gemeinschaft geht auf die von Kaiserin Maria Teresa 1778 bewilligten Monatsmärkte zurück, zu denen zahlreiche Händler kamen. 1810 ließ sich eine erste jüdische Familie aus dem lothringischen Sarreunion nieder. Joseph und Sibel Levy mit ihren fünf Kindern eröffneten ein Lebensmittelgeschäft, später noch eine Gastwirtschaft. Ihr Aufenthalt war allerdings nur vorübergehend, erst um 1850 blieben die ersten Familien auf Dauer, allen voran der Metzgermeister Salomon Israel.

Ab 1845 war die Bevölkerung groß genug, um mit zehn erwachsenen Männern einen Gottesdienst abzuhalten, zunächst im Wohnzimmer von Salomon Israel, später bei Joseph Cahen. Bei ihm entstand der Plan einer Synagoge. Dafür kaufte er 1865 zunächst „im Eker“ einen Garten. Finanziert wurde das Gebetshaus mit den Geldern der jüdischen Familien der Gegend und vom Staat. Sehr schnell wurde es zum religiösen Treffpunkt der Juden aus der Umgebung.

Dabei war die Einweihung, am 23. Dezember 1870, nicht ohne Spannungen: So hat die Bevölkerung kurz vor Weihnachten zwar begeistert gefeiert, gleichzeitig hetzte die katholische Presse jedoch gegen die Feierlichkeiten, was zu einem Konflikt zwischen der Musikgesellschaft und dem Pfarrer führte.
Die Affäre zog Kreise bis ins Ausland, setzte Ettelbrück in ein schlechtes Licht und trübte die bis dahin problemlosen Beziehungen zwischen der katholischen und der jüdischen Gesellschaft. Das verhinderte jedoch nicht das weitere Anwachsen der Gemeinschaft nach dem preußisch-französischen Krieg von 1870-71 bis auf 43 Familien. So konnte ein Religionslehrer eingestellt werden, eine Religionsschule mit Lehrerwohnung kam dazu.

Bis zum Zweiten Weltkrieg wuchs die jüdische Gemeinschaft weiter an, viele Flüchtlingsfamilien aus Osteuropa fanden in Ettelbrück eine neue Heimat. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrten zunächst neun Familien zurück, jüdisches Religionsleben gab es nicht mehr. Die Synagoge, nebst Mondorf die einzige, die den Zweiten Weltkrieg überstanden hatte, fand keine neue Verwendung.

Erst 2014 hat sich eine kleine Vereinigung von Interessenten, hervorgegangen aus einem Arbeitskreis der Bibliothek, für die 150 Jahre alten Mauern interessiert. 2017 wurde die Synagoge als Nationales Denkmal klassiert, 2018 von der Stadt Ettelbrück aus dem Besitz des hauptstädtischen Konsistoriums übernommen, 2019 entstand die Vereinigung „Al Synagog Ettelbréck“, die die Renovierung in Angriff nahm.