75. Jahrestag der BefreiungDeutscher Bundespräsident Steinmeier nimmt an der Gedenkfeier in Auschwitz teil

75. Jahrestag der Befreiung / Deutscher Bundespräsident Steinmeier nimmt an der Gedenkfeier in Auschwitz teil
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender durchqueren das Tor mit dem Schriftzug „Arbeit macht frei“ während der Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen deutschen Konzentrationslagers Auschwitz Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

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Wie fast alle Politiker hat Frank-Walter Steinmeier schon viele Gedenkstätten besucht, aber in Auschwitz war er noch nie. Seine Frau Elke Büdenbender ebenfalls nicht. Bevor die internationale Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationlagers beginnt, lässt sich das Präsidentenpaar deshalb durch das Stammlager I führen. Das enge Protokoll und die Kameras lassen nicht viel Raum für Emotionen, aber als beide ihren Rundgang beendet haben, sieht man doch, dass sie geschockt sind.

Geschockt von dem Anblick des Tores, über dem „Arbeit macht frei“ steht. Von den Bergen von Haaren in Block 4. Von der Todeswand an Block 11, wo der Bundespräsident einen Kranz niederlegt. Steinmeier geht kurz zu den Journalisten: „Wir erinnern uns“, sagt er mit etwas brüchiger Stimme, „um im Hier und Jetzt vorbereitet zu sein“. Das ist die generelle Botschaft des deutschen Präsidenten in all seinen Äußerungen an diesen Tagen. „Das Böse ist noch immer vorhanden.“ Gerade in Deutschland.

So hat er letzte Woche auch in Yad Vashem in Israel gesprochen. Dass diese Rede vereinzelt auf Kritik stieß, weil sie, wie der Historiker Michael Wolffsohn meinte, „nichts Neues“ enthalten habe, gar „wertlos“ sei, hat Steinmeier und seine Umgebung verwundert. Denn im Präsidialamt hatte man sich sehr intensiv auf den 75. Jahrestag der Auschwitz-Befreiung vorbereitet. Ausdrücklich wollte der Bundespräsident sich nicht nur zur historischen Verantwortung Deutschlands für den Holocaust bekennen, sondern diese Verantwortung auch in die Gegenwart ziehen. So schreibt er es jetzt auch in das Gedenkbuch in Auschwitz: „Wer den Weg in die Barbarei von Auschwitz kennt, der muss den Anfängen wehren. Das ist Teil der Verantwortung, die keinen Schlussstrich kennt.“

Reden soll Steinmeier in Auschwitz nicht. Die Organisatoren haben sich entschieden, die Gedenkfeier ganz den Überlebenden zu widmen. 200 sind gekommen, von rund 1.000, die es weltweit überhaupt gibt. Einige tragen ihre alte Häftlingskleidung. Vier von ihnen sprechen in dem großen weißen Zelt, das für die Feierstunde wie ein Ufo in das weitläufige Gelände mit seinen unheimlichen Schornsteinen, Stacheldrahtzäunen und Baracken gesetzt wurde. „Wo war die Welt, die nichts tat, uns zu helfen“, fragt anklagend die Israelin Bat-Shava Dagan.

Polens Präsident Andrzej Duda darf als einziger Politiker ein paar Worte zur Begrüßung sagen. Er beschränkt sich auch weitgehend darauf. Jedenfalls facht er mit seinen Worten den Streit mit Russland um die Deutung der Geschichte nicht erneut an. Sondern erinnert daran, dass es die Sowjetarmee war, die Auschwitz befreite. Moskau ist nur niederrangig mit einem Botschafter vertreten. Anders als viele andere Nationen, die mit Präsidenten und Ministerpräsidenten, wie Holland, Belgien und Spanien mit ihren Königspaaren da sind, oder wie Luxemburg von ihrem Staatsoberhaupt Großherzog Henri und Regierungschef Xavier Bettel vertreten werden.

36 Familienmitglieder starben in der Gaskammer

Drei Überlebende fliegen an Bord der Maschine des Bundespräsidenten mit. Steinmeier hat sie eingeladen. Darunter ist Hermann Höllenreiner, ein gebürtiger Münchner, der 1943 als neunjähriges Kind in das „Zigeunerlager“ kam. 36 Mitglieder seiner Großfamilie starben im Gas. Er krempelt den linken Ärmel hoch und zeigt seine Häftlingsnummer Z-3526. „Der Kamin des Krematoriums rauchte immer und es roch nach Menschenfleisch“, erinnert er sich. Einmal, als er die Baracke säubern musste, fand er in der Ecke ein totes Baby. „Es stank schon.“ Höllenreiner hat die Hölle von Auschwitz überlebt und danach die von Sachsenhausen. Mit schweren Traumatisierungen. „Diese Schweinebande“, sagt er immer wieder, als der Tross durch das Lager läuft. Am schlimmsten fand er, dass sie seinen Vater, den er im KZ Sachsenhausen wiedertraf, in den letzten Kriegswochen noch in eine Uniform zwingen und an die Front schicken wollten. Als Kanonenfutter, um das Nazireich vor den Russen zu verteidigen. „Diese Schweinebande.“ Jahrelang schrie Höllenrein nachts im Schlaf auf, berichtet seine Frau. Warum fährt er trotzdem nach Auschwitz? „Man muss den jungen Leuten erzählen, was war“, sagt der heute 87-Jährige. „Aber ich weiß, jetzt werde ich wieder lange keinen Schlaf finden.“

Schon am Mittwoch steht die nächste Gedenkstunde auf dem Programm, diesmal im Bundestag. Israels Präsident Reuven Rivlin wird dort neben Steinmeier sprechen. Rivlin und seine kleine Delegation reisen an diesem Montag zusammen mit Steinmeier in der deutschen Regierungsmaschine von Auschwitz zurück in die deutsche Hauptstadt. Steinmeier hat das angeboten, aus praktischen Gründen. Außerdem sind er und Rivlin seit langem sehr gute Freunde. Und so sitzen die politischen Repräsentanten der Generation der Nachgeborenen von Tätern und Opfern 75 Jahre danach gemeinsam in der VIP-Kabine eines Flugzeugs nach Berlin. An dem Airbus prangt das Eiserne Kreuz der Luftwaffe.

Grober J-P.
28. Januar 2020 - 10.44

Leider gibt es "Gielemännercher" auch heute noch. Vermehren die sich etwa?

J.Scholer
28. Januar 2020 - 6.53

Im Gedenken an die vielen Opfer ist es traurig , dass Luxemburg mit seinem Hurrapatriotismus über Jahrzehnte seine Mitschuld , Mittäterschaft an der Deportation der hiesigen Juden übertüncht hat , die Nachkriegspolitik , Historik die „ kléng Gielemäennercher“ abstrafte die luxemburgischen Täter in den Polizeibataillonen unbehelligt ließ .Man kann Deutschland nur belobigen wie es seine Geschichte versucht aufzuarbeiten, Luxemburg hat es versäumt.