Deutsche Autobauer unter Kartellverdacht

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Die führenden deutschen Autokonzerne haben sich seit Jahrzehnten abgesprochen – über Motoren, Abgasfilter und Lieferanten. Jetzt ermitteln die Kartellbehörden.

Die deutschen Autobauer haben sich nach einem Medienbericht in einer Reihe von geheimen Arbeitskreisen über die Diesel-Abgasreinigung und viele andere Technikstandards abgesprochen. Volkswagen habe am 4. Juli 2016 darüber einen Schriftsatz bei Wettbewerbsbehörden eingereicht, berichtete „Der Spiegel“ am Freitag.

Darin soll VW selbst den Verdacht äußern, die Absprachen von Volkswagen, Audi, Porsche, BMW und Daimler seien „kartellrechtswidriges Verhalten“. Seit den 90er Jahren hätten sich mehr als 200 Mitarbeiter in über 60 Arbeitsgruppen über Kosten, Zulieferer, Märkte und Strategien abgestimmt. Auch die Auswahl von Lieferanten und die Preise von Bauteilen in allen Bereichen der Auto-Entwicklung, von Motoren, Bremsen, Kupplung und Getrieben, seien Gegenstand der Gespräche gewesen.

Großer Rückruf

Unterdessen erhöht Brüssel im Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen den Druck auf Volkswagen. EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska forderte in einem Brandbrief an die Verkehrsminister der 28 EU-Staaten die Stilllegung der betroffenen Autos, wenn sie bis Jahresende nicht umgerüstet sind. Audi will angesichts der Diskussion um Diesel-Fahrverbote bis zu 850.000 Fahrzeuge in Europa und anderen Ländern kostenlos nachrüsten. Über ein Softwareupdate soll das „Emissionsverhalten“ von Sechs- und Achtzylinder-Dieselmotoren der Abgasnormen Euro-5 und Euro-6 verbessert werden, wie die VW-Tochter am Freitag in Ingolstadt mitteilte. Das Update soll für die Kunden in Europa sowie anderen Märkten außerhalb der USA und Kanada verfügbar sein.

„Damit will Audi dazu beitragen, die Gesamtemissionen in den Innenstädten zu reduzieren“, hieß es vom Unternehmen. Der Service gelte auch für Modelle der Marken Porsche und Volkswagen, die mit baugleichen Motoren ausgerüstet sind. Am Dienstag hatte bereits Daimler in Stuttgart angekündigt, europaweit drei Millionen Dieselfahrzeuge in Europa nachrüsten zu wollen. Die zwei Autohersteller gehen damit in Vorlage für den Dieselgipfel von Industrie und Autoherstellern am 2. August.

Audi stand in den vergangenen Wochen unter Druck der heimischen CSU: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hatte dem Unternehmen „illegale Abschaltvorrichtungen“ bei 24.000 Oberklasseautos vorgeworfen – nachdem Audi selbst die Überschreitung der Grenzwerte gemessen und den Behörden gemeldet hatte. Und in München verlangten Ministerpräsident Horst Seehofer und sein Kabinett die kostenlose Umrüstung von Euro-5 Dieselmotoren für die deutschen Kunden. Die Ankündigung des Ingolstädter Autoherstellers geht nun über diese Forderung hinaus.

„Fehlende Strategie“

Konkurrent BMW hingegen bleibt bei der ursprünglichen Offerte, Euro-5-Motoren in Deutschland für die Kunden kostenlos nachzurüsten. Der Münchner Autohersteller geht von „mindestens 350.000 Fahrzeugen“ aus, die nachgerüstet werden können, wie ein BMW-Sprecher sagte. Bei der Nachrüstung handle es sich nicht um einen Rückruf, betonte ein zweiter Sprecher des Unternehmens, sondern um eine freiwilliges Angebot für die Kunden.

Auch Audi betonte, die nun angebotene Umrüstung sei freiwillig und bestehe auch aus bereits zugesagten Maßnahmen. Audi-Chef Rupert Stadler und sein Vorstand sind von mehreren Seiten unter Beschuss. Die Absatzzahlen steigen nicht mehr so schnell wie in früheren Jahren, außerdem hatte Stadler Dobrindt nach dessen Kritik seinerseits politische Profilierung vorgeworfen. Das passte wiederum der VW-Spitze in Wolfsburg nicht. Der Audi-Betriebsrat ist ebenfalls unzufrieden, dessen Vorsitzender Peter Mosch hatte der Unternehmensleitung bei einer aufsehenerregenden Betriebsversammlung in Ingolstadt kürzlich „fehlende Strategie vorgeworfen“.

Reuters/dpa