Kopf des TagesDer Vize kann auch Kanzler: Olaf Scholz (SPD) auf dem Vormarsch

Kopf des Tages / Der Vize kann auch Kanzler: Olaf Scholz (SPD) auf dem Vormarsch
 Foto: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa

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Olaf Scholz stoppt Negativtrend der SPD

Die Sozialdemokraten hatten es dieses Mal eilig. Schon im August 2020, gut ein Jahr vor der Bundestagswahl, nominierten sie Olaf Scholz zu ihrem Kanzlerkandidaten. Der frühe Start sicherte zunächst nicht die besten Plätze: In den Meinungsumfragen lag die SPD lange Zeit abgeschlagen auf Rang drei der Wählergunst. Doch der derzeitige Vizekanzler – der von den drei Kanzlerkandidaten die höchsten persönlichen Zustimmungswerte genießt – schaffte es in den vergangenen Wochen laut Meinungsforschern, den Trend zu wenden.

In der scheidenden Regierung von Kanzlerin Angela Merkel ist Scholz seit 2018 Bundesfinanzminister und hat damit den wohl wichtigsten Kabinettsposten inne. Es ist vor allem seine große politische Erfahrung, mit der der 63-jährige einstige Hamburger Bürgermeister um Wählerstimmen wirbt.

Seine politische Laufbahn begann Scholz in Hamburg, wo der gebürtige Niedersachse aufwuchs und Jura studierte. 1998 schaffte es der Rechtsanwalt in den Bundestag. Zwei Jahre später wurde er erstmals Landeschef seiner Partei in der Hansestadt. Unter Gerhard Schröder, dem bisher letzten sozialdemokratischen Bundeskanzler, war Scholz von 2002 bis 2004 SPD-Generalsekretär. Dies war die Zeit, in der er sich den Spitznamen „Scholzomat“ einhandelte – da er häufig Floskeln bemühte, anstatt sich konkret inhaltlich zu äußern.

Schröder verlor die Bundestagswahl 2005, doch die SPD blieb – nun als Juniorpartner von Merkels Christdemokraten – in der Regierung. Scholz war von 2007 bis 2009 Bundesarbeitsminister in der großen Koalition. Zwei Jahre später wurde er nach dem SPD-Sieg bei der Bürgerschaftswahl Erster Bürgermeister Hamburgs. Deutschlands zweitgrößte Stadt ist ein eigenes Bundesland.

Vier Jahre lang regierte Scholz mit absoluter Mehrheit, nach Stimmenverlusten bei der Wahl 2015 dann in einer Koalition mit den Grünen. Zu den Höhepunkten seiner Amtszeit zählte die Vollendung der Elbphilharmonie 2016, als seine „schwerste Stunde“ bezeichnete er die Krawalle beim G20-Gipfel in Hamburg 2017. Ein Untersuchungsausschuss geht außerdem der Frage nach, ob der Bürgermeister im Zuge des Cum-Ex-Skandals um undurchsichtige Aktiengeschäfte Einfluss auf die steuerliche Behandlung der Warburg Bank nahm.

Von Hamburg ging es 2018 wieder nach Berlin, in die vierte und letzte Merkel-Regierung. In der Corona-Krise 2020 machte Finanzminister Scholz mit dem Ausspruch Furore, Europas größte Volkswirtschaft müsse nun „mit Wumms“ aus der tiefsten Rezession der Nachkriegsgeschichte kommen. In seine Amtszeit fiel aber auch der milliardenschwere Zusammenbruch des Finanzdienstleisters Wirecard, bei dem die Scholz unterstellte Finanzaufsichtsbehörde Bafin keine gute Figur abgab.

Galt Scholz in seiner Zeit als stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD-Jugendorganisation Jungsozialisten (Jusos) in den Achtzigerjahren als Vertreter des linken, kapitalismuskritischen Parteiflügels, so zählt er heute zu den gemäßigten Sozialdemokraten. 2019 kandidierte er erfolglos für den Parteivorsitz, das Rennen bei der Mitgliederbefragung machte das weiter links stehende Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Aber der neuen Parteiführung schien Scholz dann doch der geeignetere Kanzlerkandidat. In den Umfragen schnitt er besser ab als seine Partei insgesamt.

Für den Bundestag kandidiert Scholz nun in Potsdam, wo der langjährige Hamburger inzwischen lebt. Er tritt im selben Wahlkreis wie Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock an. Dem Bundesland Brandenburg, das die deutsche Hauptstadt umschließt, ist Scholz auch familiär verbunden: Seine aus Hamburg stammende Ehefrau Britta Ernst ist dort seit 2017 Bildungsministerin.