Ukraine-KriegDer Überraschungscoup der Ukraine: Kiew macht massive Geländegewinne in kurzer Zeit

Ukraine-Krieg / Der Überraschungscoup der Ukraine: Kiew macht massive Geländegewinne in kurzer Zeit
In Balakliya wehen wieder ukrainische Flaggen, genau wie in Isjum und Kupiansk Foto: AFP/Juan Barreto

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200 Tage nach Kriegsbeginn meldet die Ukraine ihre größten Erfolge seit Monaten. In der Region Charkiw haben die ukrainischen Soldaten den Frontverlauf um bis zu 60 Kilometer zu ihren Gunsten verschoben.

Die Ukraine hat bei ihrer Gegenoffensive in nur wenigen Tagen massive Geländegewinne gemacht. Bis zu 3.000 Quadratkilometer sollen in nicht einmal einer Woche von den russischen Besatzern zurückerobert worden sein. Das ist eine Fläche größer als Luxemburg und bemerkenswert in diesem Krieg, in dem sich die Fronten in den vergangenen Monaten nur sehr langsam zu Russlands Gunst verschoben hatten. Die Gegenoffensive der Ukraine ist so bereits jetzt ein Desaster für die russische Armee, für das die Experten noch nach historischen Parallelen suchen – und selbstredend ein enormer Erfolg für Kiew, der die Moral der eigenen Streitkräfte stärkt und ein Signal an den Westen sendet, dass es sich lohnt, die Ukraine weiter mit Waffen zu unterstützen.

Das Geheimnis dieses bislang größten militärischen Erfolges der Ukraine seit der Abwehr des russischen Angriffs auf die Hauptstadt Kiew in den ersten Wochen des Krieges war wohl der Überraschungseffekt: Er passierte nicht dort, wo ihn alle erwartet hätten.

Kiews Trick: Alle Augen auf Cherson lenken

Seit Monaten spricht Kiew davon, bald zum Gegenangriff zu blasen. Ziel sei, so hieß es fortwährend, die schnelle Rückeroberung der Seehafenstadt Cherson im Süden des Landes. Dort wurden seit Wochen mit amerikanischen Himars-Raketenwerfern erfolgreich wichtige Brücken über den Fluss Dnjepr beschossen, um russische Nachschubwege unpassierbar zu machen. Dort wurde die Bevölkerung mehrmals und eindringlich dazu aufgerufen, die Region wegen der anstehenden Kriegshandlungen zu verlassen. Und dort wurden Ende August dann tatsächlich der Beginn einer Gegenoffensive und erste, kleine Geländegewinne der Ukrainer gemeldet. Der Blick der Weltöffentlichkeit richtete sich auf den Süden der Ukraine. Moskau ging es nicht anders und schickte über Wochen hinweg Nachschubkräfte in die Region, um den angekündigten ukrainischen Angriff auf Cherson zu kontern.

In Fotolaune: Ukrainische Soldaten haben dutzende Ortschaften und Städte zurückerobert 
In Fotolaune: Ukrainische Soldaten haben dutzende Ortschaften und Städte zurückerobert  Foto: Screengrab Telegram

Dann, Anfang September, begann es in der Region Charkiw im Nordosten der Ukraine zu scheppern. Die ukrainischen Streitkräfte stießen zeitgleich mit Panzerverbänden unterstützt von Artillerie und Infanterie in zwei Richtungen vor, was die Russen offenbar vollkommen überraschte. Kiew konnte recht bald die ersten zurückeroberten Ortschaften melden. Im Internet tauchten immer mehr Videos auf, wie die ukrainische Fahne in bereits verloren gegangenen Gebieten gehisst wird. Hinzu kommen Aufnahmen von gefangen genommenen hochrangigen russischen Militärs und solche von zurückgelassenen russischen Panzern, Mehrfachraketenwerfern, Artilleriegeschützen und anderem Kriegsgerät. Die Bilder sprechen eine deutliche Sprache – offenbar haben zumindest Teile der russischen Streitkräfte ihre Positionen panikartig verlassen.

Inzwischen konnten die Ukrainer neben zahlreichen Dörfern mindestens drei wichtige Städte zurückerobern. Die 30.000-Einwohner-Stadt Balakliya fiel bereits am Donnerstag zurück in ukrainische Hände, am Wochenende folgten Isjum und Kupiansk. Insbesondere Kupiansk ist von großer strategischer Bedeutung, weil es seit Beginn des Krieges am 24. Februar der einzige Eisenbahnknotenpunkt war, über den die Russen ihre Truppen im besetzten Nordosten der Ukraine versorgten. In nicht einmal einer Woche sind die ukrainischen Soldaten so um mindestens 60 Kilometer vorgerückt und auch am Sonntag sah alles danach aus, dass die Gegenoffensive weiter anhalten würde.

Reste von zerstörten gepanzerten Fahrzeugen säumen eine Straße in Balakliya
Reste von zerstörten gepanzerten Fahrzeugen säumen eine Straße in Balakliya Foto: AFP/Juan Barreto

Während das russische Verteidigungsministerium von einer geplanten „Verlagerung“ seiner Truppen sprach, bestätigten russische Beamte und Militärblogger auf dem Messengerdienst Telegram die ukrainischen Erfolge und den eigenen Rückzug. Am Sonntagmittag berichteten russische Beobachter auf Telegram, dass die Ukraine mit dem Städtchen Welykyj Burluk nördlich von Kupiansk einen weiteren Transportknotenpunkt eingenommen hätten. Wie der The Kyiv Independent auf Twitter mitteilte, haben laut dem Militärgouverneur der Region Luhansk, Serhiy Haidai, ukrainische Partisanen am Wochenende die blau-gelbe ukrainische Flagge sogar in Kreminna gehisst, einer Ortschaft in der Nähe der Stadt Sjewjerodonezk, die Anfang Juli unter die Kontrolle der russischen Streitkräfte fiel. Die russischen Besatzer und Kollaborateure würden Haidai zufolge in sehr großer Zahl Siedlungen in der Region Luhansk verlassen.

In der Tat kursierten in den sozialen Netzwerken über das Wochenende Videos von riesigen Autoschlangen, die sich in Richtung der an die Ukraine grenzenden russischen Region Belgorod bewegt haben sollen. „Das war nicht die einfachste Nacht, das war nicht der einfachste Morgen“, bestätigte der Gouverneur von Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, am Sonntag per Video im Onlinedienst Telegram die Entwicklung. In den vergangenen 24 Stunden hätten „tausende Menschen die Grenze überquert“.

Plötzlich meldet sich Kadyrow wieder

Der russische Ex-Geheimdienstler und Ultra-Nationalist Igor Girkin, den Moskau 2014 mit der Organisation des Krieges in der Ostukraine betraut hatte und der seit Wochen vor dieser Entwicklung gewarnt und den russischen Kriegseinsatz stets als zu zaghaft gegeißelt hatte, schrieb von einer „schweren Niederlage“. Auch Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow, dessen Truppen insbesondere in Mariupol gegen die Ukrainer kämpften, meldete sich mal wieder zu Wort auf Telegram und sprach von „Fehlern, die gemacht wurden“ und dass die russischen Soldaten „nicht vorbereitet waren“. „Ich denke, sie werden ihre Schlüsse daraus ziehen“, sagt Kadyrow, der auch andeutet, dass Putin die Situation vor Ort möglicherweise nicht vollständig kenne. Kadyrow erwähnte ebenfalls, dass bereits tschetschenische Kämpfer vor Ort seien und weitere 10.000 bereit zur Abreise seien. „Unsere Hände und Füße zittern bereits“, schrieb Kadyrow.

Am Sonntag vom Verteidigungsministerium in Moskau gezeigten Karten zufolge räumten die russischen Einheiten allerdings den Norden des Gebiets an der Grenze zu Russland komplett und zogen sich auf eine Linie hinter die Flüsse Oskil und Siwerskyj Donez zurück. Angesichts der Entwicklungen dringt die ukrainische Regierung zunehmend auf die weitere Lieferung schwerer Waffen aus dem Westen. Außenminister Dmytro Kuleba bekräftigte dies auch nach einem Treffen mit der deutschen Chefdiplomatin Annalena Baerbock am Samstagabend in Kiew.

w. d.
11. September 2022 - 18.15

Russland muss ja so einen Schrott an militärischer Ausrüstung haben, dazu einen Haufen der unfähigsten Kommandeure.... die EU voran, dann der Amerikaner, sollte einfach die 6000 Atomsprengköpfe in die selbe Kategorie Schrott einstufen und angreifen. Hurra... Hurra.. Hura!