Neuer Sheriff in Kamera-City: Der Minister für Innere Sicherheit François Bausch ist kein Überwachungsfreund

Neuer Sheriff in Kamera-City: Der Minister für Innere Sicherheit François Bausch ist kein Überwachungsfreund

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Die Polizei überwacht derzeit mit 88 Kameras das Luxemburger Bahnhofsviertel und den Pont Adolphe. Das System wurde in den vergangenen Monaten ausgebaut – aber bei weitem nicht so, wie es Polizei und Stadtvorstand eigentlich geplant hatten. Der Grund: ein neuer Chef im Ministerium für Innere Sicherheit.

100 neue Überwachungskameras sollten in Luxemburg-Stadt aufgebaut werden. Die Sicherheitszone am Hauptbahnhof sollte massiv ausgebaut werden. Und in Bonneweg war sogar die Einrichtung einer komplett neuen Sicherheitszone geplant. Die Ausweitung der Überwachung sollte „das Sicherheitsgefühl für Bürger, die in sensiblen Gebieten der Hauptstadt unterwegs sind, verbessern“ – und die Arbeit der Sicherheitskräfte „in bestimmten sensiblen Gebieten“ erleichtern, wie es in einem internen Dokument der Polizei vom Juli 2018 hieß. Etienne Schneider (LSAP), bis Dezember 2018 Minister für Innere Sicherheit, unterstützte das Vorhaben.

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Und auch die Luxemburger Stadtregierung sah den Überwachungsausbau wenig kritisch. Auf seiner Sitzung vom 25. Juli 2018, bei der die Polizei das Vorhaben vorstellte, stimmte der Präventionsausschuss des Stadtrats diesem nicht nur zu – Bürgermeisterin Lydie Polfer nutzte die Gelegenheit auch, um eine weitere Überwachungszone vorzuschlagen: an der place du Parc in Bonneweg, deren Anwohner sich regelmäßig beschweren würden. Im gleichen Zuge sprach Polfer „das Problem mit den Obdachlosen“ an, die „von überall herkommen“ und im Stadtpark den Bereich rund um die Prinzessin-Amélie-Statue „besetzen“ – einen Bereich, der von Visupol eigentlich schon seit 2007 überwacht wird. Gegenüber dem Tageblatt erklärte Polfer im vergangenen Oktober: „Wir begrüßen die Kameras.“

Massiver Ausbau liegt auf Eis

Aber aus den ausgiebigen Überwachungsplänen von Polizei, Schöffenrat und Etienne Schneider wird erst einmal nichts. Denn der neue Herr im Ministerium für Innere Sicherheit steht den neugierigen Augen offenbar skeptischer gegenüber. François Bausch („déi gréng“) übernahm das Haus im Dezember 2018 von LSAP-Mann Schneider. Drei Monate später verkündete er, dass zwar sowohl am Bahnhof als auch auf dem Pont Adolphe neue Kameras aufgebaut werden. Allerdings bedeutend weniger, als Schneiders Plan vorsah.

Im Bahnhofsviertel werden laut Tageblatt-Informationen nur neun zusätzliche Kameras installiert – vorgesehen waren 46. Auf der Fahrradbrücke unter dem Pont Adolphe wurden nur fünf statt sechs Apparate installiert. Die neue Sicherheitszone in Bonneweg, für die rund um die place Léon XIII 22 Überwachungsgeräte aufgebaut werden sollten, fällt erst einmal komplett weg. Von der place du Parc ist überhaupt keine Rede mehr.

Zurückhaltende Haltung 

In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der CSV-Abgeordneten Laurent Mosar und Gilles Roth spricht Bausch nun Tacheles. „Ich hatte immer eine zurückhaltende Haltung gegenüber der Videoüberwachung“, schreibt der Minister. „Deshalb bin ich weder der Stellungnahme des Luxemburger Präventionsausschusses gefolgt, noch habe ich dem Druck verschiedener politischer Parteien und des Luxemburger Schöffenrats nachgegeben.“ Letztere forderten laut Bausch, dass die Videoüberwachung in Bonneweg bereits Anfang 2019 startete. „Ich bin nach wie vor der Meinung, dass Videoüberwachung kein Wundermittel zur Verbrechensbekämpfung ist“, sagt Bausch. „Ihre Anwendung muss streng begrenzt und klar geregelt werden.“

Als eine seiner ersten Amtshandlungen als Minister für Innere Sicherheit habe er die Generalinspektion der Polizei angewiesen, eine „tiefgehende Studie“ über die Videoüberwachung zu erstellen. Das präzisierte Bauschs Sprecherin Dany Frank bereits in einer Antwort auf eine Tageblatt-Anfrage im März: „Bevor eine eventuelle Ausweitung in Betracht gezogen wird, muss erst die Auswirkung der bestehenden Kameras ausgewertet werden.“ Seit 2007 schauen die Überwachungskameras den Luxemburgern über die Schulter und dringen in ihre Privatsphäre ein – und die Regierung weiß nicht, „welche Auswirkungen“ die Geräte überhaupt haben?

Keine Begeisterung der Bürger

Laut einem Gutachten über das Visupol-System aus dem Jahr 2011 sollten die Ordnungshüter eigentlich „regelmäßige Gutachten und jährliche Evaluationsberichte“ schreiben. Aber die sind offenbar wenig aussagekräftig. „Das sind pure Statistiken, aber keine Studie“, erklärte Dany Frank im März. Der Minister wünsche sich eine „komplette Studie, in der Parameter, Vorgaben und Kriterien erstellt werden, die dann auch gesetzlich festgelegt werden sollen“.

Die Erkenntnisse aus dieser Studie sollen dann als Basis für zukünftige Kamera-Überlegungen dienen. Evaluiert werden soll unter anderem, ob es nicht besser wäre, erst am Stadtbild zu werkeln – also beispielsweise „dunkle Ecken“ zu beseitigen –, bevor eine Kamera aufgebaut wird. Und: Auch das „Sicherheitsgefühl“ der Bürger soll in der Untersuchung unter die Lupe genommen werden.

Einige von ebendiesen Bürgern scheinen von den Überwachungsgeräten nicht sonderlich angetan zu sein: zum Beispiel im Drogenhotspot rue du Strasbourg mitten im Bahnhofsviertel. Dort wurden bereits einige der neuen Kameras aufgebaut. Um unbeobachtet von der Polizei zu sein, haben die Dealer, die dort ihren Geschäften nachgehen, ihren Standort einfach um 100 Meter verschoben. „Mehr Kameras sind keine Option, da das Problem dadurch wohl nur verlagert wird“, sagt ein Anwohner im Gespräch mit dem Tageblatt.

Fehlt die rechtliche Grundlage?

Aber die Kameraüberwachung könnte Bausch noch ein weiteres Problem bescheren. Ähnlich der Causa Polizeidossiers ist offenbar unklar, ob die Videoaufzeichnung im öffentlichen Raum überhaupt von Luxemburgs Gesetzen und Datenschutzverordnungen gedeckt ist.
„Fakt ist: Das alte Gesetz von 2002, das die Kameraüberwachung autorisierte, ist von einem neuen Gesetz abgelöst worden“, sagte ein Sprecher der Luxemburger Datenschutzkommission gegenüber dem Tageblatt bereits vergangenen Oktober. „So gibt es keine legale Basis mehr für die Videoüberwachung, die die Polizei ausführt.“ Die Datenschutzkommission war damals über die Ausweitung der Überwachung von der Polizei nicht im Vorfeld informiert worden. „Wir haben davon aus der Presse erfahren“, sagt der Sprecher.

In genau diese Kerbe schlagen die CSV-Abgeordneten Mosar und Roth in ihrer parlamentarischen Anfrage: „Ist das ein Eingeständnis der Regierung, dass die Videoüberwachungsgesetze nicht den geltenden Datenschutzanforderungen entsprechen?“, fragen sie. Bausch sieht das anders. Für ihn bildete das neue Gesetz vom 1. August 2018, das die EU-Datenschutzverordnung in luxemburgisches Recht implementierte, nun „den rechtlichen Rahmen für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Polizei“.
Mit diesem Gesetz wurde ironischerweise auch die Datenschutzkommission in ihrer jetzigen Form geschaffen.

Einschränkungen von Rechten und Freiheiten

In der Zeit nach dem Bekanntwerden der Visupol-Ausbaupläne prüften die Juristen der Kommission, ob die Überwachung mit anderen Gesetzen oder europäischen Richtlinien zu rechtfertigen sei. Im März legten sie eine offizielle Stellungnahme vor. Darin heißt es, dass das Visupol-System möglicherweise „das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz beeinträchtigt“, unter Umständen das Recht auf Nicht-Diskriminierung beschneide und eventuell „die Freizügigkeit von Personen im öffentlichen Raum einschränkt“.

Diese Einschränkungen von Rechten und Freiheiten seien möglich – müssten aber gesetzlich fundiert sein. Und das scheint derzeit nicht der Fall zu sein. Die Gesetze und Reglements, auf denen das Visupol-System einst beruhte, wurden aufgehoben, schreibt die Datenschutzkommission in ihrem Gutachten. Und auch jene Gesetze, die die Aufgaben der Polizei bestimmen, erlauben offenbar keine großflächige Überwachung der Bürger mit Kameras. Die Datenschutzkommission schlägt deshalb vor, die Rechtsvorschriften über die Aufgaben der Polizei weiter zu präzisieren, um Visupol in ihren Anwendungsbereich einzubeziehen – „oder sogar spezifische Rechtsvorschriften in diesem Bereich zu erlassen“.

Sprich: Die gesamte Videoüberwachung in Luxemburg – egal ob alte oder neue Kameras – steht gesetzlich derzeit auf ziemlich wackligen Beinen. Und François Bausch? Der macht den Bock einfach zum Gärtner: „Die Stellungnahme der Datenschutzkommission bestätigt meine Vorstellungen für einen spezifischen rechtlichen Rahmen“, antwortet er geschickt auf Mosars und Roths kritische Fragen nach der Rechtmäßigkeit der Überwachung. Die unabhängige Generalinspektion der Polizei soll bei ihrer großen Studie nun auch prüfen, ob die „Vorschriften für die Videoüberwachung den gesetzlichen Anforderungen vollständig entsprechen“.

Laird Glenmore
4. Juli 2019 - 13.11

Bausch ist kein Überwachungsfreund Falsch er ist ein kompletter Überwachungsfreak der sich pausenlos was neues einfallen läßt um den Bürgern das Geld aus der Tasche zu ziehen, der Minister er will keinen Überwachungsstaat ich lache mich tot.

J.C.KEMP
3. Juli 2019 - 19.49

Das Wort 'Sicherheitsgefühl' ist eigentlich ein sehr vieldeutiges Wort, wenn man es ein wenig im Kopf herumgehen lässt. Für mich hat es einen eher negativen Beigeschmack.

de luussert jr.
3. Juli 2019 - 19.19

Man lese, höre und staune! Bausch verhindert den Überwachungsstaat.

Garde-fou
3. Juli 2019 - 11.18

Dat ass schéin an iwwerraschend liesen. Hätten mir elo nach déi indirekt Iwwerwachung an Form vum "net-geheimen, geheimen Polizeiregister" fort, dann wier dat och richteg koherent.