In der einen Hand eine blaue Tasse, in der anderen ein mit Milch gefülltes Kännchen – so steht Ken Braz an einem späten Septembermorgen hinter der Theke im Café „Florence“ in Luxemburg-Stadt. Der 28-Jährige aus Beles kennt die Besitzerin des gemütlichen Coffeeshops in der rue Adolphe Fischer und darf auch mal hinter den Tresen, um sein Können in puncto Kaffee-Zubereitung unter Beweis zu stellen. Denn Ken Braz weiß, wie man einen guten Kaffee schön präsentiert. So braucht er nur einige Sekunden und ein paar lockere Handgriffe, um eine kunstvolle Blume in den Milchschaum zu zaubern.
Eigentlich lebt Ken Braz in Berlin. Für ein Studium in Marketing und Kommunikation zieht es den Luxemburger 2015 in die Hauptstadt Deutschlands, wo er seine Leidenschaft zum Kaffee zum Beruf gemacht hat. Entfacht wird diese in einem Kurs an der Uni, wie er sich erinnert: „Es ging um Unternehmen, die nicht unbedingt auf maximalen Profit aus sind. Ein Beispiel dafür war eine Berliner Kaffeerösterei, die mit ihrem Gewinn Projekte in den Anbauländern finanziert – beispielsweise den Bau von Brunnen.“
Beginn einer Leidenschaft
Neugierig geworden, kauft Ken Braz sich nach dem Unterricht Kaffee bei der im Kurs vorgestellten Rösterei und bemerkt, dass dieser besser schmeckt als der Kapselkaffee, den er sonst trinkt. Der Student beginnt sich für Kaffee und dessen Herstellungsbedingungen zu interessieren, startet einen Blog zum Thema und taucht immer weiter in die Welt des braunen Heißgetränks ein. Nach seinem abgeschlossenen Bachelor-Studium nimmt er dann einen Job in einer Werbeagentur an.
Doch nach acht Monaten in der Kommunikationsagentur beschließt Ken Braz, auch beruflich seiner Leidenschaft zu folgen: Der damals 25-Jährige kündigt 2019 seine feste und gut bezahlte Stelle, um fortan für den Mindestlohn in einem Coffeeshop an der Kasse zu stehen. Ein mutiger Schritt, der belohnt wird: Ken Braz‘ Vorgesetzter erkennt dessen Talent und der motivierte Mitarbeiter darf schon nach sechs Wochen an die Kaffeemaschine: „Bei Neuen ist das häufig erst nach etwa drei Monaten der Fall. Aber ich blieb nach meinen Schichten oft, um beispielsweise meine ‚Latte Art‘ zu verfeinern.“ Dieser Begriff bezeichnet die liebevoll gestalteten Motive im Milchschaum eines Kaffees.
Liebe zum Detail
In dieser Zeit lernt der ehrgeizige Barista viel über die Herstellung sowie das Rösten von Kaffee. „Viele wissen nicht, wie viel Arbeit hinter einer guten Tasse Kaffee steckt. Es gibt so viele Faktoren und technische Details, die die Qualität beeinflussen“, erklärt Ken Braz und denkt dabei an die richtige Einstellung der Kaffeemühle, die Temperatur der Kaffeemaschine, aber auch die Schnelligkeit, mit der das Heißgetränk aus der Maschine fließt. „Wenn es zu schnell fließt, schmeckt es nachher eher säuerlich. Das muss man erkennen und die Einstellungen anpassen“, erzählt der Kaffeekenner, der von sich selbst sagt, sehr exakt zu sein. Denn das Berücksichtigen von Details macht in seinen Augen am Ende einen guten Kaffee aus.
Nach drei Monaten Arbeit im Coffeeshop wird Ken Braz Geschäftsführer einer neu eröffneten Zweigstelle und wechselt später zu einer Rösterei, bei der er anderthalb Jahre lang arbeitet. Das vergangene Jahr hat er nun genutzt, um den nächsten Schritt in seiner beruflichen Laufbahn vorzubereiten: Der 28-Jährige will sich mit seinem eigenen Kaffee „August 63“ in Berlin selbstständig machen. Der Name ist in Anlehnung an die Berliner Adresse gewählt, unter der Ken Braz 2020 im Wohnzimmer seiner Wohnung damit begann, den ersten eigenen Kaffee zu rösten. Mittlerweile kann er dafür auch in eine Rösterei in der deutschen Hauptstadt gehen.
Durch das Rösten in dem dafür vorgesehenen Gerät bekommen die grünen Bohnen des Rohkaffees ihre typisch braune Farbe. Bei der Auswahl der rohen Bohnen achtet Ken Braz auf die Herkunft sowie faire Arbeitsbedingungen für die Bauern. Deshalb kauft er bei einem Zwischenhändler in Deutschland ein, den er auch persönlich kennt. Die Bohnen stammen von einer Farm aus Kenia; mit ihrem Kauf werden Projekte von Nichtregierungsorganisationen unterstützt. Irgendwann will der Gründer von „August 63“ ganz auf den Einkauf bei einem Zwischenhändler verzichten und stattdessen selbst in das Ursprungsland reisen. „So kann man einen positiven Impakt schaffen, erhält gute Qualität und am Ende einen guten Kaffee.“
Bei den Menschen
Und den will Ken Braz nun mit einer mobilen Kaffeebar unter die Menschen bringen. Dafür hat er ein motorisiertes Dreirad gekauft, mit dem er an lokalen Märkten, Firmen-Veranstaltungen und Streetfood-Festivals teilnehmen will. Mit der mobilen Lösung geht er auf Nummer sicher: „Bei einem Laden an einem festen Standort müssten die Leute immer zu mir kommen, so aber kann ich ganz einfach zu den Menschen hin.“
Den Umbau des Fahrzeugs finanziert Ken Braz durch Crowdfunding. Potenzielle Kunden können Kaffee bei ihm vorbestellen und bekommen diesen geliefert, sobald genug Bestellungen aufgegeben wurden. Erst mit Erreichen der Zielsumme wird Geld abgebucht. Aktuell wurden bereits Vorbestellungen im Wert von rund 6.600 Euro getätigt, das Ziel sind 12.000 Euro bis Ende Oktober. „Mehr als 115 Leute haben mich bisher unterstützt, viele davon aus Luxemburg. Es sind alte Freunde, Menschen, mit denen ich zusammengearbeitet habe oder die mich durch meinen Blog kennen“, erzählt der Mann, den viele auch „Kaffee-Ken“ oder den „Kaffee-Verrückten“ nennen.
„Viele wollen meinen Mut belohnen und mich darin unterstützen, dass ich stets mein Ziel verfolgt habe.“ Da nach zwei Lockdowns in den vergangenen Jahren nun wieder mehr Veranstaltungen organisiert werden, blickt der leidenschaftliche Unternehmer optimistisch in die Zukunft und stellt fest: „Bisher habe ich noch keinen Schritt bereut. Ich will das jetzt einfach machen.“
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