GesundheitDas Leben mit der Diagnose Brustkrebs: Der Kampf von Jo und Tamara

Gesundheit / Das Leben mit der Diagnose Brustkrebs: Der Kampf von Jo und Tamara
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Luxemburg, schreibt die Fondation Cancer  Illustration: Unsplash

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Brustkrebs ist das häufigste Karzinom, an dem Frauen erkranken. Die Patientinnen haben dabei nicht nur mit der lebensbedrohlichen Krankheit zu kämpfen, sondern auch mit erheblichen psychischen und auch ästhetischen Belastungen. Und manche verlieren den Kampf. Unsere Korrespondentin Elke Bunge ist der Frage nachgegangen, wie man mit der Diagnose Brustkrebs leben kann.

Bereits vor zwei Jahren habe ich mich an dieser Stelle mit dem Thema beschäftigt. Doch immer noch – trotz moderner Diagnose- und Therapieverfahren – ist es brennend aktuell und viele Frauen und auch ihre Familien sind davon betroffen. Krebs haben nicht nur immer die anderen. So jedoch dachte meine Freundin Jo. Von ihrer Krankheit und der Heilung hatte ich damals berichtet. Bei einem Reihen-Screening wurde eine Gewebeverhärtung in der linken Brust entdeckt. Eine folgende Gewebeuntersuchung ergab: Es handelte sich dabei um eine maligne Geschwulst. Ein Schuss mitten ins Herz! Eine Operation war unausweichlich. Die noch zu klärende Frage blieb: Hatte das Karzinom bereits gestreut, waren größere Gewebebereiche befallen und war somit eine Mastektomie, eine Entfernung der Brust, unumgänglich?

Jo hatte Glück im Unglück: Nach einer weiteren Konsultation beschlossen die Mediziner, lediglich den Primärtumor zu entfernen. Den chirurgischen Eingriff hatten dann sowohl eine Chemo- als auch eine Strahlentherapie begleitet. Bis heute – inzwischen sind seit dem Eingriff mehr als fünf Jahre vergangen – hatten Kontrolluntersuchungen keinen weiteren positiven Befund ermittelt, die Mediziner betrachten Jo als geheilt und längst hat meine agile Freundin ihren Lebensrhythmus wiedergefunden.

Weniger Glück hingegen hatte ihre damalige Bettnachbarin Tamara. Auch sie hatte vor Jahren ein kleines Knötchen in ihrer Brust gespürt, hatte jedoch an eine Gefäßverkalkung geglaubt, wie sie manchmal vorkommen. Auch ihre Gynäkologin sah zunächst keinen Handlungsbedarf, wies Tamara jedoch darauf hin, dass sie das Geschehen genau beobachten solle. Bei einer weiteren Untersuchung drang die Ärztin darauf, Gewebe zu entnehmen und zu untersuchen. Die Diagnose bestätigte, was Tamara bereits geahnt, jedoch vor sich selbst nicht zugelassen hatte: In ihrer Brust hatte sich ein maligner Tumor, ein Basalkarzinom, entwickelt.

Diese besonders aggressive Form des Brustkrebses reagiert nicht auf weibliche Hormone und lässt sich damit auch nicht hormonell behandeln. Im Anfangsstadium hilft nur eine den Organismus stark belastende Chemotherapie – begleitet von einer gezielten Strahlentherapie, die möglichst viele Tumorzellen zerstören soll. Schon in einem etwas fortgeschrittenen Stadium raten Gynäkologen zur Amputation der Brust, zur Mastektomie.

Tamara, so berichtete mir meine Freundin Jo von ihren Telefonaten, hatte große Angst vor den Konsequenzen beider Therapien. Mit ihrer Ehe, so gestand sie ein, stand es nicht gerade zum Besten. Sie fürchtete, für ihren Mann unattraktiv zu werden, davor, dass er die Familie verlassen könnte und sie schwerkrank mit den Kindern zurückließe. Dieser psychischen Belastung stand die Angst gegenüber, die Krankheit könnte sich rasch ausbreiten und sie ihr Leben kosten. Unterstützung bekam sie in dieser Zeit von der Mutter, die selbst genau wusste, wie schwierig es ist, als berufstätige Alleinerziehende zwei Kinder auf den Weg ins Leben zu begleiten.

Sich gegen die familiären Ängste zu stellen, war eigentlich nicht wirklich eine Wahl. Wollte Tamara die Krankheit überleben, musste sie sich der Therapie unterziehen.

Bei einer vollständigen Mastektomie werden Hautmantel, Brustdrüse und Brustwarze entfernt
Bei einer vollständigen Mastektomie werden Hautmantel, Brustdrüse und Brustwarze entfernt Illustration: Unsplash

Herber Rückschlag 

Wie Jo berichtete, hatte der Ehemann inzwischen die gemeinsame Wohnung verlassen. Vorübergehend, wie er meinte. Tamara konnte darauf jetzt keine Rücksicht nehmen. Sie begab sich in eine Behandlung mit Zytostatika (Substanzen, die die Zellteilung bzw. -vermehrung hemmen, Anm.d. Red.). Die Hoffnung, die die Mediziner damit hegten, war, dass sich die Krebszellen nicht weiter vermehren würden. Für die Patientin war dies eine enorme Belastung. „Du weißt ja selbst, wie das ist“, meinte Tamara in einem Telefonat mit Jo. „Du stehst unter der Dusche und merkst, wie du deine Haare verlierst, erst einzeln, dann büschelweise. Ich konnte mich selbst im Spiegel nicht mehr ertragen.“

Müdigkeit, Übelkeit, Glieder- und Kopfschmerzen kamen in den ersten Wochen der Behandlung hinzu. Auch die hinzukommende Strahlentherapie hinterließ physische und psychische Wirkungen. Halt gaben ihr die Mutter und weitere Familienangehörige. Auch die beiden Kinder verhielten sich rücksichtsvoll. „Sie waren wirklich lieb, übernahmen selbständig Aufgaben und versuchten, mir das Alltagsleben leichter zu machen“, meinte Tamara.

Dann kam der Rückschlag: Chemo- und Strahlentherapie hatten nur teilweise ihre Wirkung erzielt. Nun blieb doch kein Ausweg, als eine Mastektomie. Die Operateure rieten ihr zu einer vollständigen „Ablatio mammae“, bei der auch Hautmantel, Brustdrüse und Brustwarze vollständig entfernt würden. Nur mit dieser Operation könne man die Chancen auf ein Überleben wahren. Tamara blieb keine Wahl. Das war vor drei Jahren. Wie es weiterging, konnte Jo nicht berichten. Infolge der schweren Erkrankung und der hinzukommenden Corona-Isolation war der Kontakt zu Tamara abgebrochen.

Sehr aggressive Tumorart

Das basale Brustkarzinom gehört zu den aggressivsten Tumorarten, auch nach vermeintlich gelungener Behandlung haben viele Patientinnen nur eine Überlebenschance zwischen zwei und vier Jahren.  Statistischen Angaben zufolge ist Brustkrebs die tödlichste Karzinomart, an der Frauen erkranken können. Von den in Luxemburg an Krebserkrankungen Verstorbenen hatte jede Fünfte ein Mammakarzinom. Auch Männer können an Brustkrebs erkranken, doch es kommt viel seltener vor.

So verwundert es nicht, dass trotz aller Erfolge in der medizinischen Forschung die verantwortlichen Mediziner zur Mastektomie raten. Denn bei allen ästhetischen Einschränkungen bietet diese Operationsart wenigstens doch eine Überlebenschance.

Einen Weg, wie damit umzugehen und zu leben ist, müssen die Betroffenen und ihre Angehörigen finden. Inzwischen gibt es auch Hilfe von außen. Nebst professioneller Psychotherapie haben sich Betroffene zu Treffs, Gruppen oder Netzwerken zusammengeschlossen. Eines davon ist „AMSOB“: Ablatio Mammae – selbstbewusst ohne Brust. Amsob.de ist eine Plattform für betroffene Frauen, deren Partner und Angehörige. Die ehrenamtlichen Mitglieder der Gruppe sind zumeist selbst betroffen, sie bieten Erfahrungsaustausch an, vermitteln Kontakte auch zu internationalen Gruppen, stehen mit Rat auch in schwierigen Situationen zur Seite.