Der junge Drummer Tom Zuang über Improvisation, Grenzen und Emotionen in der Musik

Der junge Drummer Tom Zuang über Improvisation, Grenzen und Emotionen in der Musik

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Ob Klassik, Rock, Pop oder Jazz – der junge Drummer Tom Zuang findet in allen Genres Raum, um sich auszudrücken. Zuletzt war er als Schlagzeuger der Rockgruppe Rat October auf den Bühnen des Großherzogtums zu hören. Doch sein Talent für das Schlagzeug geht weit über eingängige Rhythmen hinaus.

Von Luc van den Bossche

Eine „Sandbox“, ein begrenzter Raum mit unbegrenzten Möglichkeiten. Das ist Musikspielen für den 20-jährigen Drummer Tom Zuang. Die Möglichkeit, sein Innenleben in Klang und Rhythmus zu kleiden, begrenzt nur durch die Vorgaben der Musik selbst. „Du kannst eigentlich nie komplett das tun, was du willst“, erklärt Zuang. „Es geht immer darum, die Balance zu finden zwischen dem, was von der Musik, die du gerade spielst, gefordert wird und der eigenen Kreativität.“ Oder etwas einfacher ausgedrückt: „Du musst einfach wissen, was passt.“ Und das gelte für alle musikalischen Genres. Auch im Jazz. „Im Jazz ist der Unterschied, dass du mit einer musikalischen Struktur arbeitest, die mehr Richtlinie als Vorgabe ist.“

Sein Interesse an dieser Musikrichtung ist noch recht jung: Es ist in etwa zwei Jahre her, dass er sich zum ersten Mal mehr dafür interessiert hat. Vor allem dem sogenannten Free Jazz gilt seine Leidenschaft. Denn: „Hier ist die Textur wichtiger als die Struktur, es geht weniger darum, was du spielst, und mehr darum, wie du es spielst.“ Er ist sich dabei jedoch durchaus bewusst, dass dieses Genre nicht jedermanns Sache ist. „Es ist wie bei Comedy“, meint er, wo derselbe Humor eben nicht jedes Publikum anspreche. „Und es ist natürlich schwierig, Free Jazz zu verstehen, wenn du nicht weißt, auf was du beim Hören aufpassen musst. Das bedeutet jedoch nicht notwendigerweise, dass du ohne ausreichende musikalische Bildung nichts damit anfangen kannst.“ So oder so löse es etwas beim Zuhörer aus. Und sei es nur Langeweile oder Frustration.

Keine bessere oder schlechtere Musik

Anders gesagt gibt es für ihn keine Art Hierarchie in Bezug auf Musikrichtungen, kein Musikgenre ist pauschal besser oder schlechter als ein anderes. „Das ist immer sehr subjektiv“, meint er dazu. Es stimme schon, dass manche Musik einfacher zu hören sei als andere, dadurch entstehe aber keine Wertung. „Bestimmte Musik passt einfach besser zu gewissen Situationen, zu bestimmten Stimmungen.“ Das bedeute nicht, dass Musik – und darüber hinaus Kunst im Allgemeinen – nicht bewertbar sei. Nur eben, dass diese Bewertungen zum Großteil subjektiv sind und es keine festen Kriterien gibt.

Er nennt dazu das Beispiel eines notorisch schlechten Films: „The Room“ von Tommy Wiseau. Ein Film, der so schlecht ist, dass er Kultstatus erlangt hat. „Was macht diesen Film, oder auch sein musikalisches Equivalent, die Musik der Gruppe Shaggs, eigentlich ’schlecht‘? Wie würde jemand, der noch nie mit Film oder Musik in Kontakt gekommen ist, diese Werke aufnehmen?“

Ausschlaggebend sind also immer kulturelle Gewohnheiten, der kunsthistorische „Ballast“ des Einzelnen und der Gesellschaft. Und die seien auch immer irgendwie in dem, was man macht, spürbar. „Sowohl als Rezipient als auch als Produzent brauchst du immer etwas, auf das du zurückgreifen kannst. Und es ist immer gut, den eigenen Geschmack zu kennen, sich dessen bewusst zu sein.“ Es ist dabei nur wichtig, offen zu bleiben.

„Hauptsache, du hast Spaß“

„Regeln“ sieht er so als zweischneidiges Schwert. Denn einerseits schränken sie natürlich die Kreativität ein, andererseits muss man die Regeln kennen, um sie zu brechen. Aber an für sich, meint Zuang, denke er nicht viel über seine Tätigkeit nach. Der Spaß steht für ihn im Vordergrund. „Ob du nun Profi oder Hobbymusiker bist, gut oder schlecht, egal, Hauptsache, du hast Spaß.“ Ab einem gewissen Niveau seien trotzdem eine gewisse Selbstreflektion und zumindest historisches Vorwissen notwendig. Egal in welcher Kunstform. Um seine künstlerischen Entscheidungen erklären zu können. Und um sich zu verbessern.

Diese Dichotomie ist dann auch nur eine von vielen, mit denen er arbeiten muss. Da wäre noch die zwischen Instinkt und Ratio, zwischen Technik und Emotion. Dabei handelt es sich jedoch nicht um unversöhnliche Gegensätze. Dann zumindest nicht, wenn man weiß, wie man an die Sache rangeht. Denn: „Je besser du technisch bist, umso besser kannst du die Emotionen ausdrücken.“ Die Ansicht, dass das Schlagzeug nicht unbedingt das Instrument ist, an dem man am kreativsten sein kann, teilt er nicht: „Gerade weil es nicht ‚melodisch‘ ist, kannst du deiner Kreativität freien Lauf lassen.“

Er spiele zwar auch Klavier, es ziehe ihn aber immer wieder zu den Drums zurück. Denn die machen ihm am meisten Spaß, beim Spielen fühlt er sich oft, als würde er in ein anderes Universum versetzt, kann sein Ego komplett ausblenden, das Unbewusste sich manifestieren lassen. „Wenn du auf einmal ganz im Moment bist und es nur noch die Musik gibt.“ Und dann sei einem das Publikum mehr oder weniger egal.

Eine Verantwortung, Musik zu teilen

Denn ob man nun im Hinterzimmer einer Bar für ein Dutzend Menschen oder auf einer großen Bühne für Tausende spielt, sollte erst einmal nebensächlich sein, so Zuang. „Es geht darum, die Kunst an die Leute zu bringen, egal wie viele es sind.“ Dieses Verlangen war es, das ihn dazu bewegt hat, öffentlich zu spielen, seine Musik nicht für sich zu behalten. Die klassische Perkussion gegen Rock-Drums einzutauschen und mit Rat October die Bühnen zu erklimmen. Dass er in der Gruppe, deren ursprünglichen Drummer er ersetzt, nur zum Teil am Schreiben der Musik beteiligt ist, sieht er nicht negativ.

„Es ist nicht dasselbe, wenn du Musik schreibst oder sie spielst. Das Schreiben ist Kopfsache: Du musst deinen Ideen bewusst Struktur geben, sie leserlich machen.“ Das Schreiben habe aber auch seine Vorteile, da es ermöglicht, Musik weiterzuvermitteln. Der Musiker sieht darin auch einen eventuellen Grund, warum er mit Klassik „nie wirklich warm“ geworden ist.

Bei Liveauftritten stehe eher das Teilen im Vordergrund. Das Teilen einer Energie, einer Stimmung. „Jeder Mensch hat immer eine Verantwortung, Wissen und Erfahrungen weiterzugeben“, meint Tom Zuang. Insofern kann er sich gut vorstellen, in Zukunft anderen das Schlagzeug-Spielen beizubringen. Aber bis dahin werden noch ein paar Jahre vergehen. Erst einmal geht es für ihn nach Rotterdam, um dort zu studieren – Jazz-Drums.