GefängnisverwaltungDer Häftling im Mittelpunkt: Strafvollzug in Luxemburg soll modernisiert werden

Gefängnisverwaltung / Der Häftling im Mittelpunkt: Strafvollzug in Luxemburg soll modernisiert werden
Dass der Freigang im neuen Gefängnis von Sanem auf dem Dach stattfindet, ist nicht das einzige Novum, das auf den Luxemburger Strafvollzug zukommt. Auch Schrassig wird sich auf einige Neuerungen einstellen müssen.  Foto: Editpress/Tania Feller

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Mit der Anstalt für Untersuchungshäftlinge in Sanem eröffnen sich ab dem 1. Oktober 2022 auch neue Möglichkeiten für den gesamten Luxemburger Strafvollzug. Die Gefängnisverwaltung hat große Pläne, darunter eine moderne Betreuung und mehr Freiräume für Häftlinge. Dies soll wieder Mittel freisetzen für weitere Verbesserungen.

„Von wegen Mittelalter! Als ich das lesen musste, bin ich etwas pampig geworden“, sagt Serge Legil mit gespielter Entrüstung. Ein Lächeln um die Mundwinkel verrät, dass sich der Direktor der Luxemburger Gefängnisverwaltung mit der Kritik von „Eran, eraus … an elo?“ abgefunden hat. Mehr noch: „Ich habe durchaus Verständnis für bestimmte Forderungen der Vereinigung“, so Legil.

Schließlich handele es sich um eine Gewerkschaft, die sich bestimmter Ausdrücke bedienen muss, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Tatsächlich setzt sich „Eran, eraus … an elo?“ als Interessenvertretung seit einem Jahr verstärkt für die Belange inhaftierter Menschen in Luxemburg ein. Regelmäßig geht in ihren Mitteilungen von „erschreckenden Zuständen“ die Rede, von „kläglichen“ und „dürftigen“ Situationen oder von „mittelalterlichen Verhältnissen“.

Das Anliegen der Gewerkschaft kann Legil zwar nachvollziehen. Deren Ansichten will er aber nicht teilen. Im Gegenteil: Mit der jüngsten Reform seien sämtliche Weichen für einen modernen Strafvollzug in Luxemburg gestellt worden. Dass es dennoch Probleme in Schrassig gibt und größere Baustellen, dessen ist sich der Chef der Gefängnisverwaltung durchaus bewusst.

„Unser Gefängniswesen ist nicht perfekt“, unterstreicht Legil und nennt gleich mehrere Beispiele. So sei etwa die Unterbringung von Frauen und Jugendlichen alles andere als zufriedenstellend. Und auch die Räume für unbewachte Besuche seien eines modernen Strafvollzugs nicht würdig. „Wenn wir nur mit den Fingern schnippen könnten … Leider fehlen uns im Augenblick noch die Möglichkeiten“, gesteht der Leiter der Gefängnisbehörde.

Mit der Eröffnung des Gefängnisses für Untersuchungshäftlinge in Sanem soll sich das Blatt in einem Jahr wenden. Ab dem 1. Oktober 2022 ziehen am „Uerschterhaff“ die ersten Insassen ein. In der Folge wird das Gefängnis in Schrassig mit seinen derzeit 550 Häftlingen deutlich entlastet. Bis Januar 2023 soll die Zahl der Insassen um die Hälfte reduziert werden. Die freigesetzten Mittel werden dann integral in den Aufbau einer modernen Infrastruktur fließen, die den Resozialisierungsgedanken in den Mittelpunkt stellt und den Anforderungen eines Strafvollzugs im 21. Jahrhundert gerecht wird.

Als Erstes werde man einen ganzen Block nur für weibliche Häftlinge einrichten sowie angebrachte Räume für unbewachte Besuche und eine Abteilung für Senioren, so Legil. Geplant sind auch ein drogenfreier Block, eine Abteilung für Ersttäter sowie Einrichtungen für unbelehrbare Wiederholungstäter und Häftlinge, die vor sich selbst oder Mitinsassen geschützt werden müssen. Insgesamt laufen die Sanierungspläne für Schrassig bis 2037.

Serge Legil will Kritiken an seinen „Giichtchen“ nicht gelten lassen: „Das sind alles engagierte Leute, die sich viel Mühe geben“, so der Direktor der Gefängnisverwaltung.
Serge Legil will Kritiken an seinen „Giichtchen“ nicht gelten lassen: „Das sind alles engagierte Leute, die sich viel Mühe geben“, so der Direktor der Gefängnisverwaltung. Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Ein Gefängnis der Kategorie 3

Das neue Gefängnis am „Uerschterhaff“ wird mit den neuesten Überwachungstechniken ausgestattet. „Die Sicherheit, Türen, Beleuchtung und Kameras … alles wird elektronisch gesteuert“, erklärt Legil. Häftlinge sollen sich nämlich freier bewegen können. Nur noch in Ausnahmefällen werden sie von Wärtern begleitet. Alles andere übernehmen die Kameras. Dafür werden die Insassen mit einem Badge ausgestattet, der den Zugang zu den erlaubten Arealen regelt.

Wie die Haftanstalt am „Uerschterhaff“ soll aber auch Schrassig künftig den Anforderungen eines Gefängnisses der Sicherheitskategorie 3 entsprechen. Bei Kategorie 4 handelt es sich um Einrichtungen ohne Mauern und Gittern (z.B. Givenich), während Kategorie 1 mit den Hochsicherheitstrakten verglichen werden kann, wie man sie aus den Vereinigten Staaten kennt.

Schrassig sei momentan Kategorie 2: Mauern, Gitter und viele Türen, Kameras und Schlösser im Innern der Anstalt. „Fast das ganze Gefängnis soll allerdings in Kategorie 3 überführt werden. Das entspricht den neuesten kriminologischen Standards mit Mauern und Gittern, aber möglichst vielen Bewegungsfreiheiten im Innern“, so Legil.

Wegen der vielen Sicherheitstüren und Schließmechanismen brauchen Wärter zurzeit in Schrassig mehr als 20 Minuten, um einen Häftling von einem Ende des Gefängnisses zum anderen zu begleiten. Ein enormer Zeitaufwand, der künftig entfallen soll: „Unsere ausgebildeten Beamten sind viel zu wertvoll, um Begleitkommando zu spielen“, unterstreicht Legil.

Die Zeiten, in denen Gefängniswärter nur den Aufpasser spielen, sind definitiv vorbei: „Unsere Mitarbeiter leben mit den Insassen. Manche Wärter begleiten einen Häftling sein Leben lang. Dabei entsteht eine gewisse Nähe, die wir fördern wollen“, so der Chef der Gefängnisverwaltung. Sympathie und Empathie seien ebenso gefragt wie ein gewisses Einfühlungsvermögen, Aufmerksamkeit und Kommunikationsbereitschaft. Nur so merke ein Wärter schnell, wenn etwas mit einem Häftling nicht stimmt.

Verständnis zeigen, ohne die Grenzen zu überschreiten, das sei der Job eines modernen Gefängniswärters. „Das ist aber nicht immer einfach“, gesteht Legil. „Auch wenn es harsch klingt: Man darf nie vergessen, mit wem man es im Gefängnis zu tun hat. Die Insassen versuchen ständig, die Distanz zu den Wärtern aufzubrechen. Doch eine gewisse Distanz ist Voraussetzung, ansonsten wird es gefährlich.“ Gefälligkeiten gegenüber Häftlingen sind beispielsweise tabu. Sie schaffen gefährliche Präzedenzfälle, die von den Insassen gegen den betroffenen Mitarbeiter verwendet werden können.

Ein Faible für Sicherheitsberufe und Blaulicht

„Wir arbeiten für die Häftlinge und mit ihnen. Sie stehen im Mittelpunkt unseres Schaffens. Doch wir sind keine Freunde“, betont Legil. Auch sei man nicht dafür zuständig, die Insassen zu bestrafen. Dafür sei die Magistratur zuständig. Ziel sei es vielmehr, den Betroffenen Instrumente in die Hand zu geben, damit sie bei einer möglichen Entlassung in Freiheit bestehen können und nicht mehr rückfällig werden: „Wir wollen möglichst jede Anstrengung unternehmen, damit ein Häftling bei seiner Entlassung in einer besseren Verfassung ist als bei seiner Einlieferung“, unterstreicht Legil.

Zu diesem Zweck wird jeder Häftling zu Beginn einer psychologischen Bestandsaufnahme unterzogen. Dabei werden jene „Baustellen“ definiert, die während der Haft behoben werden können. Etwa mit Suchtprogrammen, Gewalttraining, einer psychologischen Begleitung oder einer normalen Ausbildung. Gleichzeitig versucht ein Team aus Spezialisten, die Rückfallgefahr einzuschätzen. „Besteht ein Risiko, setzen wir dort als Erstes an“, erklärt der Direktor der Gefängnisverwaltung.

Wurde in den letzten Jahren hauptsächlich auf externe Spezialisten zurückgegriffen, ist die Behörde dazu übergegangen, Experten im Bereich der Psycho-Kriminologie einzustellen. „Diese Begleitung ist äußerst kostspielig, weil wir mit hoch spezialisierten Kräften arbeiten. Doch Geld spielt keine Rolle: Wenn es dem Häftling hilft, wird er das Angebot auch erhalten“, betont Legil. Schließlich profitiert die gesamte Gesellschaft von einer erfolgreichen Resozialisierung.

Schwierigkeiten, geeignete Psychologen, Kriminologen, Soziologen und Pädagogen zu finden, gebe es nicht. Anders sieht es bei den Gefängniswärtern und -beamten aus: „Mir läuft es kalt den Rücken runter, wenn ich an die Rekrutierungsbemühungen von Polizei und Rettungskräften denke“, meint Serge Legil. Bis zu 800 Mitarbeiter wollen beide Behörden in den kommenden Jahren anheuern. „Doch wir fischen alle im gleichen Rekrutenpool“, gibt der Chef der „Administration pénitentiaire“ zu bedenken.

600 Mitarbeiter arbeiten aktuell für die Gefängnisverwaltung. Mit der Eröffnung des „Uerschterhaff“ soll die Belegschaft auf 900 anwachsen. Erste Anstrengungen wurden bereits unternommen: Derzeit läuft unter anderem das Auswahlverfahren für potenzielle Gefängniswärter und andere Mitarbeiter. „Wir benötigen viele neue Leute. Mehr als zuvor“, betont Legil.

Erschwert wird die Suche durch den Umstand, dass Polizei, Rettungskräfte und Gefängnisverwaltung auf Kandidaten mit ähnlichem Profil aus sind. Voraussetzung sind ein bestimmter Bildungsgrad, eine Affinität für Abwechslung und Abenteuer sowie ein Faible für Blaulicht und Sicherheitsberufe. Nicht in Frage kämen hingegen Waffenfanatiker und Menschen mit rechtem Gedankengut. Auf solche Kandidaten kann die Gefängnisverwaltung getrost verzichten.

Laird Glenmore
26. November 2021 - 11.23

eine moderne Betreuung und mehr Freiräume für Häftlinge. wahrscheinlich noch mit Wellness Bereich und Spa als Belohnung für ihre Missetaten nebst 5* Küche. Dann kann man ja allen direkt Fußfesseln anlegen und als Freigänger behandeln. Ich dachte immer wer Kriminell ist soll bestraft werden und nicht wie ein VIP hofiert werden, dann ist ja im Knast besser als hier draußen.